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Poulsen, Frederik
Der Orient und die frühgriechische Kunst: mit 197 Abbildungen — Leipzig, Berlin: Druck und Verlag von B.G. Teubner, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.52590#0089
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Kreta und die hittitische Kultur, Religion und Kunst

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Helmen heranziehen, welche in hittitischer Weise von Löwen begleitet werden1); 5) die Göttin
mit Blumen. Für alle diese Typen lassen sich innerhalb der hittitischen Kunst ähnliche
Schöpfungen nachweisen, und die Hittiter haben, was auch Prinz hervorhebt, die meisten
dieser Gebilde aus Babylonien übernommen. Mit Recht hat Prinz auch die Selbständigkeit
der Kreter in der Verwendung der fremden Vorbilder betont.
Ein anderes Gebiet, wo die Beziehung Kretas zu der hittitischen Kultur greifbar vor-
liegt, ist die Sitte auf Tontafeln zu schreiben und dieselben nachher im Feuer zu härten.
Selbst die Form der Tafeln und die Art, wie die Buchstaben disponiert werden, stimmt
mit orientalischem Gebrauch überein. Aber wie die Hittiter, obwohl sie die Tontafeln aus
Babylonien übernahmen, sich ihr eigenes Schriftsystem schufen, so auch die alten Kreter.2)
Sicher sind auch auf anderen Gebieten die Hittiter die Vermittler gewesen, wenn in
der kretischen Kultur auffällige Übereinstimmungen mit der altbabylonischen vorliegen.3)
So wenn z. B. die Hügelbildung in der altkretischen Kunst, besonders bei der Darstellung
von Götterbildern, bisweilen an babylonische Vorbilder erinnert.4) Niemand hat nämlich
mehr als die Hittiter ihren Göttern mit Vorliebe Hügelchen unter die Füße gegeben.5) Wenn
ferner die Steatitsphinx von Haghia Triada Spirallocken an beiden Seiten des Kopfes trägt6),
dann ist es sehr deutlich keine Hathorfrisur, sondern es sind die syrischen Locken, über-
einstimmend mit denjenigen der Sphinx von Üjük (vgl. oben S. 44), und dazu paßt auch die
syrische Einlagetechnik und die ganze Formengebung, welche an die altchaldäischen Steatit-
stiere im Louvre erinnert.7) Reliefköpfe im Profil mit sumerisch-syrischer Spirallocke kommen
ebenfalls auf kretischen Siegelsteinen vor·8)
Ein genaues Studium der Dämonenwelt der Siegelsteine würde gewiß auch manche
Parallele ergeben. Aber hier ist es schwerer das Ägyptische von dem Orientalischen zu
trennen. So könnten die Doppeltiere z. B. sowohl aus ägyptischen wie aus hittitischen
Quellen herrühren.9) Echt orientalisch ist dagegen das Wappenschema der Tiere, welche eine
Säule flankieren.10) Welches Volk hat z. B. die Priorität in dem Schema der beiden Löwen,
die eine Säule über einem Torweg hüten? Ramsay hatte schon vermutungsweise den alten
Phrygern die Idee zugeschrieben.11) Aber die phrygische Kunst ist nur ein Zweig der hitti-
tischen, in der das Löwentor wenigstens ebenso früh heimisch war wie in Mykenai.12) Hier
mögen künftige Funde Aufklärung bringen. Der wappenartige, auf den Hinterbeinen stehende
Löwe erscheint schon in der sumerischen Kunst13), was für die östliche Priorität ins Gewicht
fällt. Auch das Doppelbeil ist sowohl bei den Hittitern wie bei den Kretern heiliges Götter-
emblem, und die Kreter sind auch da sicher nicht die Vorgänger.14) Endlich ist die Idee, dä-
monische Tiere vor Wagen zu spannen, absolut orientalischen Ursprunges.15)
1) Annual of Brit. Sch. IX 1902/3 S. 59.
2) King o. c. S. 345 f. 3) King o. c. S. 347. Hogarth: Ionia and the East S. 96 f.
4) A. Riegl, Österr. Jahresb. XI 1908 S. 250. Margret Heinemann: Landschaftliche Elemente S. 20,
Prinz 1. c. S. 167. 5) Prinz 1. c. S. 165 f. 6) Maraghiannis-Karo: Antiquites cretoises I Tat XXIV.
7) Monuments Piot VI 1898 Taf. XI und VII 1899 Taf. I. Auch della Seta vergleicht diese Stücke.
Memorie della Accademia dei Lincei, ser. V 1906 vol XII, fase. III S. 158.
8) Evans: Scripta Minoa I 272 Fig. 123—24.
9) Goblet d’Alviella: Migration of Symbols S. 25. Hogarth, Journ. of hell. stud. XXII 1902 Taf. VII
und S. 82. 10) Prinz 1. c. S. 168. 11) Journ. of hell. stud. III 1882 S. 19 ff.
12) Perrot V 111 ff. Fig. 64-65. Garstang S. 60 f., 108, 210 und Taf. LX und LXXVIII.
13) King: History of Sumer and Akkad S. 229. Vgl. Ward: Seal cylinders of Western Asia S. 74
Fig. 200, wo es zwei Bisonstiere in dieser Haltung sind.
14) Garstang S. 64. 15) Ward o. c. S. 48 f. und S. 418.
 
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