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Poulsen, Frederik
Der Orient und die frühgriechische Kunst: mit 197 Abbildungen — Leipzig, Berlin: Druck und Verlag von B.G. Teubner, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.52590#0122
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Neuntes Kapitel. Orientalische Elemente in der griechisch-geometrischen Kunst

die Parallele für die architektonischen Details des ionischen Baustiles im Innern Kleinasiens
zu suchen.1) So kann man also auf den verschiedensten Gebieten den ionischen Orientalismus
nachweisen, den die Elegie des Philosophen Xenophanes bei den Ioniern vor der persischen
Sklaverei schilderte:
άβροσύνας δε μαθόντες άνωφελέας παρά Λυδών etc.2)
Aber bei allem fremden Stileinfluß zeigt doch die ionische Kunst gleich von Anfang
an eine Freiheit und Frische, welche die kommende Herrlichkeit schon ahnen läßt. Sehr
lückenhaft ist vorläufig die Denkmälerüberlieferung, denn von der ionischen Kunst des
VII. Jahrh. wissen wir so gut wie garnichts. Hoffentlich werden die deutschen Ausgrabungen
in Kleinasien hier bald neue und freudige Überraschungen bringen. Aber schon die kleinen
Ephesusfiguren genügen, um den Pankretismus Loewys3) als irrig zu bestätigen. Auf diese
Frage kommen wir jedoch später zurück.
NEUNTES KAPITEL
ORIENTALISCHE ELEMENTE
IN DER GRIECHISCH-GEOMETRISCHEN KUNST
Die Primitivität der griechischen Kunst in der geometrischen Periode zeigt, wie ver-
heerend die Völkerwanderungen gewesen sind, und wie wenig die kretisch-mykenische Kunst
Wurzel gefaßt hatte. Besonders unter den Terrakotten gibt es Figuren, die in ihrer Roheit
nur mit den primitivsten Schöpfungen der paläolithischen Kunst verglichen werden könnten.4)
Neben der Nacktheit, die ich früher ausführlich behandelt habe5), hat Deonna richtig auf die
Vorliebe dieser primitiven Kunst für drei- oder viereckige Formen von Kopf und Rumpf auf-
merksam gemacht.6) Auch ein Detail wie das Wiederaufleben des kreisrunden Auges ist
sehr bemerkenswert, denn schon in den besser ausgeführten paläolithischen, prähistorisch-
ägyptischen und mykenischen Figuren wird das Auge länglich gebildet, während die roheren
immer runde Augen haben.7) Die primitivsten Künstler beobachten nur den Augenstern,
während die Umgebung des Auges keine Rolle spielt.8) Sowohl die ausgesparten, hellen
Augen der Figuren auf den Dipylonvasen9) wie die aufgemalten oder eingesetzten Augen
der böotischen Glockenfiguren10) sind immer rund.
Ein Volk mit einem solchen Stil mußte, so weit der Verkehr es mit auswärtigen Völ-
1) v. Reber: Die Stellung- der Hethiter S. 64f. R. Leonhard, Arch. Anz. 1905 S. 150.
2) Diels: Fragmente der Vorsokratiker 1 46 nr. 3. 3) Österr. Jahresh. XII 1909 S. 243ff.
4) Vgl. Winter: Terrakotten I 25 nr. 8—10 und Thera II 307 Abb. 494 a—d mit Dechelette: Manuel
d’archeologie I 215 Fig. 84, 223 Fig. 88, 257 Fig. 105.
5) Arch. Jahrb. XXI 1906 S. 177 ff.
6) Revue des etudes grecques XXIII 1910 S. 379ff. Vgl. für Etrurien Montelius: Civil. primit. II Taf.
220-222. Hittitisch die Göttin von Teil Halaf, Der alte Orient X 1908, 1 S. 24ff. Fig. 12-15.
7) Dechelette o. c. Fig. 84 nr. 5. J. Capart: Les debuts de l’art en Egypte S. 78 Fig. 44, S. 37 Fig. 14,
S. 57 Fig. 27, S. 164ff. Fig. 119—124. A. Reichel, Arch. Jahrb. XXV 1910 S. 9ff. Maraghiannis-Karo: Anti-
quites cretoises II Taf. XXIX und XXXIV. Selbst in der minoischen Schrift kommen beide Formen vor.
Evans: Scripta Minoa I 182f.
8) Conze, Sitzungsber. der Bert Akad. 1892 S. 50f.
9) Perrot VII 179ff. Athen. Mitt. XXVIII 1903 Taf. III.
10) Perrot VII 149f. Arch. Jahrb. XXI 1906 S. 187. Eine typische böotische Glockenfigur ist jetzt
auch vom Nationalmuseum in Kopenhagen erworben.
 
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