1.5. Der Eingang in die Heilsgemeinschaft als einendes Ziel
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1.5. Der Eingang in die Heilsgemeinschaft als einendes Ziel,
oder: Soziale Gruppen als Wertegemeinschaften
Das Struktur geb ende Merkmal der in der Vision beschriebenen Gruppe bildet
weniger die Zugehörigkeit zum monastischen Stand als vielmehr die Beziehung
der einzelnen Mönche zu TEthelwold, die durch eine Unterordnung der ersteren
unter die Führung des letzteren gekennzeichnet ist. Dieses hierarchische Element
des Entwurfes wird nicht erst in der Auslegung des visionär Erlebten durch den
engelsgleichen Priester erwiesen, welche die prospektive Erlösung der Mönche
auf den ducatus TEthelwolds zurückführt. Sie ist auch im Geoffenbarten selbst
präsent, indem die Größe, die Spitzenstellung und die beschirmende Funktion
der den Bischof symbolisierenden Kutte herausgestellt werden. Fragt man
hiervon ausgehend nach der Begründung dieser Sonderstellung TEthelwolds, so
fällt eine vermeintliche Diskrepanz zwischen dem symbolisch Codierten und
dessen Interpretation auf: Während die Vision über die schützenden Ärmel von
TEthelwolds Kutte zunächst Assoziationen zur (haus-)väterlichen Verfügungs-
gewalt eines Abtes über seine Mönche herzustellen scheint, wird der Führungs-
anspruch des Heiligen in der Auslegung jedoch nicht explizit als Abbatiat cha-
rakterisiert. Fundierendes Element seines Primates bildet die Unterweisung der
Mönchsschar, die so der himmlischen societas teilhaftig wird - eine Deutung, die
durch den Himmelskontakt der Kukulle TEthelwolds in der Vision noch weiter
untermauert wird, weist sie ihn doch als Verbindung zwischen Diesseits und
Jenseits und damit als Mittler zwischen himmlischer und irdischer Sphäre aus.
Die institutionalisierte Verfügungsgewalt des Abtes wird im vorliegenden
Kontext also durch die Begnadung und den Wissensvorsprung des Heiligen
hinsichtlich des Gottgefälligen substituiert. Auch wenn durch den Rekurs auf
den ducatus kein Zweifel daran bestehen kann, dass Wulfstan TEthelwold hier
einen Führungsanspruch gegenüber den sich ihm anvertrauenden Mönchen
zuschreibt, so gründet diese Autorität weniger in der institutionellen Verfassung
des Mönchtums, die in diesem Kontext keine Rolle spielt, als vielmehr in der
durch die Heiligkeit evozierten Vollkommenheit des Protagonisten selbst.
Der Visionsbericht wird somit ganz im Sinne hagiographischer Erzählkon-
ventionen auf die Perfektion TEthelwolds zugeschnitten, die zugleich um eine
soziale Dimension ergänzt wird. Nicht allein dem Heiligen wird durch die Er-
kenntnis des Gottgefälligen der Weg zur Erlösung aufgezeigt, auch der ihm
untergebenen Mönchsschar wird durch die Vermittlung dieser religiösen Ex-
pertise die Teilhabe an der himmlischen societas in Aussicht gestellt. Wenngleich
die Inhalte dieses frommen Lebens jenseits eines pauschalen Hinweises auf den
Dienst an Gott an dieser Stelle nicht näher ausgeführt und somit nicht im Sinne
einer Tugendlehre konkretisiert werden, so kann durch die Evokation eines ge-
meinsamen Strebens nach Erlösung kein Zweifel daran bestehen, dass Wulfstan
eine gemeinsame Werteorientierung zum eigentlichen proprium der hier be-
schriebenen Gruppe erhebt.
