194
5. Rechtspflege
Deperditum Theuderichs IV. bekannt, das dem Kloster Murbach die Immunität
verleiht.184 Ob Theuderich IV. danach noch einmal in einer Immunitätsangele-
genheit urkundete, ist ungewiss.185
Im Hinblick auf die Zuständigkeit für Immunitätsfragen wirkt der Überlie-
ferungsbefund bis zum Dynastiewechsel auf den ersten Blick so, als ob diese
Zuständigkeit bis zuletzt beim merowingischen König gelegen habe und der
Hausmeier Pippin nur in einem Fall einspringen musste, weil die Immunitäts-
urkunde für Mäcon genau in der Zeit verbrannte und ersetzt werden musste, als
kein Merowinger auf dem Königsthron saß.186 Der Aussteller der verbrannten
Urkunde wird nicht genannt.187 Josef Semmler vertritt die Ansicht, dass Pippin
dem Vorgänger von Bischof Domnolus die Immunität verliehen habe.188 Doch ist
es eher unwahrscheinlich, dass die verbrannte Urkunde ebenfalls von Pippin
stammte. In der erhaltenen Urkunde heißt es schließlich, dass Pippin aufgefor-
dert worden sei, die Immunität von Mäcon aus seinem Namen heraus zu er-
neuern und zu bekräftigen.189 Die unter den Arnulfingerurkunden singuläre
Wendung ex nostro nomine steht in Opposition zum Aussteller der verbrannten
Urkunde, bei dem es sich daher nicht um Pippin selbst handeln kann.190
Da Pippin wohl sicher auf eine Ausstellerschaft seines Vaters verwiesen
hätte, kann auch Karl Martell als Verleiher der Immunität ausgeschlossen wer-
den. Es kann also festgehalten werden, dass Mäcon die Immunität von einem
nicht mehr identifizierbaren merowingischen König verliehen bekommen hat.
Dies bedeutet, dass, von der Zeit ohne König einmal abgesehen, die Verleihung
und Bestätigung von Immunitäten vor dem Dynastiewechsel nicht in die Zu-
ständigkeit des Hausmeiers fiel. Die Ausnahme von Mäcon, so Ganshof und
Brühl pointiert, bestätige die Regel.191
184 Vgl. MGH DD Merov. Dep. 391, Bd. 2, S. 658.
185 MGH DD Merov. Dep. 387, Bd. 2, S. 656 f., lässt sich nur in die Regierungszeit Theuderichs IV.
datieren, könnte also theoretisch auch nach 728 ausgestellt worden sein. MGH DD Merov.
Dep. 390, Bd. 2, S. 658, muss 724/25 ausgestellt worden sein. Die interpolierten Urkunden MGH
DD Merov. 179, Merov. 182, Merov. 184, Bd. 1, S. 444-446, 451-453, 456-458, stammen alle aus
dem Anfang der 720er Jahre.
186 Vgl. Heidrich, Titulatur, S. 121 f.
187 Vgl. Heidrich, Breve, S. 17.
188 Vgl. Semmler, Episcopi potestas, S. 354.
189 Vgl. MGH D Arnulf. 17, S. 40 Z.6f.: [...] ufipsam immunitatem ex nostro nomine ad ipsam casam Dei
renovare vel adfirmare deberemus.
190 Auch aus einer späteren Bestätigungsurkunde Ludwigs des Frommen kann nicht auf eine Im-
munitätsverleihung durch Pippin geschlossen werden, da Ludwig keine merowingische Vor-
urkunde kennen konnte. Das Original ist schließlich 742 verbrannt und Pippins Hausmeierur-
kunde nennt keinen Aussteller. Vgl. MGH D LdF 38, Bd. 1, S. 99 Z. 12-15: [...] mansuetudini
nostrae immunitatem avi nostri Pipini regis, in qua continebatur quomodo predictam sedem una cum
rebus omnibus vel hominibus ibidem aspicientibus propter amorem dei et reverentiam sancti Vincentii
martyris, in cuius honore constat esse constructa, sub plenissima defensione et immunitatis tuitione
habuisset.
191 Vgl. Ganshof, L'immunite, S. 174; Brühl, Immunität, S. 28. Als zweite Ausnahme für eine nicht
vom König verliehene beziehungsweise bestätigte Immunität wird ein Deperditum Tassilos III.
angeführt, das allerdings bereits in die Zeit Karls des Großen fällt. Vgl. MGH D LdD 80, S. 116f.
