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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1867

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No. 90-103 (1. August - 31. August)
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autch Folgendes hinzufügen: Die Wahl siel im Sinne des liberal-
ſten Fortſchrittes aus. Uebrigens fiel es Niemand von den Unsri-
gen bei, ein anderes Resultat zu erwarten, da die Wahl eine
offene war, der Bürgermeister und drei Gemeinderäthe die Wahl-
commission bildeten und diese 4 zuſammen zu den von ihnen selbst
und einigen ihrer gesinnungstüchtigen Genosſen Vorgeschlagenen
zählten. Ueberdies hatte dieſes Fortſchrittscollegium ſeine Vorge-
ſchlagenen (d. h. sich selbſt) von Haus zu Haus auf gedruckten
Zetteln colportiren laſſen, wie wenn es sich um eine strenge amt-
liche Verordnung handelte. :

Bei dieser Sachlage iſt es nicht zu verwundern, daß '?/ſ4 der
Unſsrigen nicht wählten, theils aus Feigheit dem gestrengen
lauernden Rathscollegium gegenüber, theils aus Furcht, ein Ver-
dienſt zu verlieren oder sonst benachtheiligt zu werden. Troßdem
saßen gewisse Leute nicht ohne einige Furcht am Watltiſch, die
ſie zu erkennen gaben, wenn so ein unausſtehlicher „Schwarzer“
die Frechheit hatte, nicht nach dem Geſchmacke eines hohen Colle-
giums zu wählen, indem sie dann in banger Angst halblaut sich
zuflüſterten : „Da haben wir es schon wieder; habe ich es nicht
geſagt“ u. dgl. Wäre die Wahl eine geheime und die Wahlcom-
misſſion wenigstens eine aus den Parteien zuſammengesette ge-
wesen, so wäre das Reſultat ein ganz anderes geworden. Nun,
Siege auf solche Weiſe gönnt man Euch gerne, ihr Herrn von
der Sprit.

t eiteren Beurtheilung der Wahlmänner kann ich bei-
fügen, daß bei einer Besprechung derselben unter anderen famosen
Fortſchrittsgrößen auch der bekannte Bürklin von Lahr als Abge-

ordneter vorgeſchlagen wurde, sowie der vielbeamtete Schmeter

von hier! Es wundert mich aber, lieber Bote, daß gar Niemand
an deinen geheimen Liebling, den Romeo- und Juliekraut-Liefe-
ranten gedacht haben soll! Denn wenn der in den Landtag käme,
dann gäbe es eine hervorragende Intelligenz mehr zu bewundern,
mindestens könnte er in Karlsruhe Furore und gute Geſchäfte
machen mit seinen feinen – Havannahblättern!

O ich sage dir, lieber Bote, wir haben hier so etliche Muster
fortschrittlichen Schlages, die überall ihre von der alien Base ent-
lehnte Weltweisheit an den Mann bringen wollen, die stets die
Ersten sein und als weltberühmte Größen gelten möchten, aber
weder Zeug noch Geſchick dazu haben; wahre Prachtexemplare von
kleinſtädtiſchen Spießbürgern und aufgeblasen bis zur Lächerlichkeit !

= Hardheim, 19. Aug. Mittags. Soeben wurde vom Aemter-
wahlbezirk Walldürn-Wertheim Lindau mit 35 gegen Bürger-
meiſter Grim m von Freudenberg mit 24 Stimmen zum Abgeord-
neten gewählt.

