gestellt werden. Die Besucher des Walles bei Otzenhausen im
Herbst 1883 konnten Trockeumauern unten im Dorfe bemerken,
welche eine Höhe von 4 —6 m bei einer entsprechenden Breite
> hatten. Ganz dieselben Trockeumauern aus unbehauenen Steinen
werden jetzt noch vielfach in respektablen Dimensionen am Hart-
gebirge hergestellt, ohne daß zu ihrer Konsolidierung eine Balken-
verankerung oder ein sonstiges Hilfsmittel notwendig wäre.
Und so war es damals, wie jetzt; man konstruierte Trocken-
mauern damals zur Verteidigung, jetzt zur Einfriedig-
ung und ließ die Mauer nach stati s ch en Prinzipien sich selbst
tragen und stutzen.
Eine zweite bisher unbeschriebene Befestigung liegt bet
Kirn a. d. Nahe. Am rechten Naheufer, gegenüber von Kirn
und der ragenden Kyrburg, erhebt sich der 306 in hohe Gauskopf
(d. h. Kopf des Gaues). Einen nach Südosten ziehenden, un-
mittelbar und senkrecht Zur Nahe abstürzenden Ausläufer desselben
bildet der mit Gebüsch und jungem Eichwald bewachsene Glas-
berg oder Glasb läserberg. Nur mit Mühe und unter
Lebensgefahr ist auf das kleine Plateau zu gelangen, welches
von einer Mauer umgeben ist, die besonders auf der Nord-
westfeite wohl erhalten dem Archäologen neue Gesichtspunkte
eröffnet. Auf der Nahefeite ist diese Befestigungsmaucr einge-
stürzt, nur das Fundament hängt noch auf schwindelnder Höhe.
Auf der Bergseite umzieht das ovale Plateau auf ca. 25 in
Länge ein wohl erhaltenes Mauerwerk aus Bruchsteinen (Me-
laphyr- und Quarzitblöcke) bestehend. Bei einer Dicke von 2 in
hat dasselbe noch eine Höhe von 2—3 in. Die Mauer ist aus
senkrecht auf einander geschichteten gleichen Lagen dieser Bruch-
steine gebildet, Zwischen deren Fugen ein aus Sand (ursprüng-
lich Rasen) bestehendes Bindemittel sich befindet. Auffallender
Weise ist diese Mauer mit mehreren aus der Mauerflucht um
Ls heraustretenden, schief zulaufenden, kräftig formierten
Pfeilern gestützt, welche dem ganzen Befestigungswerk festen
Halt geben. An einer Stelle ist die Mauer zusammengestürzt
und an dieser Einbruchsstelle lagen oberflächlich mehrere ver-
schlackte Steine, bei welchen die Oberfläche von eiuer glas-
artigen, grünlichen Sch lack entrüste überzogen war. Eine
genaue Untersuchung von der Seite des Berichterstatters ergab,
daß diese Schlacken mit der ursprünglichen Maueraulage
nichts zu thun hat, sondern daß dieser Braud Prozeß später
auf der Mauerkrone vorging und hiebei durch ein starkes Feuer
die Oberfläche der Quarzitbrocken zum Schmelzen gebracht wurde-
Auch zeugten mehrere Holzkohlenrestc von diesem Prozeß;
gebrannte Thonstücke scheinen mir von dem Mantel eines
Ofens herzurühren. Nehmen wir diesen Thatbestand und
den Namen des Ortes „Glasberg" oder „G lasbl äserb erg"
in Verbindung zusammen, so schließe ich daraus, daß vor mehreren
Jahrhunderten an dieser Stätte von herumziehenden Technikern
Glas geblasen und hergestellt wurde, wozu der zugige Ort und
das an Kali reiche Quarzitgestein Veranlassung und Gelegen-
heit boten.
