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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1867

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No. 90-103 (1. August - 31. August)
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. Irn ss6 mm .

Allgemein herrschte auf der rechten Flußseite die Idee, daß man
die verſchie d enen Candidaten zu einer Wahlverſammlung la-
den und Jeden sein Glaubensbekenntniß ablegen laſſen müſsſe.
Aber es fehlt den alten Wahlmännern jegliche Jnitiative, nicht
einmal zu einer solchen Versammlung und Einladung konnten sie
sich ermannen. So wurden sie denn, und zwar gestern, officiös
und in aller Stille nach Neuenheim in die „Krone“ entboten und
von Herrn Rathſchreiber Sachs aus Heidelberg eingeſchworen. Herr
Holtzmann, der geistliche Candidat der Bürgermeiſter, erſchien zu-
lettt auch, versprach den 62 versammelten Wählern , wie ein ächter
Regierungsmann, in fließender Rede Alles, was sie wollten, ge-
lobte, sich in zweifelhaften Fällen stets zur Information an sie zu
wenden, und als nun der dienſtbefliſſene Herr Sachs die Candi-
datur Holzmann zur Abstimmung brachte , siehe, da erhoben ſich
Alle 62 wie Ein Mann und legten feierliches Zeugniß von ihrer
„Unabhängigkeit“ ab. Draußen angekommen, rieben ſich viele
unter ihnen den Kopf, die Einen redeten wie im Traume von
Dr. Herth, die Zweiten sſtammelten etwas vom früheren Stadtdi-
rektor Renck,, den sie dem ſstädtiſchen Wahlcollegium von Heidel-
berg zu beneiden schienen; die Dritten meinten, es ſei doch arg,
daß man in Baden nur noch die Wahl habe zwiſchen Beamten
und Geistlichen und sprachen von diesem und jenem Candidaten.
Indessen der Coup war gemacht, und wenn die 62 Wort halten,
so wird der geiſtliche Herr Holtmann die Tabaksfrage und die
Militärreform aus der Fülle seiner Fachkenntnisse entſcheiden hel-
fen. – Wenn wir die Regierung wären ~ wovor uns Gott in
Gnaden bewahren möge, uns würde bei dieſer Wahlagitation nicht
ganz wohl sein. Schon wieder sind zwei Stellen durch Nieder-
legung des Mandats vakant, macht im Ganzen, so wir richtig
zählen, 24 auf 63. Die freiwillig Ausscheidenden kommen uns
vor wie Leute, die ihre Hände in Unschuld waschen wollen, und
die Regierung hat am Ende eine Majorität von ihren Beſoldeten
oder stark Beeinflußten, mit andern Worten, die Regierung gibt
die Gesetze ſelbſt!

Das iſt erſtens nicht ganz im Geiste unserer Verfaſſung , und
das geht zweitens nur eine Weile lang gut, so lange die allge-
meine Niedergeſchlagenheit und Gleichgültigkeit dauert; aber das
hält nicht ewig, und gewinnt den Anſchein einer ganz furc,tbaren
Verantwortlichkeit.“



Die National - Liberalen und ihr Verhältniß zu
Preußen.

Aus Baden. Man muß es den Nationalliberalen lassen,
in ihrer Beharrlichkeit und Ausdauer ſuchen sie ihres Gleichen.
Graf Bismarck und die preußiſche Regierung mögen noch ſo kalt
und abstoßend sein, immer und immer wieder werden ſie von den
Unermüdlichen aufgesucht und angebetet. Fürwahr die ſprödeſte
Schöne würde die ſie umſchwärmenden Anbeter eher ermüden, als
dies der im Glanze seiner Erfolge strahlende märkische Graf seine
hingebungsvollen Nationalliberalen vermöchte. Sie iſt rührend
dieſe Anhänglichkeit und Treue, ja sie iſt noch mehr als dies, ſie
iſt ſogar bewunderungswürdig. .

Noch weit mehr, als es ſelbſt in dem Wunſche des Herrn
Grafen liegen mag, werden seine Thaten und Handlungen hervor-
gehoben und in das unrechte Licht geſtelt. Er hat ſchon Vinke
genug gegeben, daß die Herren nicht allzu heißſpornig ſein sollen,
daß sie mit ihrem Herzen nicht auch zugleich den Kopf durchgehen
laſſen sollen. Namentlich scheinen ihre Excurſionen in das fremde
auswärtige Gebiet nicht allzugroße Billigung in Berlin zu finden,
wie dies in der Luremburger Angelegenheit sich gezeigt und auch
jett wieder in der Nordſchleswig’schen Frage der Fall iſt.

