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III. ,Benediktinische' Reformen
In forschungsgeschichtlicher Perspektive geraten bei den ,benediktinischen'
Reformen letztlich jene Fragekomplexe in den Blick, die auch schon für die al-
fredianischen Reformen beziehungsweise die mediävistische Reformforschung
allgemein konstatiert worden sind. Neben dem Verhältnis von kontinentalen
Einflüssen zu genuin angelsächsischen Traditionen hat sich die ältere Forschung
vor allem der Rekonstruktion der Abläufe gewidmet und im Anschluss daran
versucht, die Möglichkeiten und Grenzen dieser Reformmaßnahmen zu ermit-
teln.866 Eine wichtige Wegmarke wurde dabei in den späten 1980er und frühen
1990er Jahren durch die Publikation dreier Sammelbände gesetzt, die sich in
kurzer Folge den drei wesentlichen Initiatoren der ,benediktinischen Reformen'
- /Ethelwold von Winchester (t 984), Dunstan von Canterbury (t 988) und Os-
wald von Worcester respektive York (t 992) - anlässlich von deren Todesjubiläen
in einem kontextorientierten und multidisziplinären Zugriff widmeten und so
die Frühzeit der ,benediktinischen' Reformen erschlossen.867 Dabei wurde nicht
nur die religiöse Kultur und das intellektuelle Milieu der Reformen neu akzen-
tuiert sowie die Textproduktion - insbesondere in Form der frühen Reformer-
vifen - auf ein verlässliches, quellenkritisches Fundament gestellt.868 Auch die
politischen und sozialen Kontexte der drei Führungsfiguren wurden in Einzel-
zugriffen geschärft und für Fragestellungen jenseits der Reformforschung an-
schlussfähig gemacht.869 Wenngleich der geschlossene Charakter der ,benedik-
tinischen' Reformbewegung nicht grundsätzlich infrage gestellt wurde, so pro-
filierten die Studien doch vor allem die Unterschiede in den von Dunstan,
/Ethelwold und Oswald gewählten Zugängen und relativierten zugleich deren
866 Für die Rekonstruktion der Abläufe waren lange Zeit die Thesen von David Knowles in der
Forschung vorherrschend. Vgl. Knowles, Order, S. 31-82. Die nationale Ausrichtung ebenso wie
die Fokussierung auf das Wirken Dunstans sind allerdings zu Recht problematisiert worden.
Vgl. dazu die Studien in der folgenden Anm. Für eine klassische Perspektivierung der Vorgänge
vgl. auch Semmler, Erbe, S. 44-50, und v. a. die Beiträge in Parsons, Studies.
867 Vgl. Yorke, TEthelwold, Ramsay/Sparks/Tatton-Brown, Dunstan, sowie Brooks/Cubitt, Oswald.
Eine hervorragende Synthese der Bände bietet Cubitt, Reform. Forschungsgeschichtlich ist
zudem darauf hinzuweisen, dass die Bände in vielfacher Weise an die Studien in Parsons, Stu-
dies, anknüpfen konnten.
868 Die Erschließung der Reformen über ihre Buchkultur konnte ebenfalls an ältere Vorarbeiten
anknüpfen. Vgl. dazu etwa Alexander, Benedictional, oder Hohler, Books. Aus dem Dunstan-
Sammelband ist hierzu etwa auf Gameson, Art, zum Skriptorium von Christ Church in Canter-
bury mit vergleichenden Perspektiven auf andere Werkstätten sowie Rosenthal, Pontifical, und
Budny, Classbook, zu einzelnen Handschriften zu verweisen. Für den Oswald-Sammelband vgl.
Gameson, Book, sowie Correa, Manuscripts. Aus dem TEthelwold-Band vgl. Prescott, Text. Zu
den Viten und der Heiligenverehrung vgl. im Dunstan-Band Thacker, Cults, Lapidge, B., Rolla-
son, Concept, sowie Ramsay/Sparks, Cult, S. 311-313. Vgl. im Oswald-Band auch Lapidge, Byrht-
ferth, sowie Thacker, Saint-Making. Neben den Studien in den genannten Sammelbänden vgl.
zudem die weiteren Arbeiten von Lapidge zu diesem Themenfeld in Lapidge, Literature, Bd. 2.
Die materielle Kultur wird hier - wenngleich bedeutsam - aufgrund der Themenstellung der
vorliegenden Untersuchung ausgeklammert.
869 Vgl. hierzu etwa Yorke, Politics, Thacker, Abingdon, Barrow, Community, Wareham, Family,
sowie Brooks, Career.