Die Um Wallung jedoch ist weit älter und scheint, nach
der Pfeilerbilduug zu schließen, von einer Bevölkerung her-
zurühren, welche mit den römischen Befestigungselementen
bereits Bekanntschaft gemacht hatte. Während der höhergelegene
Gaukopf das eigentliche Refugium der bei Kirn ansässigen
Bevölkerung bildete, dieute die Befestigung auf dem Glasberg
als Beobachtungsposten, als spsonlu. Der Blick reicht von
hier bis Zu dem auf der Höhe des Hochwaldes gelegenen Walle
bei Kirchberg und Zum Walderbeskopf. Von beiden
Punkten ans konnte mau sich mit diesem leicht durch Feuer-
zeichen verständigen. Noch in der Zeit der Einfälle der
Normannen und Ungarn benützten ohne Zweifel die Be-
wohner der offenen Ortschaften im Mittelrheinlande solche ver-
borgene Nückzngsplätze. Was für die Zeit der Völkerwander-
ung mit Bezug auf diese Refugien in den Bergen gilt, hat
für die Nheinlande noch Bedeurung bis Ende des 10. Jahr-
hunderts und bis auf die Umwallung der Orte selbst durch
mörtelverbundene Mauern. An die Stelle der Berge
traten dann die Burgen; beide Wörter gehen auf das Wurzel-
wort „bergen" zurück
Auch die Gegenstände, welche nach einer Mitteilung von
Förster Nohl zu Kirn sowohl im Glasbergwall als auch
in seiner unmittelbaren Nähe sich vorfanden, dürften die dop-
pelte Benützung des Glasberges als Zufluchtsort und als
temporärer Glas Verhüttungsplatz durch ihre chrono-
logische Stellung beweisen. 1) Ein 42 ein langer, starker Eisen-
haken, verwendbar als Werkzeug und Waffe; 2) eine patinierte
Gürtelschnalle aus Messing von frühmittelalterlicher Form;
3) eine 20 ein lange Messerklinge, die-Form und die ein-
geschlagene Marke deuten auf die Zeit des späteren Mittelalters;
4) der Unterteil einer eisernen Sichel mit schmalem Eisen; 5)
ein Gesimsfragment aus einem trachytähnlichen Gestein;
dasselbe fand der Berichterstatter in der Maner selbst, und dürfte
es beweisen, daß die Mauer seiner Zeit von einem umlaufenden
Steingesims gekrönt war.
Als allgemein giltige Schlüffe entnehmen wir unserem
Befunde die, daß die Niugwülle am Mittelrhein aus sehr
verschiedenen Bau- und Benützungszeiten herrühren, daß
ferner eine feststehende Schablone ans ihre ursprüngliche Kon-
struktion nicht angewandt werden darf, sondern daß sich diese
richtet nach dem Material, nach Ort und Zeit. Bei der
Annahme von Schlackenwällen bedarf es in Westdeutsch-
land großer Vorsicht?) Wie der Glasberg von Kirn
deutlich beweist, rühren manche Schlackenprodukte, welche
auf und in vorgeschichtlichen Befestigungen lagern, von tech-
nischen Prozessen späterer Zeit her. Aehnlich mag es sich
bei dem Sch lacken wall von Monreal verhalten, wie IN.
Köhl und ich vermuten. Auch hier gilt das Prinzip: „Man
untersuche und prüfe jedes Objekt für sich, nach dem Thatbe-
stande, nicht aus Grund vorgefaßter Meinungen!''
N. C. Mehlis.
Aie Stadt Worms
in der zweiten Kalbte des 17. Jahrhunderts und ihre Zer-
störung durch die Aranzosen inr Jahre 1689.
Vortrag des Hru. Öl'. Mümling, gehalten im Altertumsverein zu Worms.
Verehrte Anwesende! Seit der Gründung unseres Paulus-
Museums habe ich als Conservator desselben fortwährend Ver-
anlassung gehabt, mit Bedauern der schändlichen Zerstörung zu
gedenken, die vor nahezu 200 Jahren im Jahre 1689 über die
alte Frei- und Reichsstadt Worms und ihre Umgebung ergangen
ist. Denn durch diese Zerstörung ist nicht nur das Aenßere
unserer Stadt, wie es vom Mittelalter her überliefert war
*) Anmerk. lieber die Schlackenwälle Schottlands und Frankreichs
vergl. Nadaillac: „Die ersten Menschen" (deutsche Ausgabe) S. 127—132;
Auderson leugnet ihre Existenz für Schottland, wie mir Schierenberg schrieb.
