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Breternitz, Patrick; Universität zu Köln [Mitarb.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 12): Königtum und Recht nach dem Dynastiewechsel: das Königskapitular Pippins des Jüngeren — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.74404#0087
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3. Zölle

oder carris überliefern.150 Die Lesart carris bietet zwar als einzige den richtigen
Kasus, doch zählen die beiden Handschriften zu der sekundären Überlieferung,
bei der Teile des Königskapitulars in die Überlieferung des Konzils von Ver
eingedrungen sind.151 Bis auf einen Bogen gleichen sich carralia und carnalia
paläographisch sehr stark, so dass eine Verschreibung gut vorstellbar ist. Die
Frage ist nur, in welche Richtung sie erfolgte. Carnalia im Sinne von Fleisch-
transporten sind nicht belegt.152 Auch wenn nur eine Handschrift carralia über-
liefert, ist dieser Lesart der Vorzug zu geben. Erstens sind Fleischwaren durch
victualia bereits abgedeckt, zweitens folgt mit saumis ein weiteres Transportmittel
und drittens spielen Waren auf Karren auch in Urkunden und Formelsamm-
lungen beim Thema Zölle eine Rolle.153 Deutlich wird, dass es sich in allen drei
Fällen nicht um Personen, sondern um Waren handelt, seien es Lebensmittel oder
die Ladungen von Karren und Lasttieren.
Grundvoraussetzung der Zollbefreiung ist, dass die Transporte nicht dem
Handel dienen dürfen. Daraus dürfte folgen, dass Handelstransporte in der
Regel dem Zoll unterlagen.154 Wie Transporte mit und ohne Handelsabsicht an
Zollstellen unterschieden werden sollten, zumal dann, wenn keine exotischen
Produkte geladen waren, verrät das Kapitular nicht.155 Problematisch war dies
vor allem, wenn die Transporte über längere Distanzen gingen, so dass nicht
mehr davon ausgegangen werden kann, dass der Zolleintreiber und derjenige,
der den Transport durchführte, einander persönlich kannten. Bei dem nicht
selten weiträumig verteilten Besitz mancher Klöster dürfte dies eher die Regel als
die Ausnahme gewesen sein.156 Auffällig ist, dass nur Karren und Lasttiere
aufgezählt werden. Das Binnenschiff, das wichtigste frühmittelalterliche Trans-
portmittel und zugleich das mit der größten Ladekapazität fehlt hingegen.157
Dies könnte darauf hindeuten, dass das Deklarieren von Handelsgut als zoll-
befreiter Transport ohne Handelsabsicht im großen Stil vermieden werden sollte.
Auch wenn über Zölle in der Merowingerzeit noch weniger bekannt ist als in
der Karolingerzeit, weist doch viel darauf hin, dass die erste Zollregelung im
Königskapitular keine Neuerung darstellt.158 Darauf deuten vor allem die bereits
vorgestellten Zollbefreiungen hin. In ihnen wird nämlich immer wieder betont,

150 Lesart carnalia: P fol. 8v.
151 Lesart carris: P fol. 6v; V fol. 9v. Vgl. Mordek, Bibliotheca capitularium, S. 783; Breternitz,
Münzwesen.
152 Vgl. Niermeyer — van de Kieft — Bürger, Lexicon, Bd. 1, S. 191 f.
153 Vgl. Niermeyer — van de Kieft — Bürger, Lexicon, Bd. 1, S. 193 (navale et carrale usw.).
154 Vgl. Ganshof, Tolwezen onder de Karolingen, S. 8-10; Siems, Handel, S. 458; McCormick, Origins,
S. 640; Mischke, Kapitularienrecht, S. 102.
155 Zu der Problematik vgl. Mischke, Kapitularienrecht, S. 102; Capitula de functionibus publicis c. 2,
in: MGH Capit. 1, Nr. 143, S. 294 Z. 33-36: Quod si aliquis repertus fuerit, qui ea quae praeniissa sunt
non ad suam dispensam nee ad proprios usus sed potius venundandi causa ea duxerit, noverit se, sicut
superius conpraehensum est, esse damnandum.
156 Vgl. beispielsweise für Prüm Isphording, Prüm, S. 361-363.
157 Zur Bedeutung der Binnenschifffahrt im Frühmittelalter vgl. Elmshäuser, Facit Navigium; Ell-
mers, Wassertraßen; Haase — Werther — Wunschel, Güterdistribution.
158 Vgl. Ganshof, Tolwezen onder de Merowingen, S. 20.
 
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