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Mitteilungen aus den sächsischen Kunstsammlungen — 2.1911

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Geisberg, Max: Der verlorene Sohn aus dem Verlage Jobst de Negkers im Kupferstichkabinett zu Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.63187#0042
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MITTEILUNGEN A. D. S. KUNSTSAMMLUNGEN 1911

sind, wird man unmöglich den Dresdner Holzschnitt erst nach 1543
datieren dürfen. De Negkers Druckeradresse dürfen wir streng ge-
nommen also nur auf den Druck der Bildstöcke beziehen, während
ihm Ramminger die Typen geliehen und auch wohl den Satz besorgt
haben wird; aber als Verleger und als Verkäufer des Holzschnitts hat
wieder de Negker zu gelten.
Sicher rührt auch die Bemalung aus seiner Werkstatt her. Es sind
im ganzen etwa acht Farben verwendet: mennigrot sind der Mantel des
stehenden Mannes, die unteren Ärmel des Mädchens, das Kleid der
Alten, die Dächer und das Kleid des verlorenen Sohnes in der Teil-
darstellung oben; lachsrot die Goldketten und der Brusteinsatz des
sitzenden Mädchens, die Zierate am Hute des verlorenen Sohnes, seine
Halsborte, die Flöten, die Haube des stehenden Mädchens, der Besatz
am Kleide der Alten, zwei Münzen, und der ganze Ornamentrahmen;
rosa die Strohkappe der Alten und die oberen beiden Gebäude in der
Teildarstellung; trüb violett die Ärmel des stehenden Mannes und die
des sitzenden Mädchen; hellgelb mit Lachsrot gehöht sind die Haare
der beiden Mädchen und des Flöte spielenden Burschen, sein Rock,
die Haube des stehenden Mannes und zwei weitere Münzen; hellbraun
ist der Rock des verlorenen Sohnes, der Mantel seines (sitzenden)
Kumpans und die Brode links auf der Tischplatte. Der stehende
Bursche, die Alte und der verlorene Sohn haben schwarze Haare. Der
Hintergrund ist leicht bräunlich und grau getönt; in derselben zarten
Weise ist die Fleischfarbe mit einem leichten Rot auf den Wangen
angedeutet.
Wenn nicht das Gedicht und die kleine Teildarstellung uns sofort
jeden Zweifel über die Deutung der Darstellung nähmen, würde man
angesichts des biederen, treuherzigen Ausdrucks fast aller Personen
kaum auf den Gedanken kommen, daß hier Leute desselben Schlages
dargestellt sein sollen, wie auf dem wundervollen Vermeer van Delft
der Dresdner Galerie. Das Schlemmen und Prassen des leichtfertigen
Jünglings, von dem das Gedicht viel deutlicher erzählt als das Bild,
ist durch ein kleines Weinglas, einen Apfel, eine halbe Birne und
etwas Brot angedeutet, und nur die auf ihr Gewerbe hinweisende
Kappe der Alten, vielleicht auch die übrigens keineswegs anstößige
Dekolletierung des sitzenden Mädchens und die Münzen auf der Tisch-
platte lassen den wahren Charakter dieser etwas steif und posiert da-
sitzenden Gesellschaft ahnen, die sich scheinbar so unschuldig mit
etwas Singen, Flötenspielen und einer recht frugalen Mahlzeit die
Langeweile vertreibt. Der Kopf des Mädchens und noch mehr jener
des verlorenen Sohnes selber mit seinem sinnenden, etwas leeren Aus-
druck wirken durchaus bildnisartig. Alles ist recht gut gezeichnet,
trotz des ungewöhnlich großen Maßstabes, aber dennoch haftet der
ganzen Darstellung etwas Oberflächliches an, das sich vor allem in
dem Mangel einer tieferen Charakteristik ausspricht.
 
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