Herbst 1883 konnten Trockeumauern unten im Dorfe bemerken,
welche eine Höhe von 4 —6 m bei einer entsprechenden Breite
> hatten. Ganz dieselben Trockeumauern aus unbehauenen Steinen
werden jetzt noch vielfach in respektablen Dimensionen am Hart-
gebirge hergestellt, ohne daß zu ihrer Konsolidierung eine Balken-
verankerung oder ein sonstiges Hilfsmittel notwendig wäre.
Und so war es damals, wie jetzt; man konstruierte Trocken-
mauern damals zur Verteidigung, jetzt zur Einfriedig-
ung und ließ die Mauer nach stati s ch en Prinzipien sich selbst
tragen und stutzen.
Eine zweite bisher unbeschriebene Befestigung liegt bet
Kirn a. d. Nahe. Am rechten Naheufer, gegenüber von Kirn
und der ragenden Kyrburg, erhebt sich der 306 in hohe Gauskopf
(d. h. Kopf des Gaues). Einen nach Südosten ziehenden, un-
mittelbar und senkrecht Zur Nahe abstürzenden Ausläufer desselben
bildet der mit Gebüsch und jungem Eichwald bewachsene Glas-
berg oder Glasb läserberg. Nur mit Mühe und unter
Lebensgefahr ist auf das kleine Plateau zu gelangen, welches
von einer Mauer umgeben ist, die besonders auf der Nord-
westfeite wohl erhalten dem Archäologen neue Gesichtspunkte
eröffnet. Auf der Nahefeite ist diese Befestigungsmaucr einge-
stürzt, nur das Fundament hängt noch auf schwindelnder Höhe.
Auf der Bergseite umzieht das ovale Plateau auf ca. 25 in
Länge ein wohl erhaltenes Mauerwerk aus Bruchsteinen (Me-
laphyr- und Quarzitblöcke) bestehend. Bei einer Dicke von 2 in
hat dasselbe noch eine Höhe von 2—3 in. Die Mauer ist aus
senkrecht auf einander geschichteten gleichen Lagen dieser Bruch-
steine gebildet, Zwischen deren Fugen ein aus Sand (ursprüng-
lich Rasen) bestehendes Bindemittel sich befindet. Auffallender
Weise ist diese Mauer mit mehreren aus der Mauerflucht um
Ls heraustretenden, schief zulaufenden, kräftig formierten
Pfeilern gestützt, welche dem ganzen Befestigungswerk festen
Halt geben. An einer Stelle ist die Mauer zusammengestürzt
und an dieser Einbruchsstelle lagen oberflächlich mehrere ver-
schlackte Steine, bei welchen die Oberfläche von eiuer glas-
artigen, grünlichen Sch lack entrüste überzogen war. Eine
genaue Untersuchung von der Seite des Berichterstatters ergab,
daß diese Schlacken mit der ursprünglichen Maueraulage
nichts zu thun hat, sondern daß dieser Braud Prozeß später
auf der Mauerkrone vorging und hiebei durch ein starkes Feuer
die Oberfläche der Quarzitbrocken zum Schmelzen gebracht wurde-
Auch zeugten mehrere Holzkohlenrestc von diesem Prozeß;
gebrannte Thonstücke scheinen mir von dem Mantel eines
Ofens herzurühren. Nehmen wir diesen Thatbestand und
den Namen des Ortes „Glasberg" oder „G lasbl äserb erg"
in Verbindung zusammen, so schließe ich daraus, daß vor mehreren
Jahrhunderten an dieser Stätte von herumziehenden Technikern
Glas geblasen und hergestellt wurde, wozu der zugige Ort und
das an Kali reiche Quarzitgestein Veranlassung und Gelegen-
heit boten.