Es ist einmal eine Lieblingsidee der Nationalliberalen, ſelbſt
mitbeſtimmend einzugreifen und da, wo ſie die Bauſteine nicht
mehr ſselbſt beitragen können, wenigſtens noch etwas mörteln zu
dürfen. Es hat nun zwar Graf Bismarck bereits lange ihnen den
Mörtel und die Kelle aus der Hand genommen und derſelbe ſcheint
nicht der Mann zu sein , sie denen wiederzugeben, die auch seiner
Ansicht nach die rechten Bauleute nicht sind. Graf Bismarck kennt
seine Pappenheimer und weiß , daß ſeine Gedanken im Grund doch
nicht auch die ihrigen sind. Und darin mag er allerdings recht
haben. Es gibt unter den Nationalliberalen genug Leute , welche
der Ansicht ſind, daß nach der Einheit die Freiheit kommen müsse
und daß das innige Verhältniß blos dann ein dauerndes werden
könne, wenn dem Einheitsgebäude die Krone durch freiſinnige
Institutionen aufgeſezt werde. Aber Rom iſt ja auch nicht an
einem Tage gebaut worden , denken sie weiter; eines nach dem
Andern, gut Ding will Weile, man kann doch nicht Alles auf
einmal verlangen, kommt's heut nicht, kommt's morgen und wie
die Sprüchwörter des modernen politiſchen Katechismus in seiner
neueſten gothaiſchen Auflage noch alle lauten mögen.

Es würde dieſe Auffaſſung immerhin, das muß man zugeben,

vielleicht einen Schein von Wahrheit haben, wenn die Ansichten

der Gründer des Nordbundes mit denen ihrer Neophyten irgend
eine Art Uebereinstimmung oder auch nur Aehnlichkeit hätten.
Allein dies iſt in der That nicht der Fall und hierin liegt das





Mißliche ihres Anklammerns. Wo die Grundzüge ent. w
Natur ſind, wird nie ein harmonischer politiſcher Bau in Mirk-
lichkeit erſtehen und das was in Preußen in der nächſten Zeit.
geſchieht, wird das ureigene Werk Bismarcks sein und in seinem
Geiſte sich vollziehen. . w.

Da indeſſen nach allen Antecedentien nicht anzunehmen iſte,
daß sich Graf Bismarck nach den Nationalliberalen richten wird,
ſo iſt auch eins gegen hundert zu wetten , daß deren Intentionen
in freiheitlicher Beziehung auf dem Wege, welchen ſie eingeſchlagen
habeu, nie in Erfüllung gehen werden. (Stuttg. Beob.)

Süddeutschland.

Heidelberg, 16. Aug. Der Neſtor der hiesigen Universi-
tät, Geh. Rath Mittermaier, welcher kürzlich sein 80. Lebensjahr
zurücklegte, hat der Hochſchule, an welcher er ein Menſchenalter
hindurch mit so bedeutendem Erfolge wirkte, seine ganze juriſtiſche
Bibliothek vermacht, und damit einen abermaligen Beweis ſeines
warmen Intereſſes für die Fortdauer des Glanzes der hiesigen
Universität geliefert. Das erwähnte Geſchenk enthält nicht nur
alle bedeutenderen juristischen Werke, sondern auch viele wichtige
ſtatiſtiſche und ſstaatswissenſchaftliche Abhandlungen, welche nicht
durch den Buchhandel verbreitet sind; daſſelbe wird in der aka-
demiſchen Bibliothek als „Bibliotheca Mittermaieriana* zur all-
gemeinen Benutzung aufgeſtellt, und von der ſspäteſten Nachwelt
der Mats des edlern Schenkers mit dankbarer Verehrung genannt
werden. | A. A. Z.)

