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Bruhn, Stephan; Christian-Albrechts-Universität zu Kiel [Contr.]; Jan Thorbecke Verlag [Contr.]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Reformer als Wertegemeinschaften: zur diskursiven Formierung einer sozialen Gruppe im spätangelsächsischen England (ca. 850-1050) — Mittelalter-Forschungen, Band 68: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2022

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.69837#0072

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II. Alfredianische Reformen

II.l. Assers De rebus gestis /Elfredi - ein Reformtext
Die in der allgemeinen Einführung aufgeworfene diskursgeschichtliche Aus-
richtung des Reformbegriffes, die diese Wandlungsphänomene als potenziell
konfliktgeladene, sozial-kommunikative Aushandlungen von Werteordnungen
perspektiviert, zeitigt Folgen für den Zuschnitt und die Analyse des Quellen-
korpus. Wenn man Reformen als Intensivierung von Wertediskursen auffasst, als
Sinnstiftungsprozesse, die vornehmlich der Selb st Vergewisserung und kom-
munikativen Genese einer werteorientierten sozialen Gruppe dienen, dann
können auch Texte untersucht werden, deren Abfassungsgründe vermeintlich
jenseits reformorientierter Maßnahmen im engeren Sinne zu sehen sind - etwa in
der Herrschaftslegitimation oder der Heiligen Verehrung. Es geht mithin um eine
Ermittlung des Reformcharakters von Texten, die in der Forschung bisher vor
allem unter anderen Geschichtspunkten untersucht worden sind.149 Um ein
solches Zeugnis handelt es sich bei jener Vita, über die im Folgenden die soge-
nannten ,alfredianischen' Reformen neu akzentuiert werden sollen: Assers De
rebus gestis TElfredi, eine nach karolingischem Vorbild modellierte Lebensbe-
schreibung König Alfreds des Großen von Wessex.150 Die Stellung der Herr-
schervita innerhalb des vom alfredianischen Hof angestoßenen Reformdiskurses
wird vor allem durch die diskursanalytische Untersuchung des Werkes selbst
ersichtlich. Dennoch soll ein problemorientierter Forschungsüberblick voran-
gestellt werden, der die Gründe für die bisherige Ausklammerung der Vita vor
dem Hintergrund der neueren Forschung zu den Reformen ermittelt und hier-
von ausgehend eine neue Lesart der Vita vorschlägt.
Die alfredianischen Reformen können dabei als gut erschlossenes Themen-
feld mit einer langen Forschungstradition gelten.151 Gemeinhin werden unter
diesem Begriff eine Reihe von kulturell-religiösen wie auch politisch'-militäri-
schen Maßnahmen subsumiert, die der Wessex'sche König nach seiner Be-

149 Vgl. zu diesen Aspekten ausführlich den Abschnitt I. in der vorliegenden Arbeit.
150 In der Forschung kursieren unterschiedliche Titel für das Werk, da der zeitgenössische Cha-
rakter der Betitelung der Vita im Transkript Parkers aus dem 16. Jahrhundert umstritten ist. Die
hier gewählte Formulierung geht auf den Editor des Werkes, William H. Stevenson, zurück, der
sich allerdings in seiner Diktion stark an den Wortlaut Parkers anlehnt. Vgl. hierzu Keynes,
Kingdom, S. 37, Anm. 98. Für einen Altemativvorschlag vgl. Charles-Edwards, Wales, S. 456.
151 Dazu treffend Reuter, Alfred, S. ix: „Alfred has had an iconic resonance for modern English
(conceivably even ,Britsh') history and consciousness since Ruskin's time at the latest [...]." Zur
ungebrochenen Aktualität des Themas äußert sich auch Keynes, Kingdom, S. 13: „Although
Alfred the Great has long enjoyed a high reputation, he remains at the centre of intense debate
among historians and literary scholars alike." Vgl. dazu auch Campbell, Placing, sowie den
konzisen Forschungsüberblick bei Discenza/Szarmach, Introduction, S. 1 f., mit der dort ange-
gebenen Literatur.
 
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