Die Um Wallung jedoch ist weit älter und scheint, nach
der Pfeilerbilduug zu schließen, von einer Bevölkerung her-
zurühren, welche mit den römischen Befestigungselementen
bereits Bekanntschaft gemacht hatte. Während der höhergelegene
Gaukopf das eigentliche Refugium der bei Kirn ansässigen
Bevölkerung bildete, dieute die Befestigung auf dem Glasberg
als Beobachtungsposten, als spsonlu. Der Blick reicht von
hier bis Zu dem auf der Höhe des Hochwaldes gelegenen Walle
bei Kirchberg und Zum Walderbeskopf. Von beiden
Punkten ans konnte mau sich mit diesem leicht durch Feuer-
zeichen verständigen. Noch in der Zeit der Einfälle der
Normannen und Ungarn benützten ohne Zweifel die Be-
wohner der offenen Ortschaften im Mittelrheinlande solche ver-
borgene Nückzngsplätze. Was für die Zeit der Völkerwander-
ung mit Bezug auf diese Refugien in den Bergen gilt, hat
für die Nheinlande noch Bedeurung bis Ende des 10. Jahr-
hunderts und bis auf die Umwallung der Orte selbst durch
mörtelverbundene Mauern. An die Stelle der Berge
traten dann die Burgen; beide Wörter gehen auf das Wurzel-
wort „bergen" zurück
Auch die Gegenstände, welche nach einer Mitteilung von
Förster Nohl zu Kirn sowohl im Glasbergwall als auch
in seiner unmittelbaren Nähe sich vorfanden, dürften die dop-
pelte Benützung des Glasberges als Zufluchtsort und als
temporärer Glas Verhüttungsplatz durch ihre chrono-
logische Stellung beweisen. 1) Ein 42 ein langer, starker Eisen-
haken, verwendbar als Werkzeug und Waffe; 2) eine patinierte
Gürtelschnalle aus Messing von frühmittelalterlicher Form;
3) eine 20 ein lange Messerklinge, die-Form und die ein-
geschlagene Marke deuten auf die Zeit des späteren Mittelalters;
4) der Unterteil einer eisernen Sichel mit schmalem Eisen; 5)
ein Gesimsfragment aus einem trachytähnlichen Gestein;
dasselbe fand der Berichterstatter in der Maner selbst, und dürfte
es beweisen, daß die Mauer seiner Zeit von einem umlaufenden
Steingesims gekrönt war.
Als allgemein giltige Schlüffe entnehmen wir unserem
Befunde die, daß die Niugwülle am Mittelrhein aus sehr
verschiedenen Bau- und Benützungszeiten herrühren, daß
ferner eine feststehende Schablone ans ihre ursprüngliche Kon-
struktion nicht angewandt werden darf, sondern daß sich diese
richtet nach dem Material, nach Ort und Zeit. Bei der
Annahme von Schlackenwällen bedarf es in Westdeutsch-
land großer Vorsicht?) Wie der Glasberg von Kirn
deutlich beweist, rühren manche Schlackenprodukte, welche
auf und in vorgeschichtlichen Befestigungen lagern, von tech-
nischen Prozessen späterer Zeit her. Aehnlich mag es sich
bei dem Sch lacken wall von Monreal verhalten, wie IN.
Köhl und ich vermuten. Auch hier gilt das Prinzip: „Man
untersuche und prüfe jedes Objekt für sich, nach dem Thatbe-
stande, nicht aus Grund vorgefaßter Meinungen!''
N. C. Mehlis.
Aie Stadt Worms
in der zweiten Kalbte des 17. Jahrhunderts und ihre Zer-
störung durch die Aranzosen inr Jahre 1689.
Vortrag des Hru. Öl'. Mümling, gehalten im Altertumsverein zu Worms.
Verehrte Anwesende! Seit der Gründung unseres Paulus-
Museums habe ich als Conservator desselben fortwährend Ver-
anlassung gehabt, mit Bedauern der schändlichen Zerstörung zu
gedenken, die vor nahezu 200 Jahren im Jahre 1689 über die
alte Frei- und Reichsstadt Worms und ihre Umgebung ergangen
ist. Denn durch diese Zerstörung ist nicht nur das Aenßere
unserer Stadt, wie es vom Mittelalter her überliefert war
*) Anmerk. lieber die Schlackenwälle Schottlands und Frankreichs
vergl. Nadaillac: „Die ersten Menschen" (deutsche Ausgabe) S. 127—132;
Auderson leugnet ihre Existenz für Schottland, wie mir Schierenberg schrieb.