III.3. Soziale Gruppen als Wertegemeinschaften
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christlichen Normenbeständen orientiert. Damit reiht das beschriebene Mirakel
den Heiligen nicht nur implizit in den Kreis der gegenwärtigen Reformer ein, da
etwa auch /Ethelwold in seiner Vita von Wulfstan Cantor und /Ethel flaed in der
Vita Sancti Dunstani des B. ähnliche Versorgungswunder zugeschrieben werden,
welche die geschuldete Gastungspflicht betreffen.1430 Vielmehr stellt Byrhtferth
explizite Bezüge zu einem bei Adrevald von Fleury berichteten Wunder des
heiligen Benedikt her, der seiner westfränkischen Ruhestätte einen vergleich-
baren Dienst erwiesen haben soll.1431 Ecgwine wird durch das Mirakel also mit
der Leitfigur des monastischen Lebens, das von ihm protegierte Evesham mit
dem bedeutsamen kontinentalen Reformzentrum parallelisiert.
Das zweite Wunder betrifft ein Eingreifen Ecgwines in einen rechtlichen
Disput, welcher zwischen Evesham und einem rusticus um ein Stück Land der
Gemeinschaft ausgebrochen sei.1432 Dabei fokussiert Byrhtferth den eigentlichen
Konfliktverlauf auf einen werteorientierten Antagonismus zwischen dem un-
besonnenen Bauern und dem gottesfürchtigen Prior des Konventes namens
Wigred. Denn während der rusticus durch sein gieriges und listiges Verhalten die
Auseinandersetzung provoziert und schlussendlich eskalieren lassen habe, sei
der Prior als demütiger und das Recht wahrender Sachwalter der von ihm re-
präsentierten Gemeinschaft aufgetreten. Obwohl der Konflikt durch beidseitige
Reinigungseide auf dem umstrittenen Boden, welche den rechtmäßigen Besitzer
des Landes erweisen mögen, friedlich entschieden werden soll, stilisiert Byrht-
ferth das Geschehen durch die martialisch-agonale Sprache und den Ausgang
der Episode zu einem gerichtlichen Zweikampf zwischen dem rusticus und
Wigred. So wird etwa die Insel, auf welcher die Eide geleistet werden sollen, als
locum certaminis bezeichnet. Bei der als Heereszug gestalteten Ankunft der
Mönchsschar stellt der Autor deren physische Unterlegenheit heraus, welche sie
nach Art Davids durch ihren demütigen Geist und ihre spirituelle Bewaffnung
wettmachen würde: Denn die Mönche führen das Schwert des göttlichen Wortes
mit sich und trügen den undurchdringlichen Brustpanzer des Glaubens als
Schild. Die beiden eigentlichen Kontrahenten des sich anbahnenden ,Kampfes'
werden wiederum in einer Antithese perspektiviert: Während Wigred mit dem
Banner des herrlichen Segens bezeichnet worden sei, sei der Bauer von dem
brennenden Geist der Habsucht erfüllt gewesen; während der Prior dazu bereit
gewesen sei, für die Gerechtigkeit und den umstrittenen Besitz zu sterben, habe
der Feind Beute machen wollen. Am deutlichsten zeigt sich diese agonale Auf-
ladung allerdings im Ausgang der Erzählung, habe der Bauer doch entgegen der
durch die Eidesentscheidung antizipierten friedvollen Konfliktbeilegung einen
gewaltsamen Tod erlitten, da er sich beim Abstellen der eigenen Sense selbst
enthauptet habe.
1430 Vgl. hierzu ausführlich den Abschnitt III.2.11. in der vorliegenden Arbeit.
1431 In hoc miro miraculo assimilandus est magno patri Benedicto (qui in cenobio requiescit Floriaco), sicut in
gestis eins legitur; quod si quis uelit lucidius agnoscere, legat librum de miraculis eins ab ipsius discipulo
editum, et inueniet plenius scriptum. Byrhtferth von Ramsey, Vita Sancti Ecgwini, Buch IV, Cap. 9. Vgl.
hierzu auch die Kommentierung der Stelle ebd., Anm. 78.
