Bäuerlicher Widerstand im Raum zwischen Maas
und Niederrhein im Zeitalter der Französischen Revolution
VON HELMUT GABEL
Ein Beitrag, der dem Phänomen des bäuerlichen Widerstands im niederrheinisch-maasländi-
schen Raum nachzugehen versucht, scheint - und diese Vermutung gilt nicht nur für die hier
behandelte Epoche - aus dem Rahmen gängiger historischer Einschätzungen zu fallen. Schon
die für das Bauernkriegsjahr 1525 in der ländlichen Gesellschaft am Niederrhein zu verzeich-
nende Ruhe bot der Forschung bis in die jüngste Zeit Anlaß, Zweifel gegenüber der
Möglichkeit agrarischen Protests in den Territorien nördlich der Eifel anzumelden1 - eine
Skepsis, die um so berechtigter anmutete, als die rheinische landesgeschichtliche Forschung
durch ihre einflußreichsten Vertreter durchaus überzeugende Gründe für die offenkundige
Konfliktarmut anzuführen wußte. Insbesondere Franz Steinbachs Hinweise auf die Mobilität
des bäuerlichen Grundbesitzes zwischen Maas und Niederrhein, die Dominanz rentabilitäts-
freundlicher Betriebsgrößen und das weitgehende Fehlen eines Unruhepotentials in Gestalt
einer landlosen unterbäuerlichen Schicht - Faktoren also, die als spannungsmindernd erachtet
und kontrastiv den Verhältnissen im deutschen Südwesten gegenübergestellt wurden -
erschienen wohlfundiert und plausibel genug, um die Ruhe im Krisenjahr 1525 zu erklären
und in die folgenden rund zweieinhalb Jahrhunderte rheinischer Agrargeschichte bis zur
Bauernbefreiung fortzuschreiben2.
Daß die aus dem Quietismus der Bauernkriegszeit abgeleitete Annahme einer fundamenta-
len, bis in die Endphase des Ancien Regime anhaltenden Stabilität der frühneuzeitlichen
rheinischen Agrarverhältnisse nicht vorschnell kanonisiert werden sollte, belegt die in jüngster
Zeit vorgenommene Revision des Bildes, das sich die landesgeschichtliche Forschung bislang
von den sogenannten »ruhigen« Regionen machte. Ist die Sonderstellung Altbayerns und der
1 Zum Ausbleiben bäuerlicher Unruhen 1525 am Niederrhein vgl. B. Huppertz, Räume und
Schichten bäuerlicher Kulturformen in Deutschland, Bonn 1939, S. 230-242; V. Henn, Zur Lage
der rheinischen Landwirtschaft im 16. bis 18.Jahrhundert, in: ZAgrargAgrarsoziol 21 (1973)
S. 173-188, hier S. 177f.; E. Ennen und W. Janssen, Deutsche Agrargeschichte, Wiesbaden 1979,
S. 200-205. Das Problem der Konfliktanfälligkeit berühren zudem folgende Spezialstudien: F. Ir-
sigler, Groß- und Kleinbesitz im westlichen Deutschland vom 13. bis 18.Jahrhundert, in:
T. Hoffmann (Red.), Grand domaine et petites exploitations en Europe du moyen äge et dans les
temps modernes, Budapest 1982, S. 33-59; J.C.G. M. Jansen, Heren en boeren in Limburg
1150-1800, in: Studies over de sociaal-economische geschiedenis van Limburg 27 (1982) S. 1-21;
E. Wisplinghoff, Untersuchungen zur Lage der Landwirtschaft im Neusser Raum während der
frühen Neuzeit, in: RheinVjbll47 (1983) S. 144-179, hier S. 178f.
