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Monatsblätter für christliche Kunst, praktische Kunstfragen und kirchliches Kunsthandwerk
III. Jahrgang, 10. Heft, Juli 1911
Verlag der Gesellschaft für christliche Kunst, München. — Preis des Jahrgangs inkl. Frankozustellung M3.—

DIE WEIHNACHTSKRIPPE
Von Andreas Hupp er tz
Vil heftiger in die Herzen und Gemüeter
der ainfeltigen Laien sich ainbildet das,
so man augenscheindlich fiirpildet, denn das
man allain höret.“1)
Was mit diesen Worten Benedikt Edelpöck
in der Widmung seiner Weihnachtskomödie
vom Schauspiel sagt, das galt der Kirche in
früheren Zeiten und gilt ihr noch als ein
wichtiger Grundsatz für die religiöse Belehrung
Und Erziehung. Wenn der hl. Paulus (Röm.
10,17) sagt: Fides ex auditu, so ist in diesem
Ausspruch nicht enthalten, dass es weiter
nichts als der Verkündigung des Wortes Gottes
bedürfe. Die Lehre und Praxis der Kirche
in der Zeit der Kirchenväter und im Mittel-
alter zeigt deutlich, wie irrig eine solche Auf-
fassung wäre. Grundsätzlich erkannte sie
der Kunst den Zweck zu, die Gläubigen zu
belehren und zu erbauen. Bei den Schrift-
stellern jener Zeiten kehrt bezüglich dieser
Frage immer der Gedanke wieder: Was für
den Gebildeten die Schrift, das bedeutet für
den des Lesens Unkundigen die bildliche
Darstellung; mehr als das gesprochene (und
geschriebene) Wort prägt sich das in die

Sinne fallende Bild ein1). Daher die sinnreiche,
jetzt aber leider nicht mehr allgemein ver-
standene Symbolik unseres Kultus, die Dar-
stellungen aus der Heils- und Heiligengeschichte
und diejenigen symbolischen Charakters mit
ihren dogmatisierenden und moralisierenden
Gedanken, in primitiver Form schon in den
frühesten Versammlungsstättcn der Christen,
dann in immer fortschreitender Entwicklung
und Vervollkommnung die Gotteshäuser
schmückend. Daher auch die Armenbibeln
und Bilderkatechismen des Mittelalters für die
im Lesen und Schreiben Unbewanderten zur
Erläuterung und tieferen Einprägung des ge-
sprochenen Wortes. Aus dem gleichen Ge-
danken gingen die in der Folge freilich zum
Teil ausgearteten geistlichen Schauspiele früherer
Zeiten hervor, von welchen sich bis in unsere
Tage nur wenig erhalten hat. Langsam hat
die Pädagogik unserer Zeit wieder die grosse
Bedeutung des Anschauungsunterrichtes er-
kannt, und infolge dieser Erkenntnis und
unterstützt von der vervollkommneten Repro-
duktionstechnik findet die bildliche und figür-
liche Darstellung wieder reichliche Verwertung.
Eines so hervorragenden Mittels, wie es
die bildliche Darstellung ist, kann die christ-
lich-religiöse Erziehung auch heute, trotz der

Vgl. K. Weinhold, Weihnachtspiele und Lieder
aus Süddeutschland und Schlesien. Neue Ausgabe.
1875. S. 193-

’) Vgl. Jos. Sauer, Symbolik des Kirchengebäudes
und seiner Ausstattung in der Auffassung des Mittelalters.
Freiburg i. Br. 1902. S. 278 ff.
 
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