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Poulsen, Frederik
Der Orient und die frühgriechische Kunst: mit 197 Abbildungen — Leipzig, Berlin: Druck und Verlag von B.G. Teubner, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.52590#0131
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Die Etrusker und der Orient; die fremden Elemente in der etruskischen Kunst

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mykenische Palmettenformen weiter1), hier erhält sich die Sitte dem Leichnam eine Gesichts-
maske aufzulegen und führt nach einer Entwickelung, die wir stufenweise verfolgen können,
zu den Menschenvasen und später zu den hohlen Grabstatuen.2) In der Ny Carlsberg Glyp-
tothek findet sich der etruskische Grabstein eines Tekunas, der dem VI. Jahrhundert ange-
hört, aber in seiner Bekrönung ganz eigenartig an die Dachkonstruktion über der Säule des
Löwentores in Mykenai erinnert.3) Neulich glaubt ja auch Kannengießer eine Reihe ägäischer
Namen bei den Etruskern nachweisen zu können.4) Dagegen sind die „kyklopischen“ Mauern
relativ spät5), und die etruskischen Grabformen berühren sich auch mit den kleinasiatischen6),
so daß wir wohl kaum hier an mykenische Überreste denken dürfen. Daß die Ornamentik
der Villanovaurnen mit dem Dipylonstil Verbindung hat, ist ja schon längst von Böhlau nach-
gewiesen worden.7) Und nun folgen in schnellem Wechsel der phönikische und der kyprische,
der griechisch-orientalisierende Stil, der gleichmäßig aus Rhodos und Ionien beeinflußt wird,
und endlich im VI. Jahrhundert der Einfluß der attischen Kunst. Die Aufnahmewilligkeit der
Bevölkerung Etruriens ist andauernd dieselbe gewesen, und die Etrusker hegen ebensowenig
ausgeprägt orientalische wie ausgeprägt attische Tendenzen. Sie folgen blind der Mode der
Zeit, und das höchste Lob wurde offenbar dem Künstler gespendet, der in seiner Nachahmung
dem fremden, modernen Vorbilde am nächsten kam. So sind die Etrusker eigentlich immer
auf dem Stadium geblieben, auf dem wir nur eine kurze Zeitperiode die griechischen Rho-
dier fanden.
Deshalb ist es bisweilen in den etruskischen Funden ganz besonders schwer zu sondern,
was importierte und was einheimische Arbeiten sind. Es ist dieselbe Schwierigkeit wie in
der Blütezeit der klassischen Kunst. Wäre der Amazonensarkophag von Corneto nicht in-
schriftlich und durch kleine Details der Tracht als etruskisch bezeugt, würden wir niemals
glauben, daß er von einem Etrusker ausgeführt sei, so vollkommen ist die griechische Technik
durchgeführt, der griechische Stil erreicht..8) Es ist ein analoges Phänomen, wie wenn Bar-
baren, wie Brygos u. a., einige der vorzüglichsten attischen Vasen geschaffen und gemalt
haben. Umgekehrt erfahren wir erst durch die Inschriften in der Tomba del Barone, daß die
Wandmalereien hier von Griechen ausgeführt sind.9)
Wenden wir zu der Frühzeit zurück, so ist z. B. die kleine, silberne Situla aus Chiusi,
die leider nur in schlechten Abbildungen vorliegt10), aber hoffentlich bald in Milanis Katalog
des Museo archeologico in Florenz zuverlässiger reproduziert werden wird, in einem durch-
aus phönikischen Stil ausgeführt, und doch trägt der Rand einen etruskischen Namen. Der
könnte natürlich von einem späteren Besitzer eingeritzt sein, aber man glaubt doch kleine
Abweichungen, besonders in den Helmformen der Krieger und in der Zeichnung des nackten
Flötenbläsers zu bemerken. Auch diezugleich gefundeneMetallschale ist schwer zubestimmen.11)
1) Arch. Jahrb. XXVI 1911 S. 243 Anm. 1. Auf diesem Gebiet ließe sich durch eine eingehendere
Untersuchung sicher viel mehr entdecken.
2) Martha: L’art etrusque S. 331. Milani, Museo ital. 1 Taf. VIII—XII. Lichtenberg: Das Porträt an
Grabdenkmalen S. 28 ff. und Taf. 3.
3) Katalog des Helbigmuseums der Ny Carlsberg Glyptothek. 1911. H. 160.
4) Klio 1911 S. 234. 5) Körte 1. c. S. 749 f. 6) Modestov o. c. S. 373 ff. und 352 ff.
7) Zur Ornamentik der Villanovaperiode. Kassel 1895. Vgl. Poulsen, Dipylongräber S. 60. Vgl. jetzt
auch die gemalte etruskische Oinochoe, Walters, Catal. of pottery of Cyprus in Brit. Mus. Taf. XXV.
8) Amelung: Führer S. 188 f. Journ. of hell. stud. IV 1883 S. 354 ff.
9) Pauly-Wissowa s. v. Etrusker S. 759.
10) Inghirami: Monum. etruschi III Taf. XIX—XX. Noch schlechter bei Müller-Wieseler: Denkmäler I
Taf. LX 302. Vgl. Amelung: Führer S. 199 nr. 221.
11) Inghirami o. c. III. Taf. XIX.
 
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