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Breternitz, Patrick; Universität zu Köln [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 12): Königtum und Recht nach dem Dynastiewechsel: das Königskapitular Pippins des Jüngeren — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74404#0168
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5.2 Umgang mit der Lex Salica

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5.1.2.5 Iustitiam facere
Die notwendigen Vorüberlegungen zum Textverständnis haben nicht nur die
Schwierigkeit der Sprache offenbart, sondern auch die Komplexität des Themas
deutlich gemacht. Dabei hat sich gezeigt, dass das Kapitel, anders als von der
älteren Forschung vielfach angenommen, nicht von der sogenannten Urteils-
schelte, sondern von der Justizverweigerung handelt.
Nicht falsche beziehungsweise ungerechte Urteile sind das zentrale Problem,
das in Kapitel 7 bekämpft werden soll, sondern das Nichtzustandekommen von
Urteilen. Dies ist der rote Faden des Kapitels. Wenn die Grafengerichte nicht
zuverlässig arbeiteten, verwundert es auch kaum, dass immer mehr Menschen
sie gar nicht erst anriefen, sondern direkt mit ihrem Fall an den Hof kamen. In
gewisser Hinsicht können Klagen über zu viele Bittsteller am Hof als Indiz für
Probleme in der Rechtsprechung vor Ort gesehen werden. Vor diesem Hinter-
grund wird auch die Intention des ersten Satzes, der Aufforderung zum iustitiam
facere deutlicher. Hier soll den mit der Rechtsprechung betrauten weltlichen und
kirchlichen Amtsträgern vor Ort eingeschärft werden, sich tatsächlich dem ius-
titiam facere zu widmen.
5.1.3 Zwischenfazit
Die bisherigen Ausführungen dürften gezeigt haben, dass die Kapitel 6 und 7 des
Königskapitulars nicht ohne Grund nebeneinanderstehen. Kapitel 7 will dafür
Sorge tragen, dass die Rechtsprechung im Grafengericht und in den Gerichten
der Immunitätsbezirke tatsächlich stattfindet. Angesprochen sind allein kirch-
liche Immunitäten. Hier deutet sich an, dass bereits im 8. Jahrhundert über-
wiegend kirchliche Institutionen über Immunitäten verfügt haben dürften. Ka-
pitel 6 und 7 sind, wenn man so will, zwei Seiten einer Medaille. Die eigen-
ständige Gerichtsbarkeit in den Immunitäten sollte einerseits von den weltlichen
Amtsträgern respektiert werden (conservare), andererseits musste sie aber auch
funktionieren. Das heißt, dass diejenigen, die in den Immunitäten die Gerichts-
barkeit durchführten, auch tatsächlich dem iustitiam facere nachkommen muss-
ten. Im Königskapitular zeigt sich das bis weit ins 9. Jahrhundert hinein beo-
bachtbare Bestreben der Karolinger zur Durchsetzung der Immunitäten.

5.2 Umgang mit der Lex Salica
Adolf Schmitt-Weigand betont, dass das siebte Kapitel des Königskapitulars
keine Neuerung im fränkischen Recht darstelle.60 Freilich traf er dieses Urteil

60 Vgl. Schmitt-Weigand, Rechtspflegedelikte, S. 33: „Die stammesrechtlichen Bußfolgen, auf die die
 
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