1432 Vgl. Byrhtferth von Ramsey, Vita Sancti Ecgwini, Buch IV, Cap. 10.
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christlichen Normenbeständen orientiert. Damit reiht das beschriebene Mirakel
den Heiligen nicht nur implizit in den Kreis der gegenwärtigen Reformer ein, da
etwa auch /Ethelwold in seiner Vita von Wulfstan Cantor und /Ethel flaed in der
Vita Sancti Dunstani des B. ähnliche Versorgungswunder zugeschrieben werden,
welche die geschuldete Gastungspflicht betreffen.1430 Vielmehr stellt Byrhtferth
explizite Bezüge zu einem bei Adrevald von Fleury berichteten Wunder des
heiligen Benedikt her, der seiner westfränkischen Ruhestätte einen vergleich-
baren Dienst erwiesen haben soll.1431 Ecgwine wird durch das Mirakel also mit
der Leitfigur des monastischen Lebens, das von ihm protegierte Evesham mit
dem bedeutsamen kontinentalen Reformzentrum parallelisiert.
Das zweite Wunder betrifft ein Eingreifen Ecgwines in einen rechtlichen
Disput, welcher zwischen Evesham und einem rusticus um ein Stück Land der
Gemeinschaft ausgebrochen sei.1432 Dabei fokussiert Byrhtferth den eigentlichen
Konfliktverlauf auf einen werteorientierten Antagonismus zwischen dem un-
besonnenen Bauern und dem gottesfürchtigen Prior des Konventes namens
Wigred. Denn während der rusticus durch sein gieriges und listiges Verhalten die
Auseinandersetzung provoziert und schlussendlich eskalieren lassen habe, sei
der Prior als demütiger und das Recht wahrender Sachwalter der von ihm re-
präsentierten Gemeinschaft aufgetreten. Obwohl der Konflikt durch beidseitige
Reinigungseide auf dem umstrittenen Boden, welche den rechtmäßigen Besitzer
des Landes erweisen mögen, friedlich entschieden werden soll, stilisiert Byrht-
ferth das Geschehen durch die martialisch-agonale Sprache und den Ausgang
der Episode zu einem gerichtlichen Zweikampf zwischen dem rusticus und
Wigred. So wird etwa die Insel, auf welcher die Eide geleistet werden sollen, als
locum certaminis bezeichnet. Bei der als Heereszug gestalteten Ankunft der
Mönchsschar stellt der Autor deren physische Unterlegenheit heraus, welche sie
nach Art Davids durch ihren demütigen Geist und ihre spirituelle Bewaffnung
wettmachen würde: Denn die Mönche führen das Schwert des göttlichen Wortes
mit sich und trügen den undurchdringlichen Brustpanzer des Glaubens als
Schild. Die beiden eigentlichen Kontrahenten des sich anbahnenden ,Kampfes'
werden wiederum in einer Antithese perspektiviert: Während Wigred mit dem
Banner des herrlichen Segens bezeichnet worden sei, sei der Bauer von dem
brennenden Geist der Habsucht erfüllt gewesen; während der Prior dazu bereit
gewesen sei, für die Gerechtigkeit und den umstrittenen Besitz zu sterben, habe
der Feind Beute machen wollen. Am deutlichsten zeigt sich diese agonale Auf-
ladung allerdings im Ausgang der Erzählung, habe der Bauer doch entgegen der
durch die Eidesentscheidung antizipierten friedvollen Konfliktbeilegung einen
gewaltsamen Tod erlitten, da er sich beim Abstellen der eigenen Sense selbst
enthauptet habe.
1430 Vgl. hierzu ausführlich den Abschnitt III.2.11. in der vorliegenden Arbeit.
1431 In hoc miro miraculo assimilandus est magno patri Benedicto (qui in cenobio requiescit Floriaco), sicut in
gestis eins legitur; quod si quis uelit lucidius agnoscere, legat librum de miraculis eins ab ipsius discipulo
editum, et inueniet plenius scriptum. Byrhtferth von Ramsey, Vita Sancti Ecgwini, Buch IV, Cap. 9. Vgl.
hierzu auch die Kommentierung der Stelle ebd., Anm. 78.
1432 Vgl. Byrhtferth von Ramsey, Vita Sancti Ecgwini, Buch IV, Cap. 10.