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Mitteilungen aus den sächsischen Kunstsammlungen — 2.1911

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Lichtwark, Alfred: Zu Karl Woermanns letzter Erwerbung
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https://doi.org/10.11588/diglit.63187#0111
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ZU KARL WOERMANNS LETZTER ERWERBUNG

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ZU KARL WOERMANNS LETZTER ERWERBUNG
Als letzte Erwerbung dankt die Dresdner Galerie Karl Woermann
. ihr stolzestes Bild von Kaspar David Friedrich, das Ostragehege.
Es ist einer der großen Lichtgedanken des Meisters. Als ich zum
ersten Male davor stand, kam mir ein Erlebnis in der Werkstatt eines
französischen Künstlers in die Erinnerung. Er hatte in meiner Gegen-
wart einen jungen Bildhauer empfangen, der ihm stolz und zuver-
sichtlich eine Arbeit, ein kleines Relief vorlegte. Der Meister besah
es, ließ es mich auch sehen und lobte, was zu loben war: die große
Korrektheit des Nackten und der Gewänder. Ich dachte bei mir, wie
wird er sich da herausziehen. Es ist doch schließlich eine furchtbar
langweilige Sache. Nach erschöpfendem Lobe gab er dem Jüngling
sein Werk zurück und sagte zusammenfassend: Man kann das nicht
sorgsamer und gediegener durchbilden. Ich finde an der Arbeit nichts
auszusetzen. Mais, mon ami, faites-moi rever.
Aus dem Munde eines Mannes von starker akademischer Zucht
hat mich dies Wort um so tiefer getroffen. Er hat nie ein Bild von
Friedrich gesehen. Aber ich bin überzeugt, daß er vorm „Ostragehege“
empfunden hätte, was er in der nichts als korrekten Leistung des
jungen Akademikers vermißte.
Wir dürfen in dieser Bereicherung der Dresdner Galerie nicht
nur einen glänzenden Abschluß, sondern darüber hinaus eine vielver-
sprechende Überleitung sehen, etwas wie einen Scheidegruß an die
neue Direktion mit der Aufforderung, den in der Galerie schon vor-
handenen Grundstock zu einer umfassenden Sammlung von Meister-
werken der Dresdner Schule des achtzehnten und neunzehnten Jahr-
hunderts auszubauen.
Diese Sammlung von Meisterwerken der Dresdner Schule wird
einmal weit über ihre Bedeutung für Sachsen und Dresden einen Quell
der Freude für unser ganzes Volk bilden.
Es ist uns klar geworden -— nicht zum wenigsten durch die
Arbeiten des Norwegers Andreas Aubert —, daß Dresden in den ersten
Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts einer der wichtigsten Keim-
punkte für die Entwicklung der deutschen Landschaftsmalerei war.
Kaspar David Friedrich und J. C. Dahl hatten einst nach- und neben-
einander die Führung. Aber neben ihnen gab es ansässige Künstler,

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