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Poulsen, Frederik
Der Orient und die frühgriechische Kunst: mit 197 Abbildungen — Leipzig, Berlin: Druck und Verlag von B.G. Teubner, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.52590#0097
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Gestalten des Zeusschildes. Rhodische Elfenbeinfiguren

83

SIEBENTES KAPITEL
DIE ALTRHODISCHE KUNST
Während die kyprische Kunst ganz wie die phönikische selbst aus ägyptischen und
orientalischen Elementen gemischt ist und nie eine wirklich individuelle Schöpferkraft be-
wies1), gelangte in der ersten künstlerischen Entwicklung der Nachbarinsel Rhodos bei aller
Nachahmung des Orients die griechische Eigenart am frühesten zum Durchbruch.
Daß die Phöniker früh auf Rhodos Faktoreien gehabt haben, ist geschichtlich über-
liefert, und sowohl in der politischen wie in der sprachlichen Entwicklung der Insel haben
die Phöniker Spuren hinterlassen.2) So lange wie auf Kypern haben sie hier nicht gesessen,
aber daß sie in den ersten Jahrhunderten nach dem Jahre 1000 v. Chr. hier gelebt und
mit den Griechen um die Wette gearbeitet haben, das zeigt ganz deutlich die rhodische
Kleinkunst.
Besonders lehrreich ist eine Reihe kleiner Elfenbeinfiguren und -köpfe aus den Gräbern
von Kamiros, die wir nach dem Ephesuswerke wieder hier abbilden (Abb. 79~83).3) Daß sie
mit den Frauenfiguren von Elfenbein aus Nimrud (oben Abb. 26-27, 33-36) eng verwandt
sind, leuchtet beim ersten Blick ein. Ebenso daß sie eine Verschlechterung und Verflüchti-
gung bezeichnen. Man prüfe Detail nach Detail! Die Frauen tragen die Stephanen der
phönikischen Frauenfiguren. Bei den Köpfen Abb. 83 sind sie noch klar ausgebildet, nur mit
Zickzack statt Kymatien geschmückt. Abb. 83 rechts hat wie Abb. 79 die Stirnhaare wie eine
Art Zahnleiste ausgebildet. Bei Abb. 80 ist die untere Zickzackreihe nur von den geschwun-
genen Brauenlinien begrenzt, bei 81 weiß man nicht, ob Haare oder Stephanenschmuck (wie
bei 79) mit den beiden unteren Streifen gemeint sind. Endlich trägt die Frau Abb. 82 eine
Art Mütze wie die beiden Nimrudfrauen dos-ä-dos (oben Abb. 26-27), nur ohne Verzierung.
Die Zickzackdekoration kennen wir auch von den phönikischen Elfenbeinkämmen her (oben
Abb. 51), aber sie ist in dieser geometrischen Periode im östlichen Griechenland viel be-
liebter und vertritt sowohl das Flechtband wie das Kymation der orientalischen Vorbilder.4)
Ich möchte vor allem einige Pithosdeckel aus der Assarliknekropole, welche sicher noch dem
IX. Jahrh. angehören5), und einige rhodische Goldbleche vergleichen.0)
Daß die Rhodier jedoch in der Nachbildung der Stephanen den phönikischen Vorbildern
näher kommen konnten, zeigen zwei elfenbeinerne Kleinfiguren aus Sparta, die sonst mit
den eben genannten eng verwandt sind (Abb. 84-85).’) Hier haben die Stephanen Kymation-
dekoration wie bei den Nimrudfrauen. Verhältnismäßig entwickelt ist die Haarbehandlung
der Abb. 85: die Stirnhaare sind fein gekräuselt, und seitlich fallen mehrere schräg schraffierte,
kurze Locken herab. Daß dies Flechten sind, erkennen wir durch den Vergleich mit Abb. 79
und 83. Auch diese Mode: vertikale, zierliche Flechten zu tragen war phönikisch, wie die
Nimrudköpfe und die Frauenfiguren dos-ä-dos zeigen (vgl. wieder Abb. 26—27, 34-36). Wir
erkennen hier, wenn wir von den ganz ägyptischen Schulterlocken der Relieffigur Abb. 23

1) Holwerda: Die alten Kyprier.
2) Pottier: Catalogue des vases du Louvre I 133f. Perrot IX 678f. Drerup: Omero S. 112. E. Meyer:
Geschichte des Altertums II 145.
3) Nach Hogarth: Excavations at Ephesus Tat XXX-XXXI und S. 179f. Tc z/> L ϋ|Λ/'■
4) Annual of Brit. Sch. XIII 1906/7 S. 92 Fig. 25—26. Cesnola Collection of Cypr. Ant. I Tat. I 2.
5) Perrot V 332 Fig. 240. 6) Arch. Zeit. 1884 Tat. 9, 6 und 8.
7) Annual of Brit. Sch. XIV 1907/8 S. 23 Fig. 8.

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