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Poulsen, Frederik
Der Orient und die frühgriechische Kunst: mit 197 Abbildungen — Leipzig, Berlin: Druck und Verlag von B.G. Teubner, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.52590#0114
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Achtes Kapitel. Die Elfenbeinfiguren aus dem ephesischen Artemision

ACHTES KAPITEL
DIE ELFENBEINFIGUREN AUS DEM EPHESISCHEN ARTEMISION
Viel erfreulicher als die Elfenbeinfiguren der altrhodischen Kunst des VIII. Jahrh. v. Chr.
sind die gleichzeitigen, die unter dem alten Artemistempel in Ephesus bei den englischen
Ausgrabungen von Hogarth gefunden und im Ephesuswerk von Cecil Smith sorgfältig be-
handelt worden sind.1) Diese kleinen, dekorativen Figuren, die teilweise ohne Plinthen und
durch Ösen als Hängeschmuck hergerichtet sind und noch oft Reste von Bemalung zeigen2),
befinden sich jetzt alle im Museum von Konstantinopel. Daß sie einheimischer Arbeit sind,
hat Cecil Smith durch die Beobachtung der frappanten Übereinstimmung der eingeritzten
Details ihrer Gewänder mit der Ornamentik der Vasen erwiesen, welche in demselben Stratum
gefunden worden sind.3) Selbst die aufgemalten Muster der Marmorfragmente von dem
ältesten Bau4) und die eingeritzten Ornamente auf dem kleinen Kamm derselben Fundschicht5)
stimmen genau überein. In der Keramik ist es interessant zu beobachten, daß neben einer
Gruppe, welche den altrhodischen Vasen wenigstens in den Füllmotiven und den Agrimi-
darstellungen verwandt ist, eine andere Gattung mit einer Vorliebe für feine, dünne Orna-
mentborten tritt, die sonst unbekannt ist. Aber diese feinen Borten sind auch auf die Nach-
ahmungen der rhodischen Vasen übertragen.6) So finden wir hier einen durchaus eigen-
artigen Stil, in dem der phönikische Einfluß nur durch die rhodische Vermittlung zu spüren
ist, und nach den Andeutungen von Cecil Smith ist auch die in Milet gefundene orientali-
sierende Keramik bei einem stärkeren Kontingent von altrhodischen Vasen sonst nahe mit
der ephesischen verwandt.7)
Damit stimmen die übrigen Kleinfunde. Während die Gräber von Kamiros von ägyp-
tischen und phönikischen Kleinfiguren und Skarabäen geradezu wimmeln, ist die Zahl der
ägyptischen oder ägyptisch-phönikischen Skarabäen aus dem untersten Stratum unter dem
Artemision außerordentlich spärlich.8) DieFundehaben dadurch etwas Gediegenes, Autochthones.
Das bestätigt die Datierung von Smith ins VIII. Jahrh. v. Chr. Es ist die Zeit vor den großen
Seefahrten der Ionier.9) Aber möglich ist diese Datierung allerdings nur unter der Voraus-
setzung, daß man, wie ich es getan habe, mit der älteren Gruppe der altrhodischen Vasen
ins VIII. Jahrh. hinaufgeht.
Allein ganz ohne Berührung mit der orientalischen Welt ist auch diese Kleinkunst nicht
Wir wollen kein großes Gewicht darauf legen, daß ein in dieser Schicht gefundenes Miniatur-
rad von Elfenbein wie die assyrischen, phönikischen und später die ionischen 8 Speichen
hat. Die hittitischen Räder haben 6 oder 8 Speichen10), und neulich hat G. Müller nachge-
wiesen, daß auch die Ägypter der 26. Dynastie allgemein achtspeichige Räder verwendeten.11)
Diese Kleinigkeiten sind zu nichtssagend.
1) Excavations at Ephesus. London 1908. S. 155 ff. und S. 170 ff.
2) Die Kleinfigur 1. c. Tat XXIV 10 trägt noch die Reste eines Diademes von Elektron.
3) 1. c. S. 156 Fig. 30, S. 177 und Taf. XLIX. 4) Hogarth: Ionia and the East S. 59.
5) Excavations Taf. XXVII 10. 6) 1. c. S. 218 ff. 7) 1. c. S. 219. 8) 1. c. S. 205—207.
9) Hogarth: Ionia and the East S. 62. Damit wird auch die Vermutung Mallets hinfällig, daß die
Milesier schon im VIII. Jahrh. eine Ansiedelung in Ägypten gegründet hätten. Les premiers etablissements
des Grecs en Egypte S. 24 f.
10) Qarstang S. 279.
11) H. Schäfer: Ägyptische Goldschmiedearbeiten. Mitteil, der kgl. Museen von Berlin. 1910. S. 66.
 
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