I. „Ein Baum voller Kutten", oder: Worum es in
dieser Studie gehen soll
In seiner 996 oder kurz danach1 verfassten Vita Sancti /Ethdwoldi berichtet
Wulfstan Cantor von einem prophetischen Traum Dunstans von Canterbury,
den dieser während seines Abbatiates in Glastonbury bezüglich der Zukunft
seines Schülers /Ethel wold erfahren haben soll:
„Er sah im Schlaf so etwas wie einen Baum von wunderbarer Höhe,
welcher seine Äste nach Osten und Westen, nach Norden und Süden
auszustrecken schien, sodass er sich weit und breit über die gesamte
Region Britanniens erstreckte. Die Äste dieses Baumes waren mit un-
zähligen, kleineren wie größeren Kutten beladen. Aber der Baum
selbst trug in seinem höchsten Wipfel eine sehr große Kutte, welche die
übrigen mit der Hülle ihrer hervorstehenden Ärmel beschirmte und
durch ihre ungeheure Höhe alle übertreffend den Himmel selbst be-
rührte."2
Der angesichts dieses Anblicks zutiefst erstaunte Dunstan fragt daraufhin den
Priester mit dem weißen engelsgleichen Haar, der ihm das Szenario offenbart
hat, nach der Bedeutung des Erfahrenen. Die Auslegung fällt wie folgt aus:
,„Der Baum, den du siehst, Abt Dunstan, bezeichnet die Lage dieser
Insel. Die große Kutte, welche sich im Wipfel dieses Baumes befindet,
ist die deines Mönches /Ethelwold, welcher in diesem Kloster Christus
demütig dient. Die übrigen Kutten aber, mit welchen dessen Äste be-
laden zu sein scheinen, bezeichnen die Vielzahl der Mönche, die durch
dessen Lehre zu unterweisen und von überall her in dieser Region zum
Dienste des allmächtigen Gottes zu versammeln sind. Und durch
dessen Führung werden sie zum Ruhm des himmlischen Königreiches
und in die Gemeinschaft der mit Christus regierenden seligen Geister
gelangen/"3
1 Zur quellenkritischen Einordnung und Datierung der Vita vgl. den Abschnitt III.1.3.3. in der
vorliegenden Arbeit.
2 [V]zdzf in somnis [...] quasi quandam mirae celsitudinis arborem, quae ramos suos expandere uisa est ad
orientem et occidentem, septentrionem et meridiem, super uniuersam Britanniae regionem uasta longi-
tudine et latitudine extensam. Cuius arboris rami innumeris erant maioribus atque minoribus cucullis
onusti, ipsa uero arbor in summo cacumnie gesatbat unam pregrandem cucullam, quae manicarum
uelamento supereminens protegebat ceteras et ingenti proceritate supergrediens uniuersas ipsum con-
tingebat caelum. Wulfstan Cantor, Vita Sancti /Ethelwoldi, Cap. 38.
3 ,Arbor haec quam uides, abba Dunstane, situm designat huius insulae: magna autem cuculla, quae in
huius arboris summitate egrigitur, ipsa est monachi tui /Etheluuoldi, qui in hoc monasterio deuote Christo
famulatur; reliquae uero cucullae, quibus hi rami uidentur onusti, multitudinem designant monachorum
qui eins eruditione sunt instruendi et undique in hac regione ad omnipotentis Dei seruitium congregandi,
dieser Studie gehen soll
In seiner 996 oder kurz danach1 verfassten Vita Sancti /Ethdwoldi berichtet
Wulfstan Cantor von einem prophetischen Traum Dunstans von Canterbury,
den dieser während seines Abbatiates in Glastonbury bezüglich der Zukunft
seines Schülers /Ethel wold erfahren haben soll:
„Er sah im Schlaf so etwas wie einen Baum von wunderbarer Höhe,
welcher seine Äste nach Osten und Westen, nach Norden und Süden
auszustrecken schien, sodass er sich weit und breit über die gesamte
Region Britanniens erstreckte. Die Äste dieses Baumes waren mit un-
zähligen, kleineren wie größeren Kutten beladen. Aber der Baum
selbst trug in seinem höchsten Wipfel eine sehr große Kutte, welche die
übrigen mit der Hülle ihrer hervorstehenden Ärmel beschirmte und
durch ihre ungeheure Höhe alle übertreffend den Himmel selbst be-
rührte."2
Der angesichts dieses Anblicks zutiefst erstaunte Dunstan fragt daraufhin den
Priester mit dem weißen engelsgleichen Haar, der ihm das Szenario offenbart
hat, nach der Bedeutung des Erfahrenen. Die Auslegung fällt wie folgt aus:
,„Der Baum, den du siehst, Abt Dunstan, bezeichnet die Lage dieser
Insel. Die große Kutte, welche sich im Wipfel dieses Baumes befindet,
ist die deines Mönches /Ethelwold, welcher in diesem Kloster Christus
demütig dient. Die übrigen Kutten aber, mit welchen dessen Äste be-
laden zu sein scheinen, bezeichnen die Vielzahl der Mönche, die durch
dessen Lehre zu unterweisen und von überall her in dieser Region zum
Dienste des allmächtigen Gottes zu versammeln sind. Und durch
dessen Führung werden sie zum Ruhm des himmlischen Königreiches
und in die Gemeinschaft der mit Christus regierenden seligen Geister
gelangen/"3
1 Zur quellenkritischen Einordnung und Datierung der Vita vgl. den Abschnitt III.1.3.3. in der
vorliegenden Arbeit.
2 [V]zdzf in somnis [...] quasi quandam mirae celsitudinis arborem, quae ramos suos expandere uisa est ad
orientem et occidentem, septentrionem et meridiem, super uniuersam Britanniae regionem uasta longi-
tudine et latitudine extensam. Cuius arboris rami innumeris erant maioribus atque minoribus cucullis
onusti, ipsa uero arbor in summo cacumnie gesatbat unam pregrandem cucullam, quae manicarum
uelamento supereminens protegebat ceteras et ingenti proceritate supergrediens uniuersas ipsum con-
tingebat caelum. Wulfstan Cantor, Vita Sancti /Ethelwoldi, Cap. 38.
3 ,Arbor haec quam uides, abba Dunstane, situm designat huius insulae: magna autem cuculla, quae in
huius arboris summitate egrigitur, ipsa est monachi tui /Etheluuoldi, qui in hoc monasterio deuote Christo
famulatur; reliquae uero cucullae, quibus hi rami uidentur onusti, multitudinem designant monachorum
qui eins eruditione sunt instruendi et undique in hac regione ad omnipotentis Dei seruitium congregandi,