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Poulsen, Frederik
Der Orient und die frühgriechische Kunst: mit 197 Abbildungen — Leipzig, Berlin: Druck und Verlag von B.G. Teubner, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.52590#0015
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ERSTES KAPITEL

DIE PHÖNIKER ALS KUNSTVOLK
In einem der homerischen Hymnen wird die Heimat des Gottes Dionysos so beschrieben’):
έετι δέ Tic Νίκη, ύπατον öpoc, άνθέον ύλη,
τηλοΟ Φοινίκης εχεδόν Αίγυπτοιο ροάων
Diese Verse drücken die geographischen Kenntnisse der homerischen Zeit in klarster
Weise aus, und Eratosthenes hat ganz Recht gehabt, wenn er gegen die Philosophen, die
auch auf diesem Gebiet Homer zum Vater der höchsten Weisheit machten, mit Entschieden-
heit behauptete: και "Ομηρον και τούε άλλουε τούε παλαιούε τά μέν Ελληνικά είδέναι, τών δέ
πόρρω πολλήν έ'χειν απειρίαν, άπείρουε μέν μακρών οδών δνταε, άπείροοε δέ τού ναυτίλλεεθαι.1 2)
Wie das Land der Ägypter und Äthioper den Süden, so vertrat in der homerischen
Zeit das phönikische Land den Osten der Welt. Nie werden in der homerischen Dichtung
die Hittiter, die Juden und die Völker Mesopotamiens genannt. Erst in der hesiodeischen
Dichtung taucht der fernere Orient auf; es hat ein hesiodeisches Epos gegeben, in dem der
Untergang von Ninive erzählt war. Aber sonst waren noch bei Hesiod die Phöniker die
eigentlichen Orientalen, und erst Panyassis überträgt auf die Assyrer eine Stammesge-
schichte, welche Hesiod auf die Phöniker bezogen hatte.3) Der frühe Verkehr zwischen den
Assyrern und den Griechen über Sinope ist ja vorläufig nur eine Hypothese.4) Daß die Grie-
chen die Gegend um Sinope Assyria genannt haben, beweist nichts, denn noch bei Herodot
werden die Syrer und Assyrer nicht klar auseinander gehalten.
Ähnliche Unkenntnisse verraten die orientalischen Völker selbst. Die alten jüdischen
Schriften, in denen die „Javan“ genannt werden, gehen nicht über das Ende des 7. Jahrh.
hinaus, und die Assyrer bezeichnen mit demselben Namen wohl nur die griechische Bevöl-
kerung Kyperns.5) Nachdem schon Assurnasirpal (885-860) bis zum „großen Meer“ vor-
wärts gedrungen war, hatte Sargon 709 Kypros erobert, wie die bei Larnaka gefundene Stele
beweist, und die Oberherrschaft Assyriens dauerte noch 673 auf dieser halb phönikischen,
halb griechischen Insel fort.6) Daß diese Eroberung die Griechenwelt der damaligen Zeit
1) Gemoll: Homerische Hymnen nr. XXXIII v. 8.
2) H. Berger: Die geographischen Fragmente des Eratosthenes S. 29 ft, idem: Geschichte der wissen-
schaftlichen Erdkunde der Griechen S. 387 f.
3) E. Meyer: Geschichte des Altertums2 1 2 S. 321 ff. Hesiodi carmina ed. Rzach fr. 32.
4) E. Meyer: Geschichte des Altertums II 455.
5) Beloch: Griech. Geschichte 15. Dussaud: Civilisations prehelleniques S. 156.
6) v. Reber: Die Stellung der Hethiter in der Kunstgeschichte. Sitzungsber. der Münch. Akad. 1910.
13 Abh. S. 22. Hall, Proceedings of the Society of Biblical Archaeology XXXI 1909 S. 283. Über die Fund-
stelle der Sargonstele von Larnaka, Ross: Reisen auf den griech. Inseln. IV 87 Anm. Mailet: Les premiers
etablissements des Grecs en Egypte, S. 28 Anm. 1. Über die behauptete frühere Eroberung von Kypern
durch Sargon von Agade vgl. King: A History of Sumer and Akkad. S. 234.
Poulsen: Der Orient u. d. frühgriech. Kunst 1
 
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