III. ,Benediktinische' Reformen
In forschungsgeschichtlicher Perspektive geraten bei den ,benediktinischen'
Reformen letztlich jene Fragekomplexe in den Blick, die auch schon für die al-
fredianischen Reformen beziehungsweise die mediävistische Reformforschung
allgemein konstatiert worden sind. Neben dem Verhältnis von kontinentalen
Einflüssen zu genuin angelsächsischen Traditionen hat sich die ältere Forschung
vor allem der Rekonstruktion der Abläufe gewidmet und im Anschluss daran
versucht, die Möglichkeiten und Grenzen dieser Reformmaßnahmen zu ermit-
teln.866 Eine wichtige Wegmarke wurde dabei in den späten 1980er und frühen
1990er Jahren durch die Publikation dreier Sammelbände gesetzt, die sich in
kurzer Folge den drei wesentlichen Initiatoren der ,benediktinischen Reformen'
- /Ethelwold von Winchester (t 984), Dunstan von Canterbury (t 988) und Os-
wald von Worcester respektive York (t 992) - anlässlich von deren Todesjubiläen
in einem kontextorientierten und multidisziplinären Zugriff widmeten und so
die Frühzeit der ,benediktinischen' Reformen erschlossen.867 Dabei wurde nicht
nur die religiöse Kultur und das intellektuelle Milieu der Reformen neu akzen-
tuiert sowie die Textproduktion - insbesondere in Form der frühen Reformer-
vifen - auf ein verlässliches, quellenkritisches Fundament gestellt.868 Auch die
politischen und sozialen Kontexte der drei Führungsfiguren wurden in Einzel-
zugriffen geschärft und für Fragestellungen jenseits der Reformforschung an-
schlussfähig gemacht.869 Wenngleich der geschlossene Charakter der ,benedik-
tinischen' Reformbewegung nicht grundsätzlich infrage gestellt wurde, so pro-
filierten die Studien doch vor allem die Unterschiede in den von Dunstan,
/Ethelwold und Oswald gewählten Zugängen und relativierten zugleich deren
866 Für die Rekonstruktion der Abläufe waren lange Zeit die Thesen von David Knowles in der
Forschung vorherrschend. Vgl. Knowles, Order, S. 31-82. Die nationale Ausrichtung ebenso wie
die Fokussierung auf das Wirken Dunstans sind allerdings zu Recht problematisiert worden.
Vgl. dazu die Studien in der folgenden Anm. Für eine klassische Perspektivierung der Vorgänge
vgl. auch Semmler, Erbe, S. 44-50, und v. a. die Beiträge in Parsons, Studies.
867 Vgl. Yorke, TEthelwold, Ramsay/Sparks/Tatton-Brown, Dunstan, sowie Brooks/Cubitt, Oswald.
Eine hervorragende Synthese der Bände bietet Cubitt, Reform. Forschungsgeschichtlich ist
zudem darauf hinzuweisen, dass die Bände in vielfacher Weise an die Studien in Parsons, Stu-
dies, anknüpfen konnten.
868 Die Erschließung der Reformen über ihre Buchkultur konnte ebenfalls an ältere Vorarbeiten
anknüpfen. Vgl. dazu etwa Alexander, Benedictional, oder Hohler, Books. Aus dem Dunstan-
Sammelband ist hierzu etwa auf Gameson, Art, zum Skriptorium von Christ Church in Canter-
bury mit vergleichenden Perspektiven auf andere Werkstätten sowie Rosenthal, Pontifical, und
Budny, Classbook, zu einzelnen Handschriften zu verweisen. Für den Oswald-Sammelband vgl.
Gameson, Book, sowie Correa, Manuscripts. Aus dem TEthelwold-Band vgl. Prescott, Text. Zu
den Viten und der Heiligenverehrung vgl. im Dunstan-Band Thacker, Cults, Lapidge, B., Rolla-
son, Concept, sowie Ramsay/Sparks, Cult, S. 311-313. Vgl. im Oswald-Band auch Lapidge, Byrht-
ferth, sowie Thacker, Saint-Making. Neben den Studien in den genannten Sammelbänden vgl.
zudem die weiteren Arbeiten von Lapidge zu diesem Themenfeld in Lapidge, Literature, Bd. 2.
Die materielle Kultur wird hier - wenngleich bedeutsam - aufgrund der Themenstellung der
vorliegenden Untersuchung ausgeklammert.
869 Vgl. hierzu etwa Yorke, Politics, Thacker, Abingdon, Barrow, Community, Wareham, Family,
sowie Brooks, Career.