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Mitteilungen aus den sächsischen Kunstsammlungen — 2.1911

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Treu, Georg: Antikes Weihenrelief eines Schauspielers in der Skulpturensammlung zu Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.63187#0018
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MITTEILUNGEN A. D. S. KUNSTSAMMLUNGEN 1911

ANTIKES WEIHERELIEF EINES SCHAUSPIELERS
IN DER SKULPTURENSAMMLUNG ZU DRESDEN
Das kostbare, kaum 25 cm hohe und 36 cm breite Marmorrelief auf
unserer Tafel stellt einen feierlich als Dionysos thronenden Schau-
spieler dar. Daß ein Schauspieler gemeint ist, zeigen außer den Bildnis-
zügen die hohen Kothurnsohlen der Schnürstiefel und das langärmelige,
gegürtete Bühnengewand unter dem Mantel. Dabei trägt er die Abzeichen
des Weingottes: den Efeukranz, sowie ein Blumengewinde und ein
Rehfell, die beide kreuzweis um die Brust geknüpft sind. Der Stab
in seiner Rechten ist offenbar der Thyrsos. Von rechts naht ihm im
Tanze ein Weib in wehenden durchsichtigen Gewändern; links steht
im umgeschlungenen Mäntelchen ein lebhaft bewegter Knabe. Pfeiler
und Vorhang dahinter, ganz rechts am Rande ein kleines Götterbild
auf einer Basis umrahmen die Handlung, die sich auf felsigem Boden
abspielt.
Wie ist der obere Teil des Reliefs zu ergänzen? Was war die
Bestimmung des kleinen Werkes? Welcher Zeit und welcher Kunst-
weise gehört es an?
Um zunächst die Frage der Ergänzung beantworten zu können,
ist es nötig, die Schicksale unseres Marmors in neuerer Zeit zu erzählen.
Das Relief stammt aus der Antikensammlung, die der Kardinal
Gaspare Carpegna seit 1670 in Rom zusammengebracht und im Vatikan
hatte aufstellen lassen. Von dort kam der Marmor mehr als ein Jahr-
hundert später, vermutlich nach dem Frieden von Tolentino (1797) mit
den Schätzen des Museo Pio-Clementino nach Paris und von hier in
das Schloß La Malmaison, das Napoleon von Percier und Fontaine
hatte umbauen lassen und der Kaiserin Josephine nach ihrer Scheidung
von ihm als Wohnsitz anwies. Aus Malmaison gelangte unser Relief
in die Sammlung Pourtalös und wurde aus dieser im Jahre 1901 für
das Albertinum erworben.
All diese Wechselfälle sind nicht spurlos an dem zierlichen Kunst-
werk vorübergegangen. Als es zum ersten Male im Jahre 1698 von
Pietro Sante Bartoli gestochen wurde, war es, wie Abb. 2 zeigt, in seiner
oberen Hälfte vollständiger. Auch noch ein Stich in E. Q. Viscontis Museo
Pio-Clementino vom Jahre 1784 gibt es in demselben Zustande wieder.
Für Malmaison aber wurde der ganze obere Teil von neuer Hand er-
gänzt. Diese störenden Ergänzungen sind jetzt wieder entfernt.
 
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