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Bruhn, Stephan; Christian-Albrechts-Universität zu Kiel [Mitarb.]; Jan Thorbecke Verlag [Mitarb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reformer als Wertegemeinschaften: zur diskursiven Formierung einer sozialen Gruppe im spätangelsächsischen England (ca. 850-1050) — Mittelalter-Forschungen, Band 68: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2022

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.69837#0073

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II. Alfredianische Reformen

hauptung gegen die einfallenden Dänen bei Edington 878 unternahm bezie-
hungsweise unternehmen wollte, um seine Herrschaft dauerhaft zu konsoli-
dieren und zugleich eine hegemoniale Stellung seines Reiches innerhalb der
englischen christianitas zu etablieren.152 Wenngleich hinsichtlich der ideellen
Grundlagen wie auch des Vorgehens Parallelen zu den Ansätzen anderer re-
formorientierter Könige der Zeit wie etwa denjenigen Karls des Großen er-
kennbar sind, zeichnen sich die Initiativen Alfreds durch eine Reihe von Be-
sonderheiten aus, die über die karolingischen Vorbilder hinausweisen.153 Hier ist
vor allem auf das vom König initiierte Übersetzungsprogramm zu verweisen, im
Zuge dessen mehrere lateinische Werke ins Altenglische übertragen wurden, um
eine größere Breitenwirkung zu erzielen.154

152 Zur herrschaftlichen Fragmentierung Englands vor Alfred vgl. den Überblick bei Yorke, Kings.
Zur Rolle Alfreds als Wegbereiter hin zu einem geeinten englischen Königreich vgl. Keynes,
Kingdom, S. 13, sowie Campbell, Placing, S. 3: „There is no difficulty in seeing him [sc. Alfred] as a
key member of the family which, in four generations, transformed England."
153 Treffend dazu Busse, Reformen, S. 171: „Dies sind also die Einflußlinien: Der Karolinger liefert
das Muster; wie im Reich Karls des Großen findet auch bei Alfred ,dem Großen' die Reform auf
königliche Unterstützung. Damit hören die Gemeinsamkeiten aber schon auf, denn die Reform
selbst soll in England in einem wesentlichen Punkt doch ganz anders gewesen sein - nämlich in
der Beteiligung des Königs selbst an den Reformbemühungen." Zu den karolingischen Bezügen
des Reformprogramms allgemein vgl. auch Nelson, Wealth, bes. S. 35-37. Zur Bedeutung dieses
Forschungszweiges vgl. Pratt, Thought, S. 4f., mit weiterführender Literatur.
154 Dieses Korpus an Übersetzungen ist in seiner Zusammensetzung immer wieder Gegenstand
von Forschungsdiskussionen gewesen, da eine eindeutige Zuordnung der Texte aufgrund der
problematischen Überlieferungslage kaum möglich erscheint. Grundsätzlich unterscheidet man
zwischen Übersetzungen, die der König unter Mitwirkung seines Hofzirkels selbst verfasst
haben soll, und Übertragungen, die lediglich im (zeitlichen, räumlichen oder personellen)
Umfeld des alfredianischen Hofes verortet werden können, wobei eine explizite Verbindung
zum Wessex'schen Herrscher im letztgenannten Fall nicht immer hergestellt werden kann.
Üblicherweise werden Alfred in der aktuellen Forschung in Anlehnung an die grundlegenden
Arbeiten Janet Batelys fünf Texte zugeschrieben: die altenglischen Übersetzungen der Regula
pastoralis Gregors des Großen, der Consolatio philosophiae des Boethius, der Soliloquia des Au-
gustinus und der ersten 50 Psalme sowie die einführenden Passagen zur Gesetzessammlung des
Königs. Die Grundlage dieser Identifikation bilden dabei nicht allein Verweise auf die Autor-
schaft Alfreds, sondern auch textimmanente Merkmale wie die Idiomatik, die die Werke als in
sich geschlossenes Konvolut ausweisen. Vgl. dazu Bately, Canon, bes. S. 109, Pratt, Problems,
S. 166f., Ders., Thought, S. 116-118, Nelson, Ideas, S. 137-140, sowie Discenza, Texts. Die auf
/Elfric von Eynsham zurückgehende Assoziierung der altenglischen Version von Bedas Historia
ecclesiastica gentis Anglorum mit Alfred kann damit ebenso als widerlegt gelten wie die bei
Wilhelm von Malmesbury reklamierte Autorschaft des Herrschers für die Übersetzung der
Historiarum adversum paganos libri VII des Orosius. Auch eine direkte Mitwirkung Alfreds an der
Erstellung der Angelsächsischen Chronik wird mittlerweile kritisch gesehen. Zu den Behaup-
tungen von /Elfric und Wilhelm vgl. Godden, Project, S. 109, zum Stellenwert der Angelsächsi-
schen Chronik Bately, Canon, S. 110, Anm. 22, sowie Pratt, Thought, S. 117. Einen konzisen
Überblick über die Forschungen zum Korpus bieten Bately, Canon, sowie die Studien zu den
einzelnen Werken in Discenza/Szarmach, Companion. Dass das Feld aber auch in der gegen-
wärtigen Forschung durchaus noch kontrovers diskutiert wird, verdeutlicht nicht nur die De-
batte um die Autorschaft des Königs. Vgl. hierzu die in Anm. 203 genannte Literatur. Godden,
Project, S. 117 f., spricht sich etwa gegen eine Zuordnung der altenglischen Versionen von Sol-
 
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