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Mitteilungen aus den sächsischen Kunstsammlungen — 2.1911

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Lichtwark, A.: Zu Karl Woermanns letzter Erwerbung
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https://doi.org/10.11588/diglit.63187#0115
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ZU KARL WOERMANNS LETZTER ERWERBUNG

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Unmittelbarkeit der Anschauung und dem flüssigen Vortrage am ehesten
verständlich im Zusammenhang mit der Dresdner Schule J. C. Dahls.
Es ist nichts Münchnerisches oder Düsseldorfisches daran.
Bei Stuhlmann ist dieser Zusammenhang mit Dresden freilich
sinnfälliger.
Anders liegt es bei Wasmann, den der andere norwegische Er-
forscher unsrer Kunstgeschichte, Bernt Grönvold, in Meran entdeckt
und für alle Zukunft gerettet hat.
Von Wasmann gibt es eine ganze Reihe Landschaften um das
Jahr 1831 in Tirol entstanden, die zu dem Bedeutendsten gehören,
was die deutsche, ja was die europäische Landschaftsmalerei des neun-
zehnten Jahrhunderts hervorgebracht hat. Forscher, die sich bemüht
haben, die deutsche Entwicklung mit französischem Maße zu messen,
pflegen die Typen dieser ganz bildmäßigen Ölstudien Wasmanns mit
den Namen Corot, Courbet, Manet, Monet, Renoir, Cezanne, van Gogh,
Gauguin zu begrüßen, und haben für eine Reihe anderer Typen bei
Wasmann überhaupt keine französischen Namen. Wären die Land-
schaftsstudien Dahls besser bekannt, würde man auch seinen Namen
nennen oder den von Kaspar David Friedrich, wenn die Erinnerung
an ihn bei Wasmanns Landschaften auch über Dahl geht. So viel ist
unleugbar: der eine Wasmann enthält die Typen der ganzen franzö-
sischen Entwicklung der Landschaftsmalerei im Keime vorgebildet.
Wer die Ausstellung dieser gegen dreißig Landschaften in der
Hamburger Kunsthalle durchwandert oder Bernt Grönvolds Sammlung
kennen lernt, wird von der deutschen Kunst, die dieser Landschafts-
darstellung Wasmanns vorangeht, zunächst die Studien Dahls heran-
ziehen, die so himmelweit abliegen von seinen Bildern. Darüber hinaus
wird er, wie bei allen Hamburgern des Kreises der Speckter, an die
Landschaft bei Runge denken, wenn die jungen Leute damals in
Hamburg auch nur die Fragmente des Morgens und die herrliche freie
Landschaft auf der Flucht nach Ägypten kannten, da das große Bildnis
der Eltern von 1806 damals noch nicht in Hamburg war.
Wieweit Wasmann durch Dahl bestimmt worden, ist noch nicht
spruchreif. In seinen Lebenserinnerungen spricht er von allen Künstlern,
die ihn in Dresden angeregt haben, aber Dahls und Friedrichs Namen
nennt er nicht.
An Dahls Studien erinnern unmittelbar nur einige Wolkenstudien,
aber auch nur von ferne. Wasmann geht weit über Dahl hinaus. Die
meisten seiner Landschaften würden, fände man sie irgendwo in Frank-
reich, zwischen 1880 und 1890 zu datieren sein. Wir empfinden in
ihnen die Freude einer starken, unabhängigen Begabung, die unver-
mutet vor eine neue große und reiche Natur gestellt worden, und die
sich nicht genug tun kann im Ausdruck ihres Entzückens.
Daß Wasmann nicht erst in München die Anschauung und den
Vortrag gewonnen hat, geht aus dem Hintergründe des Bildnisses seiner
 
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