Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mitteilungen aus den sächsischen Kunstsammlungen — 2.1911

DOI Artikel:
Geisberg, Max: Der verlorene Sohn aus dem Verlage Jobst de Negkers im Kupferstichkabinett zu Dresden
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.63187#0046
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
30

MITTEILUNGEN A. D. S. KUNSTSAMMLUNGEN 1911

seiner Blätter einen ähnlich großen Maßstab, der zum Vergleiche er-
forderlich ist, aufweist; wir finden Ersatz in einigen Gemälden. Schon
die bezeichnete Madonna von 1523 in Wien1) weist unverkennbar die
gleichen Züge auf, wie die beiden Mädchen auf dem Dresdner Holz-
schnitte, besonders das stehende. Man beachte die Linie der Augen-
brauen, die kräftige Nase, den etwas gezogenen Mund und die Bildung
des Ohres. Bei der sitzenden Schönen fällt vor allem die Überein-
stimmung in der Wiedergabe der strähnigen Haare auf. Ebenso schla-
gend ist ihre Ähnlichkeit mit der hl. Apollonia auf dem Anna-Selbdritt-
Bilde im Historischen Museum in Frankfurt a. M.2), das Röttinger in
dieselbe Zeit verlegt wie die 1519 datierte Handzeichnung in Berlin3).
Der gleiche von Dörnhoffer wie von Röttinger ausgiebig zur Bestimmung
herangezogene weibliche Typus kehrt fast auf allen Gemälden des
älteren Breu wieder, auf den Innsbrucker Bildern wie auf der Ver-
kündigung der Galerie Weber in Hamburg4). Daß die hier angeführ-
ten Beispiele zum größten Teile dem zweiten Jahrzehnt des Jahrhunderts
angehören, ist für die Datierung unseres Holzschnittes von keiner Be-
deutung, da von den einzigen bekannten späteren Gemälden Breus
das Meitingsche Epitaph mir nicht zu Gesicht gekommen ist und die
Schlacht von Zama natürlich keine Analogien bietet.
Ich möchte den Schnitt vermutungsweise 1530—1535 datieren.
Damals kamen jene riesigen Formschnitte in Mode, die in ihrem For-
mate hinter den Gemälden nicht zurückstanden und zum Tapezieren
von Wänden und Türen dienten. Die frühesten Bilder dieser Art sind,
wenn man von Dürers Triumphpforte von 1515 absieht, Burgkmairs
Ölberg B. 17 von 1524, ein Sündenfall B. 1 und Kalvarienberg B. 19
von 1526, die Kreuztragung P. 83 von 1527, Breus des Älteren Be-
lehnung König Ferdinands von 1530, Behams militärisches Schauspiel
aus demselben Jahre, Schäufeleins Lazarus B. 17 und sein Abendmahl
B. 26, Behams Verlorener Sohn und ein prächtiger unbeschriebener
Sündenfall in Gotha, die alle vermutlich der zweiten Hälfte der dreißiger
Jahre angehören, und dann eine große Reihe riesiger Holzschnitte Breus
des Jüngeren, die seine Susanna von 1540 eröffnet.
Eine viel geringere gegenseitige und 1552 datierte Kopie des
Dresdner Holzschnittes von der Hand des Rudolf Manuel Deutsch in
Basel, Gotha und London wird bereits von Dodgson erwähnt. Anscheinend
gibt sie ebenfalls den zweiten Zustand wieder. M. Geisberg

1) Abgebildet im Österreichischen Jahrbuch von 1897, XVIII Tafel XX.
2) Abb. Österr. Jahrbuch XXVIII Fig. 1.
3) Lippmann VI D.
4) Abb. Österr. Jahrbuch XVIII Tafel VIII, IX und Figur 6.
 
Annotationen