ZU POLYCHROMIE DER ALT^EGYPTISCHEN SKULPTUR
121
Beobachten kônnen wir ail dies am besten bei den Statuen aus Kalkstein und
Sandstein, die uns aus dem alten Reich erhalten sind1. Die Umstânde der Auffindung
in z. th. noch unerbrochenen Grâbern wie die Beschafïenheit der Oberflâche dieser
Gesteine, die ohne uneben zu sein rauh ist und die Farbe einsaugt, liaben das verursacht.
Doch felilen gleichartige Beispiele auch aus den spâteren Zeiten der ecgyptischen
Kunst nicht, wie die Sandsteinstatue der Mutter Tuthmosis II in Gizeh beweist, die
noch heute im frischen Farbenschmuck prangt.
Wichtiger aber ist, dass bei aufmerksamer Beobachtung auch bei Statuen aus
hartem Stein sich fast uberall Spuren von Bemalung finden. Man kann schwanken ob
abgesehn von den schôn polierten Statuen der Spâtzeit aus grunem, metamorphischem
Schiefer nicht aile Statuen aus Granit, Diorit u. s. w. mehr oder mincler bernait waren2.
Jedenfalls lehrt eine genauere Betrachtung, dass aus dem Zustand der Oberflâche nur
wenig zu schliessen ist. Freilich lâsst man den Augapfel gern rauh uni die Farbe
besser haften zu lassen, wie man bei Reliefs auch die Innenflàchen der Figuren aus
derselben Ursache nicht wie den Grund poliert. Aber es giebt vôllig sichere Beispiele
von Bemalung polierter Flâchen : so aus dem mittleren Reich die Sphingen der
Xllten Dynastie, die fâlschlich den Hyksos zugeschrieben wurden (N. 393, 394 -
134-35, Virey), aus dem neuen Reich eine Gruppe des Horus mit Ramesses II (neues
Inv. 629). Hâufiger freilich lâsst man bemalte und unbemalte Teile unpoliert und
begniigt sich mit einer Glâttung; die Oberflâche erscheint dann stumpf.
Dies Verfahren scheint im alten Reich fast ausschliesslich ùblich gewesen zu sein
und es hat auch den Anschein, als seien wirklich aile hierher gehôrigen Statuen bernait
gewesen. Schon das âlteste Document altsegyptischer Plastik, clie Granitstatue Gizeh
N. I3 macht durch die verschiedene Behandlung der Augen gegeniiber dem stârker
geglâtteten Kôrper die Verwendung der Farbe wenigstens fur dièse wahrscheinlich
Sichere Beispiele finden wir zahlreich unter den der IV-VIten Dynastie angehôrenden
Statuen, die uns die Mastabas von Gizeh und Saqqara geschenkt haben.
Im Ganzen befolgt man die gleichen Regeln fur die Bemalung wie bei den Kalk-
' 1. Fur bemalte Kalksteinstatuen des alten Reichs genûgt es auf den Schreiber des Louvre (in Farben
Perrot-Chipiez, I, Taf. X) und die Gruppen des Gizehniuseums neues Inventar 6, 21 u. s. w. zu verweisen.
Fur das mittlere Reich seien die Osirisstatuen von Lisht (Reo. arch., 1896, S. 63 u. 65 angefûbrt : das Fleisch
ist rot, Augenbrauen und Schminkstreifen blau, die Kronen rot. Aus dem neuen Reich erwâhne ich Neues
Inv. 600 (— Virey, 1379) Oberteil der Statue einer Kônigin, deren Perrûcke blau (das nicht selten fur schwarz
vorkommt), deren Krone und Urseusschlange gelb gemalt ist. Ebenso ist das Diadem und die Ohrringe ge-
fàrbt. Die Haut ist unbemalt nur die Lippen und die Umrisse der Lieder und des Diadems rot. Aus der Spât-
zeit, wo Kalkstein wie Sandsteinstaluen gegenùber den Statuen aus hartem Material zurùcktreten, erwâhne
ist e.inen Naophoros mit dem Bild des Osiris (neues Inv. 667), dessen Haut rot gemalt ist (aus Kalkstein)
wâhrend die Sandsteinstatue eines zweiten Naophoros (neues Inv. 674) ausser der roten Farbe der Haut, auch
am Rùckenpfeiler, an der Corniche und an der Frontdecoration des Naos sowie an dem Mondviertel auf dem
Kopf des Affen im Tempelchen rot aufweist.
2. Es giebt nâmlich verhâltnismâssig nur sehr wenig Statuen, die nicht irgend welche Reste von Farbe
aufwiesen; und bei andern macht die unsorgfâltige Ausfûhrung der Tracht die einstige Bemalung mehr als
wahrscheinlich. Wenn ferner z. B. bei einem Kônigskopf des neuen Reichs in Gizeh (neues Inv. 824) ein
Stùck Granit gewâhlt wurde, das halb schwarz halb rot war, und die Grenze beider Farben mitten durch
den Kopfschmuck lâuft, so zwingt das zum Schluss ehemaliger Bemalung mindestens des Tuchs und der
Krone. Farbspuren (weiss) an den Augen bestâtigen das nur.
