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Poulsen, Frederik
Der Orient und die frühgriechische Kunst: mit 197 Abbildungen — Leipzig, Berlin: Druck und Verlag von B.G. Teubner, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.52590#0073
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Elfenbeinfigur eines Löwenreiters aus Praeneste; Medaillon aus Malaga

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geriefelten hohen „Polos“ bei hittitischen Frauenfiguren1) und bei dem männlichen Gott auf
der sicher phönikischen Goldplatte von Ägina.2) Aber bei näherer Betrachtung wird man
doch davon überzeugt, daß Haare gemeint sind, und daß dieselben eben einer mißverstande-
nen Nachahmung des syrischen Stabhutes ihre Entstehung verdanken. Dazu kommt, daß
die Stilisierung der Löwenmähne mit derjenigen einiger Löwenprotomen auf sicher kypri-
schen Armbändern aus einem italischen Grabe genau übereinstimmt, und daß das Motiv
selbst in italischen, kyprisch-beeinflußten Elfenbeinarbeiten weiter fortlebt.3) Auch die
Fundumstände weisen auf Kypern hin: der Löwenreiter wurde mit den elfenbeinernen Armen
zusammen gefunden, die wir im X. Kapitel abbilden und als kyprische Importsachen er-
weisen werden. Wir ziehen es trotzdem vor, die Gruppe hier schon abzubilden, weil sie
uns eine ziemlich treue Kopie eines hittitischen Vorbildes zu sein scheint.
Die hittitischen Kleinwerke aus Elfenbein, die wir hier vereinigt haben4), werden bei
ihrer feinen Ausführung neben den Werken der syrischen Großplastik eine würdige Stellung
behaupten können. Sie unterscheiden sich von den phönikischen „ivories“ durch ihren
reineren Stil; weder das Ägyptische noch das Assyrische hat sie stark beeinflußt. Bei der
Bestimmung dieser Kleinfiguren als hittitisch habe ich es nicht gewagt, mich auf mein
eigenes Urteil allein zu verlassen, sondern habe Herrn Garstang das Problem vorgelegt. Aber
auch er hat sich dieser meiner Auffassung entschieden angeschlossen.
FÜNFTES KAPITEL
ANDERE WERKE DER PHÖNIKISCHEN KLEINKUNST
DIE TRIDACNAMUSCHELN
Mit den Bildern der phönikischen Metallschalen eng verwandt ist das kleine goldene
Medaillon, das in Spanien gefunden und von P. Paris als phönikisch erkannt und veröffent-
licht worden ist.5) Das Medaillon besteht aus zwei dünnen zusammengelöteten Blechen und
bildete ursprünglich ein Anhängsel einer Halskette. Klein wie es ist (1,8 cm Durchmesser)
zeigt es auf der einen Seite die geläufige Darstellung: Pharao tötet die Feinde (vgl. oben
S. 28). Der Pharao trägt die syrische Spirallocke und ist von einem Tier - Hund oder Löwe
(vgl. oben S. 33 und Abb. 14 und 20) - begleitet. Die Leichen, welche der Genius auflesen
sollte, liegen am Boden, und rechts wird ein Gefangener mit auf dem Rücken gebundenen
Armen6) festgehalten, aber sowohl vom Genius wie von der Gottheit, welche dem König die
Siegespalme zu reichen pflegt, sind nur die ausgestreckten Arme da. In ähnlicher Abkürzung
findet sich dieselbe Szene auf zwei phönikischen, in Syrien selbst gefundenen Gemmen
der Sammlung Luynes in der Nationalbibliothek in Paris (nr. 246—247). Die Darstellung auf
der anderen Seite des Medaillons möchte Paris mit der mykenischen Kunst verknüpfen. Dabei
bemerkt er nicht, daß die Tiere, welche die Blütenstaude flankieren, keine Steinböcke, sondern
1) Garstang S. 222 und Tat LXV und LXVII. Der alte Orient X 1908: v. Oppenheim: Der Teil Halaf
S. 17 Fig. 7.
2) Journ. of hell. stud. XIII 1892/3 S. 197 Fig. 2a und 201 Fig. 2b. Vgl. auch Ann. of Brit. Sch. XIV
1907/8 S. 190 Fig. 3.
3) v. Graeven: Antike Schnitzereien S. 117ff. Nr. 71-72, 74.
4) Früher kannte man von hittitischen Elfenbeinarbeiten nur das Siegel, Garstang Taf. XL.
5) Melanges Perrot S. 255. P. Paris: L’art et l’industrie de l’Espagne primitive I 98.
6) Vgl. Abb. 14.
 
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