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5. Rechtspflege
Wesentlichen auf seinem neuen Status als König. Bei den Immunitäten be-
günstigt die Überlieferung eindeutig die Gewinnerseite, also diejenige Institu-
tion, die durch eine Immunitätsverleihung oder -bestätigung gewinnt oder zu-
mindest den Status quo hält. Die Perspektive derjenigen Parteien, die durch die
Immunität einer anderen Institution verlieren, taucht in den Quellen höchstens
indirekt auf. Es liegt nahe, gerade die Verlierer der Klosterpolitik Pippins als die
Adressaten des Beschlusses anzunehmen. Denn für sie bedeutete immunitates
conservare auf bisherige Rechte verzichten zu müssen und dies scheint nicht
immer reibungslos funktioniert zu haben, wie die Nachdrücklichkeit nahelegt,
mit der die Wiederholung des Beschlusses in Ver deutlich macht, dass es wirklich
keine Ausnahme geben soll. Direkt im Anschluss an Kanon 19 von Ver über die
Immunitäten geht Kanon 20 sogar nur noch von Klöstern aus, die unter könig-
licher oder unter bischöflicher Aufsicht stehen.303 Für den Einfluss der weltlichen
Großen auf ihre (ehemaligen) Eigenklöster bleibt da nicht mehr viel Raum.304
Kapitel 6 und 7 dienen dem Schutz der Kirchen und ihrer Immunitäten.
Kapitel 6 wendet sich gegen den Einfluss weltlicher Großer innerhalb der Im-
munitätsbezirke. Kapitel 7 stärkt die Immunitäten, indem dessen letzter Satz
denjenigen, die der Gerichtsbarkeit der Immunität unterworfen sind, verbietet,
sich direkt an den König zu wenden. Doch ist dies nicht der Schwerpunkt des
Kapitels. Dieser liegt vielmehr eindeutig darauf, die Gerichtsbarkeit der Grafen
vor Ort zu stärken. Das Ziel Pippins, das sich in beiden Kapiteln feststellen ist, ist
die Stärkung der örtlichen Gerichtsbarkeit. Es ging also darum, die Gerechtigkeit
vor Ort zu stärken, sei es in den Immunitäten oder vor dem Grafschaftsgericht.
Mit seinem Einsatz für Gerechtigkeit kam Pippin einer zentralen christlichen
Herrschertugend, der iustitia, nach, und konnte zeigen, dass er die an einen
legitimen König gestellten Erwartungen erfüllen konnte.
Daneben kommt Kapitel 7 auch eine symbolische Funktion zu. In Teilen stellt
Kapitel 7 des Königskapitulars ohne Zweifel einen Rückgriff auf die Lex Salica
dar. Helmut Reimitz betrachtet diesen Rückgriff als Teil einer Strategie Pippins
zur Schaffung einer fränkischen Identität mithilfe der Lex Salica.305 Doch ist
Kapitel 7 des Königskapitular mehr als ein symbolischer Rückgriff auf die Lex
Salica. Zum einen finden sich innerhalb des Kapitels mit der allgemeinen Auf-
forderung zum iustitiam facere und der Regelung für die ecclesiastici wichtige
Punkte, die keine Vorlage in der Lex Salica haben, zum anderen scheint das
Königskapitular auf die Abstellung von Missständen abzuzielen.
Inwieweit solche Missstände schon länger bestanden oder durch den Dy-
nastiewechsel erst verschärft wurden, muss offenbleiben. Fest steht, dass Pippin
sich darum bemühte, diese Missstände abzustellen und das Funktionieren der
Rechtspflege vor Ort zu gewährleisten. Auch wenn machtpolitische Erwägun-
303 Concilium Vernense c. 20, in: MGH Capit. 1, Nr. 14, S. 36 Z. 34-37: In illo alio sinodo nobis
perdonastis, ut illa monasteria, ubi regulariter monachi vel monachas vixerunt, ut hoc quod eis de illas res
demittebatis unde vivere potuissent, ut exinde, si regales erant, ad domnum regem fecissent rationes abba
vel abbatissa; et si episcopales, ad illum episcopum. Similiter et de illos vicos.
