5.1 Rechtspflege im Königskapitular
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scheint kurz nach dem Dynastiewechsel auf den ersten Blick nicht unplausibel zu
sein.
755 wurde Kapitel 6 des Königskapitulars auf dem Konzil von Ver bestä-
tigt.10 Auch wenn für diese Wiederholung doppelt so viele Wörter zum Einsatz
kamen, wird die konkrete Bedeutung zunächst nicht deutlicher. Wo die Kürze
der Formulierung eine Antwort verwehrt, kann der Kontext weiterhelfen. Im
Königskapitular folgt auf den Beschluss zu den Immunitäten ein Kapitel zur
weltlichen Rechtspflege. Der Bestätigung von Ver geht ein Kanon voran, dass
Kleriker keine weltlichen Gerichte aufsuchen sollen.11 Der jeweilige unmittelbare
Kontext, in dem die Regelung zu den Immunitäten begegnet, deutet stark darauf
hin, dass immunitates conservare sowohl im Königskapitular als auch beim Konzil
von Ver „die Immunitätsbezirke beachten" bedeutet. Gegen eine pauschale Be-
stätigung früherer Immunitätsverleihungen spricht auch, dass recht viele Im-
munitätsbestätigungen Pippins überliefert oder bezeugt sind.12 Nicht wenige
Institutionen wählten also den Weg einer individuellen Immunitätsbestätigung.
Für die Frage nach der Bedeutung der Junktur immunitatem conservare ist ein
Kapitular Pippins von Italien von 787 besonders aussagekräftig.13 Hier kann
eindeutig ausgeschlossen werden, dass mit conservare eine Bestätigung von
Immunitätsrechten ausgedrückt werden soll, weil eine Bestätigung von Immu-
nitäten durch Karl den Großen nur wenige Worte zuvor erwähnt wird. Alle
Indizien weisen darauf hin, dass es im Königskapitular um die Beachtung von
Immunitätsbezirken geht. In dem Sinne soll das Kapitel auch hier aufgefasst
werden.
Aufgrund der passivischen Formulierung verrät Kapitel 6 nicht, wer die
Immunitäten beachten soll. Auf diese Frage wird zurückzukommen sein,
nachdem der Text von Kapitel 7 näher untersucht wurde.
5.1.2 Kapitel 7 (weltliche Rechtspflege)
Das siebte und letzte Kapitel des Königskapitulars beschäftigt sich mit dem
Gerichtswesen beziehungsweise der Rechtspflege. Von allen Kapiteln des Ka-
pitulars bietet es die meisten Verständnisschwierigkeiten und größte Bandbreite
möglicher Interpretationen. Dies liegt nicht nur an der Knappheit und den teil-
weise ungeschickten Formulierungen des Beschlusses,14 sondern vor allem
daran, dass das fränkische Rechtswesen in der Zeit vor den Reformen Karls des
Großen in den Quellen nur sehr undeutlich zu erkennen ist. Grundsätzlich be-
10 Concilium Vernense c. 19, in: MGH Capit. 1, Nr. 14, S. 36 Z.33: De emunitates. Utomnes emunitates
per universas ecclesias conservata sint.
11 Concilium Vernense c. 18, in: MGH Capit. 1, Nr. 14, S. 36 Z. 24-32.
12 Vgl. unten Kap. 5.5.1.
13 Pippini capitulare Papiense c. 8, in: MGH Capit. 1, Nr. 94, S. 199 Z. 27 f.: Et hoc instituimus, ut
emunitates a iamdicto domno nostro firmatae in omnibus sic conservatae esse debeant, sicut est iussio
ipsius domni nostri Karoli regis.
14 Vgl. Schmitt-Weigand, Rechtspflegedelikte, S. 33.
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scheint kurz nach dem Dynastiewechsel auf den ersten Blick nicht unplausibel zu
sein.
755 wurde Kapitel 6 des Königskapitulars auf dem Konzil von Ver bestä-
tigt.10 Auch wenn für diese Wiederholung doppelt so viele Wörter zum Einsatz
kamen, wird die konkrete Bedeutung zunächst nicht deutlicher. Wo die Kürze
der Formulierung eine Antwort verwehrt, kann der Kontext weiterhelfen. Im
Königskapitular folgt auf den Beschluss zu den Immunitäten ein Kapitel zur
weltlichen Rechtspflege. Der Bestätigung von Ver geht ein Kanon voran, dass
Kleriker keine weltlichen Gerichte aufsuchen sollen.11 Der jeweilige unmittelbare
Kontext, in dem die Regelung zu den Immunitäten begegnet, deutet stark darauf
hin, dass immunitates conservare sowohl im Königskapitular als auch beim Konzil
von Ver „die Immunitätsbezirke beachten" bedeutet. Gegen eine pauschale Be-
stätigung früherer Immunitätsverleihungen spricht auch, dass recht viele Im-
munitätsbestätigungen Pippins überliefert oder bezeugt sind.12 Nicht wenige
Institutionen wählten also den Weg einer individuellen Immunitätsbestätigung.
Für die Frage nach der Bedeutung der Junktur immunitatem conservare ist ein
Kapitular Pippins von Italien von 787 besonders aussagekräftig.13 Hier kann
eindeutig ausgeschlossen werden, dass mit conservare eine Bestätigung von
Immunitätsrechten ausgedrückt werden soll, weil eine Bestätigung von Immu-
nitäten durch Karl den Großen nur wenige Worte zuvor erwähnt wird. Alle
Indizien weisen darauf hin, dass es im Königskapitular um die Beachtung von
Immunitätsbezirken geht. In dem Sinne soll das Kapitel auch hier aufgefasst
werden.
Aufgrund der passivischen Formulierung verrät Kapitel 6 nicht, wer die
Immunitäten beachten soll. Auf diese Frage wird zurückzukommen sein,
nachdem der Text von Kapitel 7 näher untersucht wurde.
5.1.2 Kapitel 7 (weltliche Rechtspflege)
Das siebte und letzte Kapitel des Königskapitulars beschäftigt sich mit dem
Gerichtswesen beziehungsweise der Rechtspflege. Von allen Kapiteln des Ka-
pitulars bietet es die meisten Verständnisschwierigkeiten und größte Bandbreite
möglicher Interpretationen. Dies liegt nicht nur an der Knappheit und den teil-
weise ungeschickten Formulierungen des Beschlusses,14 sondern vor allem
daran, dass das fränkische Rechtswesen in der Zeit vor den Reformen Karls des
Großen in den Quellen nur sehr undeutlich zu erkennen ist. Grundsätzlich be-
10 Concilium Vernense c. 19, in: MGH Capit. 1, Nr. 14, S. 36 Z.33: De emunitates. Utomnes emunitates
per universas ecclesias conservata sint.
11 Concilium Vernense c. 18, in: MGH Capit. 1, Nr. 14, S. 36 Z. 24-32.
12 Vgl. unten Kap. 5.5.1.
13 Pippini capitulare Papiense c. 8, in: MGH Capit. 1, Nr. 94, S. 199 Z. 27 f.: Et hoc instituimus, ut
emunitates a iamdicto domno nostro firmatae in omnibus sic conservatae esse debeant, sicut est iussio
ipsius domni nostri Karoli regis.
14 Vgl. Schmitt-Weigand, Rechtspflegedelikte, S. 33.