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der Künstler nicht durch seine eifersüchtige alte Geliebte Anna Maria
Magnani von allen Heiratsplänen abgeschreckt worden wäre. Seine
Wohnung in der Casa Buti war öfter der Schauplatz kleiner Haus-
bälle, denen der natürliche Takt der Teilnehmer ohne steifen Zwang
und Kastengeist das eigenartige Gepräge gab. Die Fräulein von Hum-
boldt tanzten mit den Künstlerburschen, Kronprinz Ludwig mit den
Haustöchtern Buti wie mit seinesgleichen, und Henriette Herz, die
einem solchen Fest beiwohnte, schrieb darüber in ihren Lehenserinne-
rungen: ,,In Deutschland ist eine solche Gesellschaft fast eine Unmög-
lichkeit." Unabhängige und selbständig denkende Geister haben es
in Rom immer als eine Wohltat empfunden, daß dort im Gegensatz zu
der durch kleinliche Vorurteile eingeengten, schwerfälligen Gesellig-
keit Deutschlands ein Verkehr unter den Menschen der verschieden-
sten Lebensstellungen möglich ist, der nicht durch erstarrte Formeln,
sondern nur durch das natürliche Taktgefühl und freie Menschlich-
keit beherrscht wird. Das haben schon Winckelmann und Goethe er-
fahren, und viele Deutsche sind seitdem auch über den Umgang mit
Menschen belehrt aus Italien zurückgekommen.
Ein bezeichnendes Gegenstück zu den ungezwungenen Gesellschas-
ten im Kreis der Frau von Humboldt lieserte der preußische Major
von Serie, der mit seiner Gemahlin den Winter 1833/34 am Tiber ver-
lebt, sich mit Musik und Malen beschästigt und ein gastliches Haus ge-
halten hat. In seinem Salon trafen die Prinzessin Charlotte von Däne-
mark, General von Lepel, Graf Karl von Moltke, die Töchter des säch-
sischen Agenten Platner, der Tondichter Otto Nicolai, verschiedene
Künstler und — das berühmte Modell Fortunata Segatori zusammen.
Diese ländliche Schönheit aus Subiaco, den deutschen Kunstfreunden
aus Riedels ,,Neapolitanischer Fischerfamilie" und manchen anderen
Gemälden der Zeit bekannt, war damals noch unvermählt und ein sehr
achtbares Mädchen. Sie war bei Major Serre nicht etwa als Schaustück
geladen, sondern nahm am Tanz teil wie jeder andere Gast, Otto Nico
lai war glücklich, den Galopp mit ihr tanzen zu können; in ihrer Woh-
nung an der Piazza Barherini emphng sie selber Gäste, hauptsächlich
Künstler, darunter den alten Thorwaldsen und den jungen Nerly, der
die Gesellschaft mit Gesang und Mandolinenspiel unterhielt. Unter den
reichen Kunstfreunden, die öfter Rom besuchten, ist vor allen der Ham-
burger Jurist Dr. August Abendroth zu nennen, der seit 1831 mehrere
Winter mit Familie und Dienerschaft dort zubrachte, bei den besten
Künstlern große Arbeiten zur Ausschmückung seines Hauses am Jung-
fernstieg bestellte und sie mit Einladungen zu seiner nach heimischer
Sitte reichbesetzten Tafel erfreute. Der Hamburger Großkaufmanns
stand war wiederholt durch die Familien Johann Cäsar Godelsroy
und Adolf Godesfroy, Johann Wilhelm Rücker mit seinen Töchtern,
deren eine die Mutter des Fürsten von Bülow geworden ist, und den

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