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Schreurs, Anna; Ligorio, Pirro [Ill.]
Antikenbild und Kunstanschauungen des neapolitanischen Malers, Architekten und Antiquars Pirro Ligorio (1513 - 1583) — Köln, 2000

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https://doi.org/10.11588/diglit.22612#0168
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V. Die Kunstanschauungen
des Antiquars Pirro Ligorio

A. Der „Trattato di alcune
cose appartenente alla nobiltä
dell'antiche arti"

i. Einführung

Auch wenn der Traktat - wie im vorhergehenden
Kapitel dargelegt - mit höchster Wahrscheinlich-
keit in Ferrara abgefaßt wurde, schließt dies nicht
aus, daß Ligorio Notizen und Gedanken aus der rö-
mischen Zeit in die Abhandlung integrierte. Schon
im Oxforder Manuskript, das seine frühesten anti-
quarischen Aufzeichnungen enthält, stellte der Anti-
quar mehrmals eine Abhandlung über die guten
und schlechten Künstler in Antike und Gegenwart
in Aussicht.

In einem Abschnitt darin bekennt Ligorio, er
habe ein gezeichnetes Gesims nicht selbst gesehen,
sondern von einer Zeichnung des Baldassare Pe-
ruzzi kopiert. In diesem Zusammenhang hebt er je-
nen als „einen höchst vortrefflichen Architekten" hervor
und weist darauf hin, daß weitere Lobesbekundun-
gen in einem späteren Buch Niederschlag finden
sollten, „in dein wir in weitläufiger Weise die Regeln
der Malerei und einige der Architektur behandeln wer-
den, indem wir von den antiken und den modernen Mei-
stern reden."1 Im selben Manuskript kommt er ein
weiteres Mal auf die geplante Abhandlung zu spre-
chen, diesmal jedoch in Verbindung mit einer An-
klage der zeitgenössischen Auftraggeber, die durch
die Auswahl von dummen und tölpelhaften Künst-
lern die Menschheit betrögen. In einer spitzfindi-
gen Parallelisierung von Antike und Gegenwart for-

1 Anhang, Nr. 325; vgl. Coffin, 1964, S. 192 u. Burns, 1988(0),
S. 210, Anm. 13. - Diesen Textpassus inklusiv der Ankündigung
übernahm Ligorio in das Pariser Manuskript, s. Anhang, Nr. 328.

2 Anhang, Nr. 326. - Der curulische Aedil Claudius Pulcher
veranstaltete Spiele, die sich durch eine bis dahin unerhörte

muliert er: „Bei den Spielen des Claudius Pulcher fand
die Bühne noch große Bewunderung wegen der Malerei,
denn dort waren die Dachziegel so natürlich gemalt, daß
die getäuschten Raben darüberflogen, um, sich dort nie-
derzulassen. Aber heutzutage ereignet sich so eine Täu-
schung in dieser Stadt nicht mehr, denn wenn sie eine
Bühne malen lassen wollen, rühmen sie sich [...], einen
tölpelhaften Künstler [gewählt] zu haben, weil er es ih-
nen billig machte. Darum geschieht das Gegenteil, daß
dort, wo man [in der Antike die Bühnen] schmückte, um
die Vögel zu täuschen, man heute die Menschen durch
den Geiz betrügt, indem sie nicht die guten Meister aus-
wählen wollen, an denen es durchaus nicht fehlt. [...]
[Doch] sie können sich nicht beklagen, daß dann dort
keine guten Ansichten [„prospetti"] sind. Von dem Lob
der guten Ansichten werde ich in dem Buch reden, wo
wir diese Maler behandeln. "2

Schließlich erwähnt Ligorio im „Bodleianus" noch
ein drittes Mal den geplanten Traktat über die
Künstler, diesmal im Zusammenhang mit der Villa
Farnesina. Der Fund zweier Inschriften am Tiber-
ufer in der Nähe der Farnesina gibt ihm Anlaß, über
die Malereien des Raffael und des Baldassare Pe-
ruzzi dort zu sprechen. Deren ausführliche Behand-
lung möchte er sich jedoch für ein späteres Buch
aufbewahren, „wo die antiken und modernen Künstler
erläutert werden"} Daß die Abhandlung, die auf Fol.
%-]r des gleichen Manuskriptes noch als Buch XXV.
geplant war, nun schon als Buch XXXVII. in Aus-
sicht gestellt wird4, spiegelt die ständig veränderte
und erweiterte Systematik, mit der Ligorio seine
Bände verfaßte.

Kurzsichtig wäre es demnach, den Traktat als zy-
nische Rückblende bzw. Lebensbeichte eines verbit-

Pracht auszeichneten; die glänzende Ausstattung der Bühne mit
Kunstwerken wurde von vielen antiken Autoren gerühmt; vgl.
Pauly/Wissowa, III.2, 1899, 2856.

3 Anhang, Nr. 327.

4 Vgl. Anhang, Nr. 325 u. Nr. 327.

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