3. Publiziert Pétrie, History, I, S. 26; de Morgan, Origines, II, Taf. IV.
recueil, xx. — nouv. sér., iv. 16
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Beobachten kônnen wir ail dies am besten bei den Statuen aus Kalkstein und
Sandstein, die uns aus dem alten Reich erhalten sind1. Die Umstânde der Auffindung
in z. th. noch unerbrochenen Grâbern wie die Beschafïenheit der Oberflâche dieser
Gesteine, die ohne uneben zu sein rauh ist und die Farbe einsaugt, liaben das verursacht.
Doch felilen gleichartige Beispiele auch aus den spâteren Zeiten der ecgyptischen
Kunst nicht, wie die Sandsteinstatue der Mutter Tuthmosis II in Gizeh beweist, die
noch heute im frischen Farbenschmuck prangt.
Wichtiger aber ist, dass bei aufmerksamer Beobachtung auch bei Statuen aus
hartem Stein sich fast uberall Spuren von Bemalung finden. Man kann schwanken ob
abgesehn von den schôn polierten Statuen der Spâtzeit aus grunem, metamorphischem
Schiefer nicht aile Statuen aus Granit, Diorit u. s. w. mehr oder mincler bernait waren2.
Jedenfalls lehrt eine genauere Betrachtung, dass aus dem Zustand der Oberflâche nur
wenig zu schliessen ist. Freilich lâsst man den Augapfel gern rauh uni die Farbe
besser haften zu lassen, wie man bei Reliefs auch die Innenflàchen der Figuren aus
derselben Ursache nicht wie den Grund poliert. Aber es giebt vôllig sichere Beispiele
von Bemalung polierter Flâchen : so aus dem mittleren Reich die Sphingen der
Xllten Dynastie, die fâlschlich den Hyksos zugeschrieben wurden (N. 393, 394 -
134-35, Virey), aus dem neuen Reich eine Gruppe des Horus mit Ramesses II (neues
Inv. 629). Hâufiger freilich lâsst man bemalte und unbemalte Teile unpoliert und
begniigt sich mit einer Glâttung; die Oberflâche erscheint dann stumpf.
Dies Verfahren scheint im alten Reich fast ausschliesslich ùblich gewesen zu sein
und es hat auch den Anschein, als seien wirklich aile hierher gehôrigen Statuen bernait
gewesen. Schon das âlteste Document altsegyptischer Plastik, clie Granitstatue Gizeh
N. I3 macht durch die verschiedene Behandlung der Augen gegeniiber dem stârker
geglâtteten Kôrper die Verwendung der Farbe wenigstens fur dièse wahrscheinlich
Sichere Beispiele finden wir zahlreich unter den der IV-VIten Dynastie angehôrenden
Statuen, die uns die Mastabas von Gizeh und Saqqara geschenkt haben.
Im Ganzen befolgt man die gleichen Regeln fur die Bemalung wie bei den Kalk-
' 1. Fur bemalte Kalksteinstatuen des alten Reichs genûgt es auf den Schreiber des Louvre (in Farben
Perrot-Chipiez, I, Taf. X) und die Gruppen des Gizehniuseums neues Inventar 6, 21 u. s. w. zu verweisen.
Fur das mittlere Reich seien die Osirisstatuen von Lisht (Reo. arch., 1896, S. 63 u. 65 angefûbrt : das Fleisch
ist rot, Augenbrauen und Schminkstreifen blau, die Kronen rot. Aus dem neuen Reich erwâhne ich Neues
Inv. 600 (— Virey, 1379) Oberteil der Statue einer Kônigin, deren Perrûcke blau (das nicht selten fur schwarz
vorkommt), deren Krone und Urseusschlange gelb gemalt ist. Ebenso ist das Diadem und die Ohrringe ge-
fàrbt. Die Haut ist unbemalt nur die Lippen und die Umrisse der Lieder und des Diadems rot. Aus der Spât-
zeit, wo Kalkstein wie Sandsteinstaluen gegenùber den Statuen aus hartem Material zurùcktreten, erwâhne
ist e.inen Naophoros mit dem Bild des Osiris (neues Inv. 667), dessen Haut rot gemalt ist (aus Kalkstein)
wâhrend die Sandsteinstatue eines zweiten Naophoros (neues Inv. 674) ausser der roten Farbe der Haut, auch
am Rùckenpfeiler, an der Corniche und an der Frontdecoration des Naos sowie an dem Mondviertel auf dem
Kopf des Affen im Tempelchen rot aufweist.
2. Es giebt nâmlich verhâltnismâssig nur sehr wenig Statuen, die nicht irgend welche Reste von Farbe
aufwiesen; und bei andern macht die unsorgfâltige Ausfûhrung der Tracht die einstige Bemalung mehr als
wahrscheinlich. Wenn ferner z. B. bei einem Kônigskopf des neuen Reichs in Gizeh (neues Inv. 824) ein
Stùck Granit gewâhlt wurde, das halb schwarz halb rot war, und die Grenze beider Farben mitten durch
den Kopfschmuck lâuft, so zwingt das zum Schluss ehemaliger Bemalung mindestens des Tuchs und der
Krone. Farbspuren (weiss) an den Augen bestâtigen das nur.
3. Publiziert Pétrie, History, I, S. 26; de Morgan, Origines, II, Taf. IV.
recueil, xx. — nouv. sér., iv. 16