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Breternitz, Patrick; Universität zu Köln [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 12): Königtum und Recht nach dem Dynastiewechsel: das Königskapitular Pippins des Jüngeren — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74404#0014
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1.1 Fragestellung

13

nicht neu. Stefan Esders stellte die Praeceptio Chlotharii in den Mittelpunkt
seiner 1997 gedruckten Dissertation.18 Ein solcher mikroskopischer Ansatz ist
natürlich durch die Quellenarmut für die Mitte des 8. Jahrhunderts bedingt, die
es einerseits erfordert, die wenigen Quellen besonders intensiv zu studieren,
andererseits aber auch überhaupt erst erlaubt, einer einzigen Quelle so viel
Aufmerksamkeit zu schenken.
Das Königskapitular aus dem Jahr 754/5519 entstand in einer turbulenten Zeit
der Herrschaft Pippins und bietet sich daher besonders an, um Pippins Umgang
mit Recht zu untersuchen. Nach dem Rückzug von Pippins Bruder Karlmann ins
Kloster 74720, dem Dynastiewechsel 751 und dem Tod seines Halbbruders Grifo
753, der auch nach 751 noch Widerstand geleistet hatte,21 waren auf den ersten
Blick alle innerfamiliären Konkurrenten ausgeschaltet und Pippin schien die
Herrschaft fest im Griff zu haben. Das Jahr 754 zeigte jedoch, dass Pippin drei
Jahre nach dem Dynastiewechsel weniger fest im Sattel saß, als er es sich erhofft
haben dürfte. Bereits Ende 753 hatte sich Papst Stephan II. auf den Weg ins
Frankenreich gemacht, um Pippin um Beistand gegen die langobardische Be-
drohung zu bitten. Auf einer Heeresversammlung in Bemy-Riviere beriet Pippin
das päpstliche Anliegen mit seinen Großen.22
Einhard berichtet in seiner mit deutlichem Abstand zu den Ereignissen
verfassten Vita Karls des Großen von Pippins Langobardenfeldzügen als Vor-
geschichte und Vergleichsobjekt zu Karls Eroberung des Langobardenreichs.
Auch die Versammlung in Bemy-Riviere wird erwähnt, ohne dass allerdings Ort
und Zeit genannt werden. Dort sollen, so Einhard, gewisse Große so heftig gegen
den Kriegszug protestiert haben, dass sie Pippin offen damit drohten, ihm die
Gefolgschaft zu verweigern und nach Hause zurückzukehren.23 Der Widerstand
einiger Großen gegen den Kriegszug zeigte die Grenzen von Pippins Macht für
alle Beteiligten deutlich auf. Auch die Reise Karlmanns ins Frankenreich, die
nicht nur ein Vermittlungsversuch zwischen Langobarden und Franken war,
sondern ebenso, wenn nicht sogar vor allem, wie Matthias Becher herausarbei-
tete,24 auf die Stärkung der Stellung seines Sohnes Drogo abzielte, bedrohte die
Stellung Pippins.

18 Vgl. Esders, Rechtstradition.

19 Zur Datierung vgl. unten Kap. 1.3.

20 Zum Rückzug Karlmanns zuletzt Goosmann, Politics.

21 Zur Bedeutung Grifos als Motivation zum Dynastiewechsel und zu seinem Widerstand nach 751
vgl. Becher, Verschleierte Krise.

22 Vgl. Schieffer, Karolinger, S. 61.

23 Einhard, Vita Karoli magni c. 6, S. 8 Z. 4-11: Quod prius quidem et a patre eius, Stephano papa
supplicante, cum magna difficultate susceptum est; quia quidam e primoribus Francorum, cum quibus
consultare solebat, adeo voluntati eius renisi sunt, ut se regem deserturos domumque redituros libera voce
proclamarent. Susceptum tarnen est tune contra Haistulfum regem et celerrime conpletum.

24 Vgl. Becher, Drogo, S. 151. Zur Reise vgl. auch Tangl, Sendung. Auch wenn Karlmanns Tod noch
im selben Jahr Pippin sicherlich nicht unwillkommen gewesen sein dürfte, enthalten die Quellen
keine sicheren Indizien, die den von Wolf, Bemerkungen, in den Raum gestellten Verdacht eines
unnatürlichen Todes stützen könnten.
 
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