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ausgetreten waren, seit die Festsreuden aufgehört hatten, aber nicht
einmal Raum genügend bot, um während des Besuchs Kaiser Wil-
helms II. im Oktober 1888 und des Kölner Männergesangvereins im
April 1889 eine würdige deutsche Feier abzuhalten. Bezeichnend für
die allgemeine Lage des Vereins war noch der Umstand, daß im Vor-
stand der Präsident einige Jahre lang der einzige Künstler war. Erst
im Oktober 1889 gelang es, im Palazzo Serlupi ein neues Heim zu
ßnden, welches den damaligen Ansprüchen völlig genügte und über ein
Vierteljahrhundert hindurch sein Wohnsitz geblieben ist, obgleich ein
gewisser Zug von Größenwahn in einem Teil der Künstlerschaft, die
sich dort nach und nach wieder zusammengefunden hatte, wiederholt
danach strebte, größere und prächtigere Räume anderwärts zu finden.
Es hat sich im Palazzo Serlupi zeitweise wieder ein frohes künst-
lerisches Leben entwickelt, und die Festlichkeiten, die Karnevalsbälle,
Weihnachtsfeiern, Dreikönigsfeste und andere konnten sich in bezug
auf künstlerischen Schmuck, originelle Anordnung und humorvollen
Verlauf durchaus denen der ruhmvollen Vergangenheit würdig an die
Seite stellen. Selbst in den Jahren, als nach Meurers Rücktritt vom
Präsidium die jüngeren Künstler sich grollend von dem Verein zurück-
zogen und mit ihm in den Osterien eine Malkontentengruppe bildeten,
gelang es der aufopfernden Tätigkeit rühriger Vorstandsmitglieder,
durch Heranziehung künstlerischer Kräfte die Säle des Palazzo Serlupi
bei festlichen Anlässen durch phantasievolle Ausschmückung umzu-
wandeln und zum anziehenden Schauplatz eigenartiger Lustbarkeiten
zu machen. In die Jahre des stärksten Rückgangs der Künstlerzahl fiel
die Feier des goldenen Romjubiläums Gerhardts im Dezember 1894
und das fünfzigste Stiftungsfest des Vereins, die beide durch ihre glück-
liche Anordnung und frohen Verlauf allen Teilnehmern, darunter
Bernhard von Bülow mit der gesamten deutschen Diplomatie Roms, in
froher und dankbarer Erinnerung geblieben sind. Otto Harnack hat
sich um das Stiftungsfest durch die Abfassung einer übersichtlichen
illustrierten Vereinsgeschichte verdient gemacht. In bezug auf musi-
kalische Genüsse, Vorträge aus mannigfachen Gebieten des Wissens
und der Kunst und sonstige geistige Anregungen ist das Vereinsleben
der letzten zwanzig Jahre vor dem Weltkrieg reicher gewesen als jemals
zuvor, so daß der in Rom studierenden Künstlerschaft eine gediegene
deutsche Unterhaltung auf dem Boden des Vereins geboten werden
konnte, wie sie kaum in anderen deutschen Auslandskolonien über-
troffen oder erreicht worden ist. Auch der frische Humor kam nicht
zu kurz; bleibende Denkmäler davon sind in dem köstlichen Lied vom
Forestiere erhalten, welches in Form einer witzigen Parodie von
Schillers Glocke zum Silvesterfest 1873 von dem Arzt Dr. Kunitz dem
Künstlerverein gewidmet worden ist, in dem 1874 unter Hübners Prä-
sidium angelegten Karikaturenalbum und in einer schier endlosen
 
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