Dass diese geteilte Werteorientierung dabei nicht für alle Mönche in glei-
chem Maße konstatiert werden kann, verdeutlicht der Autor durch den Hinweis
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1.5. Der Eingang in die Heilsgemeinschaft als einendes Ziel,
oder: Soziale Gruppen als Wertegemeinschaften
Das Struktur geb ende Merkmal der in der Vision beschriebenen Gruppe bildet
weniger die Zugehörigkeit zum monastischen Stand als vielmehr die Beziehung
der einzelnen Mönche zu TEthelwold, die durch eine Unterordnung der ersteren
unter die Führung des letzteren gekennzeichnet ist. Dieses hierarchische Element
des Entwurfes wird nicht erst in der Auslegung des visionär Erlebten durch den
engelsgleichen Priester erwiesen, welche die prospektive Erlösung der Mönche
auf den ducatus TEthelwolds zurückführt. Sie ist auch im Geoffenbarten selbst
präsent, indem die Größe, die Spitzenstellung und die beschirmende Funktion
der den Bischof symbolisierenden Kutte herausgestellt werden. Fragt man
hiervon ausgehend nach der Begründung dieser Sonderstellung TEthelwolds, so
fällt eine vermeintliche Diskrepanz zwischen dem symbolisch Codierten und
dessen Interpretation auf: Während die Vision über die schützenden Ärmel von
TEthelwolds Kutte zunächst Assoziationen zur (haus-)väterlichen Verfügungs-
gewalt eines Abtes über seine Mönche herzustellen scheint, wird der Führungs-
anspruch des Heiligen in der Auslegung jedoch nicht explizit als Abbatiat cha-
rakterisiert. Fundierendes Element seines Primates bildet die Unterweisung der
Mönchsschar, die so der himmlischen societas teilhaftig wird - eine Deutung, die
durch den Himmelskontakt der Kukulle TEthelwolds in der Vision noch weiter
untermauert wird, weist sie ihn doch als Verbindung zwischen Diesseits und
Jenseits und damit als Mittler zwischen himmlischer und irdischer Sphäre aus.
Die institutionalisierte Verfügungsgewalt des Abtes wird im vorliegenden
Kontext also durch die Begnadung und den Wissensvorsprung des Heiligen
hinsichtlich des Gottgefälligen substituiert. Auch wenn durch den Rekurs auf
den ducatus kein Zweifel daran bestehen kann, dass Wulfstan TEthelwold hier
einen Führungsanspruch gegenüber den sich ihm anvertrauenden Mönchen
zuschreibt, so gründet diese Autorität weniger in der institutionellen Verfassung
des Mönchtums, die in diesem Kontext keine Rolle spielt, als vielmehr in der
durch die Heiligkeit evozierten Vollkommenheit des Protagonisten selbst.
Der Visionsbericht wird somit ganz im Sinne hagiographischer Erzählkon-
ventionen auf die Perfektion TEthelwolds zugeschnitten, die zugleich um eine
soziale Dimension ergänzt wird. Nicht allein dem Heiligen wird durch die Er-
kenntnis des Gottgefälligen der Weg zur Erlösung aufgezeigt, auch der ihm
untergebenen Mönchsschar wird durch die Vermittlung dieser religiösen Ex-
pertise die Teilhabe an der himmlischen societas in Aussicht gestellt. Wenngleich
die Inhalte dieses frommen Lebens jenseits eines pauschalen Hinweises auf den
Dienst an Gott an dieser Stelle nicht näher ausgeführt und somit nicht im Sinne
einer Tugendlehre konkretisiert werden, so kann durch die Evokation eines ge-
meinsamen Strebens nach Erlösung kein Zweifel daran bestehen, dass Wulfstan
eine gemeinsame Werteorientierung zum eigentlichen proprium der hier be-
schriebenen Gruppe erhebt.
Dass diese geteilte Werteorientierung dabei nicht für alle Mönche in glei-
chem Maße konstatiert werden kann, verdeutlicht der Autor durch den Hinweis