D zii Taubergrund, 18. Aug. Unlängst kaufte ein
fremder Herr das Pferd einer Wittwe zu D., indem er ſich als
Eiſenbahninſpector zu Bronnbach zu erkennen gab. Die Hälfte der
Kaufsumme legte er baar auf, die andere Hälfte ſollte der 15-
jährige Sohn des Hauſes in der Wohnung des Käufers abholen,
wohin er ſich mit ihm auf deſſen Geſpann begab. Die Verkäuferin
ſtellle die Quittung über die ganze Kaufsumme aus und der Sohn
ſteckte sie in die Taſche, um sie nach Empfang des Geldes zu über-
geben. Das bereits bezahlte Geld lag auf dem Tiſche, ward aber
während der kurzen Abwesenheit der Wittwe vom Herrn Inſpector
aus Zerſtreuung wieder zurückgenommen. Auf der Heimfahrt wollte
er die Quittung nochmals inſpiciren, ob sie richtig ausgeſtellt sei.
Högernd und zweifelnd zog der Besitzer sſie aus der Taſche und
zeigte ſie hin, ein schneller Griff aber entführte ſie plötlich seiner
Hand und in die Taſche des Herrn Inſpectors, worauf dem be-
ſtürzten Knaben bedeutet wurde, den Wagen zu verlaſſen. Dieser
hatte jedoch mehr Muth, als jenem lieb sein mochte; er packte ihn
muthig am Halskragen und zerrte so lange mit ihm herum, bis
ein Mann des Weges kam und dem Knaben zu Hilfe eilte, worauf
er seine Quittung wieder zurückerhielt. Der Käufer verſprach nun,
er werde im badiſchen Hof zu B. das Geld auszahlen, dort aber
angekommen fuhr er raſch mit dem Knaben davon. Dieser, von
böſen Ahnungen befallen, rief um Hilfe und es schwang sich ein
Mann zu ihm auf seinen Sit, der ihn bis zur Wohnung des
Käufers begleitete, wo das Geld richtig ausbezahlt wurde. Der
Herr Ciſenbahninsſpector aber: –~ au wai, sollte mer nit die Miſſe-
maſchine kriege uf'n blouſe Laib so grouß wie a Linſe? Was am
aach kenne baſsire: ~ s' war jou a Mitbergerſch v H. Mer treigts
aach an der Fiß, manchmol hot's aach Spore , manchmol kaani.
Hab i nit gsagt: Gib Acht uf m Itig, aß er nit im'm Bath fallt ?
— Nun ich sagsem als, aber er horcht nit uf mer. –~ Der Herr
Eiſenbahninſpector wird wohl diesmal die Eiſenbahn und sonst noch
etwas zu inſpiciren bekommen.

>< Bruchsal, 18. Aug. Daß der national - liberale Batzen-
wein zur Zeit der Wahlmännerwahlen hier ſtark herhalten mußte,
um ein preußenfreundliches Wahlergebniß herbeizuführen, iſt be-
reits in einer früheren Nummer berührt worden. Nebst dem Batzen-
wein mannöver ſind aber auch noch andere sehr nette Wahlumtriebe
vorgekommen, die den national- liberalen Junkerseelen hier nacher-
zählt werden. Bekanntlich iſt das „bäuerliche Element“ der bei-
den Vor städte den liberalen Herrn ein Gräuel, sobald es sich auf

.. dem Rathhauſe im großen und kleinen Ausschuß oder gar im Ge-





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meinderath geltend machen will. Hier will man jede Gemeinschaft

mit ihm umgehen. Sobald aber dasselbe „bäuerliche Element“
im Dienste des gemeinen Liberalismus sich verwenden ließe, flugs
ſtreichelt man ihm ganz zärtlich und läßt sich huldvoll zu ihm herab,
sogar in Bierlocalen, wohin sonst nie eine schmucke Juntkerseele
gelangt. So sah man auch zur Zeit der Wahlmännerwahlen voll-
bärtige Herrn mit ziemlich vorgerückter Glatze mitten unter dem
„bäuerlichen Elemente“ Platz nehmen, denn es galt ja die Bauern
rumzubringen, damit sie ſelbſt ſolche Männer wählen ſollten, welche
seiner Zeit dafür Sorge trügen, dem „bäuerlichen Element“ mit
der preußischen Militär - und Steuerlaſt ſchwere Bedrängniß auf-
zulegen. Und auf welche Weiſe ſuchte man ihnen beizukommen ?
Man machte vor Allem Öesterreich gräulich ſchwarz , indem man
seine Getreideausfuhr nach Süddeutschland als den Ruin der Land-
wirthe bezeichnete, welche ihre Erzeugniſſe an Früchten um einen
niederen Preis abzugeben genöthigt wären. Ist das nicht aller-
liebſt? Die vollbärtigen preußenfreundlichen Junkerſeelen würden
es allem Anſcheine nach viel lieber sehen, wenn der Laib Brod
ohne ungariſches Getreide vierzig Kreuzer koſten würde. Ob dabei
auch etliche Dutzend verhungern müßten, was liegt den National-
liberalen daran, sie sind ja immerhin noch die Inhaber der unver-