304 Vgl. Semmler, Pippin III., S. 130f.
305 Vgl. Reimitz, History, S. 330f.
5. Rechtspflege
Wesentlichen auf seinem neuen Status als König. Bei den Immunitäten be-
günstigt die Überlieferung eindeutig die Gewinnerseite, also diejenige Institu-
tion, die durch eine Immunitätsverleihung oder -bestätigung gewinnt oder zu-
mindest den Status quo hält. Die Perspektive derjenigen Parteien, die durch die
Immunität einer anderen Institution verlieren, taucht in den Quellen höchstens
indirekt auf. Es liegt nahe, gerade die Verlierer der Klosterpolitik Pippins als die
Adressaten des Beschlusses anzunehmen. Denn für sie bedeutete immunitates
conservare auf bisherige Rechte verzichten zu müssen und dies scheint nicht
immer reibungslos funktioniert zu haben, wie die Nachdrücklichkeit nahelegt,
mit der die Wiederholung des Beschlusses in Ver deutlich macht, dass es wirklich
keine Ausnahme geben soll. Direkt im Anschluss an Kanon 19 von Ver über die
Immunitäten geht Kanon 20 sogar nur noch von Klöstern aus, die unter könig-
licher oder unter bischöflicher Aufsicht stehen.303 Für den Einfluss der weltlichen
Großen auf ihre (ehemaligen) Eigenklöster bleibt da nicht mehr viel Raum.304
Kapitel 6 und 7 dienen dem Schutz der Kirchen und ihrer Immunitäten.
Kapitel 6 wendet sich gegen den Einfluss weltlicher Großer innerhalb der Im-
munitätsbezirke. Kapitel 7 stärkt die Immunitäten, indem dessen letzter Satz
denjenigen, die der Gerichtsbarkeit der Immunität unterworfen sind, verbietet,
sich direkt an den König zu wenden. Doch ist dies nicht der Schwerpunkt des
Kapitels. Dieser liegt vielmehr eindeutig darauf, die Gerichtsbarkeit der Grafen
vor Ort zu stärken. Das Ziel Pippins, das sich in beiden Kapiteln feststellen ist, ist
die Stärkung der örtlichen Gerichtsbarkeit. Es ging also darum, die Gerechtigkeit
vor Ort zu stärken, sei es in den Immunitäten oder vor dem Grafschaftsgericht.
Mit seinem Einsatz für Gerechtigkeit kam Pippin einer zentralen christlichen
Herrschertugend, der iustitia, nach, und konnte zeigen, dass er die an einen
legitimen König gestellten Erwartungen erfüllen konnte.
Daneben kommt Kapitel 7 auch eine symbolische Funktion zu. In Teilen stellt
Kapitel 7 des Königskapitulars ohne Zweifel einen Rückgriff auf die Lex Salica
dar. Helmut Reimitz betrachtet diesen Rückgriff als Teil einer Strategie Pippins
zur Schaffung einer fränkischen Identität mithilfe der Lex Salica.305 Doch ist
Kapitel 7 des Königskapitular mehr als ein symbolischer Rückgriff auf die Lex
Salica. Zum einen finden sich innerhalb des Kapitels mit der allgemeinen Auf-
forderung zum iustitiam facere und der Regelung für die ecclesiastici wichtige
Punkte, die keine Vorlage in der Lex Salica haben, zum anderen scheint das
Königskapitular auf die Abstellung von Missständen abzuzielen.
Inwieweit solche Missstände schon länger bestanden oder durch den Dy-
nastiewechsel erst verschärft wurden, muss offenbleiben. Fest steht, dass Pippin
sich darum bemühte, diese Missstände abzustellen und das Funktionieren der
Rechtspflege vor Ort zu gewährleisten. Auch wenn machtpolitische Erwägun-
303 Concilium Vernense c. 20, in: MGH Capit. 1, Nr. 14, S. 36 Z. 34-37: In illo alio sinodo nobis
perdonastis, ut illa monasteria, ubi regulariter monachi vel monachas vixerunt, ut hoc quod eis de illas res
demittebatis unde vivere potuissent, ut exinde, si regales erant, ad domnum regem fecissent rationes abba
vel abbatissa; et si episcopales, ad illum episcopum. Similiter et de illos vicos.
304 Vgl. Semmler, Pippin III., S. 130f.
305 Vgl. Reimitz, History, S. 330f.