5. Rechtspflege
Deperditum Theuderichs IV. bekannt, das dem Kloster Murbach die Immunität
verleiht.184 Ob Theuderich IV. danach noch einmal in einer Immunitätsangele-
genheit urkundete, ist ungewiss.185
Im Hinblick auf die Zuständigkeit für Immunitätsfragen wirkt der Überlie-
ferungsbefund bis zum Dynastiewechsel auf den ersten Blick so, als ob diese
Zuständigkeit bis zuletzt beim merowingischen König gelegen habe und der
Hausmeier Pippin nur in einem Fall einspringen musste, weil die Immunitäts-
urkunde für Mäcon genau in der Zeit verbrannte und ersetzt werden musste, als
kein Merowinger auf dem Königsthron saß.186 Der Aussteller der verbrannten
Urkunde wird nicht genannt.187 Josef Semmler vertritt die Ansicht, dass Pippin
dem Vorgänger von Bischof Domnolus die Immunität verliehen habe.188 Doch ist
es eher unwahrscheinlich, dass die verbrannte Urkunde ebenfalls von Pippin
stammte. In der erhaltenen Urkunde heißt es schließlich, dass Pippin aufgefor-
dert worden sei, die Immunität von Mäcon aus seinem Namen heraus zu er-
neuern und zu bekräftigen.189 Die unter den Arnulfingerurkunden singuläre
Wendung ex nostro nomine steht in Opposition zum Aussteller der verbrannten
Urkunde, bei dem es sich daher nicht um Pippin selbst handeln kann.190
Da Pippin wohl sicher auf eine Ausstellerschaft seines Vaters verwiesen
hätte, kann auch Karl Martell als Verleiher der Immunität ausgeschlossen wer-
den. Es kann also festgehalten werden, dass Mäcon die Immunität von einem
nicht mehr identifizierbaren merowingischen König verliehen bekommen hat.
Dies bedeutet, dass, von der Zeit ohne König einmal abgesehen, die Verleihung
und Bestätigung von Immunitäten vor dem Dynastiewechsel nicht in die Zu-
ständigkeit des Hausmeiers fiel. Die Ausnahme von Mäcon, so Ganshof und
Brühl pointiert, bestätige die Regel.191
184 Vgl. MGH DD Merov. Dep. 391, Bd. 2, S. 658.
185 MGH DD Merov. Dep. 387, Bd. 2, S. 656 f., lässt sich nur in die Regierungszeit Theuderichs IV.
datieren, könnte also theoretisch auch nach 728 ausgestellt worden sein. MGH DD Merov.
Dep. 390, Bd. 2, S. 658, muss 724/25 ausgestellt worden sein. Die interpolierten Urkunden MGH
DD Merov. 179, Merov. 182, Merov. 184, Bd. 1, S. 444-446, 451-453, 456-458, stammen alle aus
dem Anfang der 720er Jahre.
186 Vgl. Heidrich, Titulatur, S. 121 f.
187 Vgl. Heidrich, Breve, S. 17.
188 Vgl. Semmler, Episcopi potestas, S. 354.
189 Vgl. MGH D Arnulf. 17, S. 40 Z.6f.: [...] ufipsam immunitatem ex nostro nomine ad ipsam casam Dei
renovare vel adfirmare deberemus.
190 Auch aus einer späteren Bestätigungsurkunde Ludwigs des Frommen kann nicht auf eine Im-
munitätsverleihung durch Pippin geschlossen werden, da Ludwig keine merowingische Vor-
urkunde kennen konnte. Das Original ist schließlich 742 verbrannt und Pippins Hausmeierur-
kunde nennt keinen Aussteller. Vgl. MGH D LdF 38, Bd. 1, S. 99 Z. 12-15: [...] mansuetudini
nostrae immunitatem avi nostri Pipini regis, in qua continebatur quomodo predictam sedem una cum
rebus omnibus vel hominibus ibidem aspicientibus propter amorem dei et reverentiam sancti Vincentii
martyris, in cuius honore constat esse constructa, sub plenissima defensione et immunitatis tuitione
habuisset.
191 Vgl. Ganshof, L'immunite, S. 174; Brühl, Immunität, S. 28. Als zweite Ausnahme für eine nicht
vom König verliehene beziehungsweise bestätigte Immunität wird ein Deperditum Tassilos III.
angeführt, das allerdings bereits in die Zeit Karls des Großen fällt. Vgl. MGH D LdD 80, S. 116f.