fälſchten Menſchlichkeit oder Humanität und kein Menſch sieht es “1

ihnen an, daß sie in früherer Zeit mit katholiſchen Stiftungsmit-
teln aufgefüttert worden sind. Soweit Ehrlichkeit und gesunder
Verſtand noch einigermaßen vorwalten, iſt man in jedem Staate
froh, wenn der Getreidemarkt ordentlich mit Früchten befahren
wird, anders iſt's jedoch in den national-liberalen Schwindelköpfen.
Die blinde Sucht nach preußiſchen Glückseligkeitszuſtänden läßt sie
zu den abgesſchmackteſten Behauptungen gelangen, die an vollendete
Narrheit grenzen. Wie verlautet, hat die öſterreichiſche Getreide-
ausfuhr nicht recht wirken wollen, nur da und dort ſoll eine Korn-
wuchererſeele beigepflichtet haben im seligen Vorgefühl, daß wenn
das verhaßte Deſterreich seine Getreideausfuhr nach Süddeutſchland
einſtelen müßte, die preußiſchen Thaler ſesterweiſe sich einfinden
würden. In der genannten Weiſe wurde hier für die Wahlen
im preußiſchen Sinne agitirt und man muß den betreffenden Jun-
kerſeelen das Zugeständniß machen, daß sie gar feine Kerlchen sind
und mit dem ,, bäuerlichen Element“ es allerliebſt meinen. Wir
ſind nur begierig wie das „bäuerliche Element“ aller Orten spä-
terhin auf die National-Liberalen zu ſprechen sein wird, wenn die
preußiſche Pumpernickelzeit einmal wirklich da iſt. Der eine oder
andere preußenfreundliche Werber wird vielleicht eine Besoldungs-
zulage erhalten oder ein einträglicheres Aemtlein davon reißen –~
und das , bäuerliche Element“? – wird übermäßig ledern müssen.

Karlsruhe, 19. Aug. Als Abgeordnete wurden gewählt:
Stadt Freiburg: Prakt. Arzt Straub. Stadt Lahr: Wilhelm
Morstadt von Karlsruhe. Kork- Rheinbiſchoſssheim: Bürger-
meiſter Ha u ß von Freiſtett. Achern -Bühl: Bürgermeister Kon-
rad von Bühl. Stadt Rastatt: Bürgermeiſter Sallinger (hat
abgelehnt). Bretten: Eppingen: Bürgermeiſter Paravicini in
Bretten. Schwetingen- Philippsburg: Dr. Gerb er, Apotheker
in Hockenheim. Heidelberg Land: Profeſſor Holzmann in Hei-
delberg. Mosbach - Eberbach: Weinhändler Fr ey in Cberbach,
Weinheim:Ladenburg : Profeſſor Sch metz er in Ladenburg. Wert-
heim-Walldürn: Jakob Lindau in Heidelberg. In Stadt Bruch-
ſal wurde durch Ausbleiben der Minorität der Wahlmänner die
Wahl vereitelt. (Krlsr. Ztg.)

_ Mainz, 11. Aug. Gegenwärtig verweilt in hiesiger Gegend
bei Verwandten eine intereſſante Persönlichkeit. Es ist dies der
k. k. öſterreichiſche Hauptmann v. Vivenot, rühmlichſt bekannt durch
ſein vortreffliches Werk über den letzten deutſchen Reichsfeldmarſschall,
Herzog Albrecht von Sachſen-Teſchen, so wie durch seine kühne
Bewegung im Rücken des preußiſchen Heeres während des vor-
jährigen Feldzugs in Böhmen, wobei er als Landſturmcommandant
anfänglich mit einer Handvoll Leute und später mit einer bereits
auf tauſend Mann angeſchwollenen tapferen Schaar dem Feinde
großen Schaden versetzte und sogar bis Troppau vordrang und
die dortigen preußiſchen Gewalthaber gefangen nahm. Hätte der
Waffenſtilſſtand den Unternehmungen Vivenots nicht ein Ziel gesetzt
und wäre sogleich bei Beginn des Krieges eine Erhebung des Land-
ſturms ins Auge gefaßt worden, so konnten die Chancen des
Krieges eine ganz andere Wendung genommen haben. Jedenfalls
bildet diese vereinzelte Landſturmbewegung, die von preußiſcher
Seite dadurch deutlich gewürdigt wurde, daß auf den Kopf Vivenots
ein Preis gesetzt war , ein erfreuliches Bild in den trüben Tagen
des Juli 1866. Die That Vivenots wird nunmehr ſelbſt von
preußiſchen militäriſchen Federn anerkannt und iſt hierüber kürzlich
in den zu Berlin herauskommenden ,,militärischen Blättern“ ein
sehr günstiges Urtheil gefällt worden. Auch als Schriftſteller hat
Vivenot vor einigen Monaten eine verdiente Auszeichnung erhalten,
indem ihm von der philosophischen Facultät in Leipzig das Doctor-
diplom verliehen wurde. (Pf. Ztg.)

Augsburg, 18. Aug. Das französiſc<he Kaiſerpaar
fuhr nach dem Gottesdienst in der Hauskapelle um 10!/4 Uhr Vor-
mittags zum Annen-Gymnasium, desſſen Aufgang mit Blumen gern
ſchmückt war; von dort zum v. Fugger'ſchen Haus in der Kreuz-
 
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