c Heidelberg, 18. Aug. Was Kukuk, sitzt vzts die Cholera
morbus den Flüchtlingen aus der Kammer ſchon auf den Fersen,
weil sie im geſtreckten Galoppe davonrennen oder iſt unser Muſter-
staat schon so weit herangereift, daß es eines Wenzler, eines Grimm,

eines Krausmann und anderer großer Männer nicht mehr bedarf,

um das fortſchrittliche Uhrwerk einer verſchwundenen Aera im
Gange zu erhalten? Wie ſchmerzlich mag es doch Manchen ge-
wesen sein, den grünen Bänken in Karlsruhe sammt den Vorzügen
des Strohwittwerſtandes Valet zu sagen! Auch hieran iſt wieder der
böse Bismarck ſchuld; denn er verlangt unerbittlich Farbe zu be-
kennen, sei es als Freund oder Feind. Redensarten gelten jetzt
nichts mehr, die Jubel- und Narrenperiode, die auf den Sturz
des Concordats folgte, iſt längſt vorüber und jettt ſeit dem könig-
grätzlichen Katzenjammer ſoll die Zeche bezahlt werden. Das können
nun Viele mit ihrer Ueberzeugung nicht vereinbaren, sie ziehen
sich alſo vom öffentlichen Leben zurück und wir achten ihre Gründe.
Um so trauriger iſt es mit den ächten Gothaern beſchaffen,
die sich um jeden Preis an Bismarcks Mantel hängen möchten,

ohne Rücksicht auf die Fußtritte die er ihnen gibt. Wie haben

sie sich in Stuttgart devot gebährdet, wie iſt ihnen der Hohn von
Berlin auf den Füßen gefolgt ! Nicht so viel geſchwätztt mehr, ruft
Bismarck den gothaiſchen Maulruhrpatienten in Süd und Nord
zu, gebt Geld her, heidenmäßig viel Geld und Menſchen in Maſſe,
~ denn ich bin der Mann von Blut und Eiſen und Jhr seid
Wind- und S . . . beutel! ;

= Seckenheim, im Auguſt. Auch hier fand neulich eine
allgemeine Aufbesſſerung der Lehrer statt, was man nach dem Vor-
gange anderer weniger bemittelten Gemeinden allerdings nur lo-
bend anerkennen müßte, wenn ein gleiches Maß hier zur Anwen-
dung gekommen wäre. Jeder der beiden proteſtantiſchen Haupt-
lehrer wurde Seitens der Gemeindebehörde um je 50 fl., der
prot. und kath. Unterlehrer um je 25 fl. aus der Gemeindetasse
aufgebeſſert. Und wo iſt denn der katholiſche Hauptlehrer Gold-
ſchmidt geblieben, fragt man allerseits nicht ohne Grund ? Be-
kommt der gar Nichts? Ja, der iſt leer, ganz leer ausgegangen.

| Das ist traurige, aber wahre Thatsache. Den Grund dieſes Ueber-

gehens ſucht die Gemeindebehörde dahin zu erklären, daß Haupt-
lehrer Goldſchmidt beſſer besoldet sei als die andern Lehrer. Nun
aber, worin besteht denn die Beſſerſtellung des Zurückgeſetzten ? Le-
diglich nur in dem Bezug des Meßner- und Organiſtengehaltes,
was den anderen ſelbſtverſtändlich abgehen muß, da ſie ſolche
Dienste nicht zu leiſten haben, alſo auch eine bedeutende Mühe
weniger haben. Das also geht einmal gar nichts den Lehrerge-
halt an. Und iſt auch Herr Goldschmidt beſſer geſtellt , ſo haben
immerhin die kathol. Bürger das Recht zu fragen, ob nicht auch
ſie gleiches Recht auf die Gemeindekaſſe haben ? Werden die prot.
Hauptlehrer aus der Gemeindekaſſe aufgebeſſert, ſo tritt auch das
gleiche Recht für den kath. Hauptlehrer ein, so gebührt auch ihm
dieselbe Begünstigung wie den Andern, und wenn er auch Geld
im Ueberfluſſe hätte. Man hat gesagt: auch Goldſchmidt hätte
ſich mit der Bitte um Aufbesserung an die Gemeindebehörde wen-
den sollen, wie es die Anderen gethan haben , allein das finde
ich nicht für nöthig ; denn eine Aufbesserung, die zugleich als Be-
günstigung der Lehrer resp. der Schule zu betrachten iſt, muß
aus freiem Antrieb, hervorgegangen aus dem Erkenntniß der
Nothwendigkeit, geſchehen. Das confesſionelle Moment kann hier
natürlich nicht unterlaufen, da Herr Goldſchmidt eine von beiden
Confesſionen allgemein geachtete Persönlichkeit ikſte. .
Z Ladenburg, 16. Aug. Der Bote brachte in seiner Nr.
96 eine Notiz von hier über die Wahlmännerwahlen; ich möchte


 
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