2 Vgl. F. Steinbach, Die rheinischen Agrarverhältnisse, in: Collectanea Franz Steinbach, hg. von
F. Petri und G.Droege, Bonn 1967, S. 409-433 (Erstveröffentlichung 1925), hier S. 423 f., sowie
die in Anm. 1 genannten Untersuchungen.
und Niederrhein im Zeitalter der Französischen Revolution
VON HELMUT GABEL
Ein Beitrag, der dem Phänomen des bäuerlichen Widerstands im niederrheinisch-maasländi-
schen Raum nachzugehen versucht, scheint - und diese Vermutung gilt nicht nur für die hier
behandelte Epoche - aus dem Rahmen gängiger historischer Einschätzungen zu fallen. Schon
die für das Bauernkriegsjahr 1525 in der ländlichen Gesellschaft am Niederrhein zu verzeich-
nende Ruhe bot der Forschung bis in die jüngste Zeit Anlaß, Zweifel gegenüber der
Möglichkeit agrarischen Protests in den Territorien nördlich der Eifel anzumelden1 - eine
Skepsis, die um so berechtigter anmutete, als die rheinische landesgeschichtliche Forschung
durch ihre einflußreichsten Vertreter durchaus überzeugende Gründe für die offenkundige
Konfliktarmut anzuführen wußte. Insbesondere Franz Steinbachs Hinweise auf die Mobilität
des bäuerlichen Grundbesitzes zwischen Maas und Niederrhein, die Dominanz rentabilitäts-
freundlicher Betriebsgrößen und das weitgehende Fehlen eines Unruhepotentials in Gestalt
einer landlosen unterbäuerlichen Schicht - Faktoren also, die als spannungsmindernd erachtet
und kontrastiv den Verhältnissen im deutschen Südwesten gegenübergestellt wurden -
erschienen wohlfundiert und plausibel genug, um die Ruhe im Krisenjahr 1525 zu erklären
und in die folgenden rund zweieinhalb Jahrhunderte rheinischer Agrargeschichte bis zur
Bauernbefreiung fortzuschreiben2.
Daß die aus dem Quietismus der Bauernkriegszeit abgeleitete Annahme einer fundamenta-
len, bis in die Endphase des Ancien Regime anhaltenden Stabilität der frühneuzeitlichen
rheinischen Agrarverhältnisse nicht vorschnell kanonisiert werden sollte, belegt die in jüngster
Zeit vorgenommene Revision des Bildes, das sich die landesgeschichtliche Forschung bislang
von den sogenannten »ruhigen« Regionen machte. Ist die Sonderstellung Altbayerns und der
1 Zum Ausbleiben bäuerlicher Unruhen 1525 am Niederrhein vgl. B. Huppertz, Räume und
Schichten bäuerlicher Kulturformen in Deutschland, Bonn 1939, S. 230-242; V. Henn, Zur Lage
der rheinischen Landwirtschaft im 16. bis 18.Jahrhundert, in: ZAgrargAgrarsoziol 21 (1973)
S. 173-188, hier S. 177f.; E. Ennen und W. Janssen, Deutsche Agrargeschichte, Wiesbaden 1979,
S. 200-205. Das Problem der Konfliktanfälligkeit berühren zudem folgende Spezialstudien: F. Ir-
sigler, Groß- und Kleinbesitz im westlichen Deutschland vom 13. bis 18.Jahrhundert, in:
T. Hoffmann (Red.), Grand domaine et petites exploitations en Europe du moyen äge et dans les
temps modernes, Budapest 1982, S. 33-59; J.C.G. M. Jansen, Heren en boeren in Limburg
1150-1800, in: Studies over de sociaal-economische geschiedenis van Limburg 27 (1982) S. 1-21;
E. Wisplinghoff, Untersuchungen zur Lage der Landwirtschaft im Neusser Raum während der
frühen Neuzeit, in: RheinVjbll47 (1983) S. 144-179, hier S. 178f.
2 Vgl. F. Steinbach, Die rheinischen Agrarverhältnisse, in: Collectanea Franz Steinbach, hg. von
F. Petri und G.Droege, Bonn 1967, S. 409-433 (Erstveröffentlichung 1925), hier S. 423 f., sowie
die in Anm. 1 genannten Untersuchungen.