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Schreurs, Anna; Ligorio, Pirro [Ill.]
Antikenbild und Kunstanschauungen des neapolitanischen Malers, Architekten und Antiquars Pirro Ligorio (1513 - 1583) — Köln, 2000

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https://doi.org/10.11588/diglit.22612#0291
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Abb. 142 Pirro Ligorio, „Ohne Fleiß kein Preis11, Berlin,
Kupferstichkabinett, KdZ 17 227

die Mühe des Studiums werde die Früchte der vor-
trefflichen Kunst hervorbringen: In dieser Weise
könnte man eine Federzeichnung Ligorios im Ber-
liner Kupferstichkabinett interpretieren, auf der
drei Frauen zu sehen sind. Eine steht links an einem
Tisch und zieht einige Früchte zu sich heran; die
anderen beiden, prächtiger gekleideten schauen
nachdenklich zu ihr herüber (Abb. 142).5 Das Thema
wird durch zwei Zeilen am unteren Bildrand erläu-

4 Anhang, Nr. 4. - Mit diesem Gedanken befand sich Ligorio
in Ubereinstimmung mit Fulvio Orsini, der die Antikensamm-
lung Farnese als eine „scuola publica", eine Studiensammlung mit
halböffentlichem Charakter definierte; vgl. Riebesell, 1989, S. 6.

5 KdZ 17 227, erstmals veröffentlicht und Ligorio zugeschrie-
ben von Matthias Winner (1968a, S. 408, Abb. 312).

6 „ Talvolta i vagbi pensieri sov vani et stolti, et solo In fatica per
dritta via gode i dolcifrutti"

tert: „Manchmial erweisen sich die hübschen Gedanken
als nutzlos und töricht, und nur die Mühe führt auf ge-
radein, Weg zum Genuß der süßen Früchte".6 Kurzge-
faßt könnte man diese Zeilen - so wie Matthias
Winner - als „Ohne Fleiß kein Preis" übersetzen.7

Die süßen Früchte, nämlich hervorragende Kunst-
werke, bringt der Künstler demnach durch mühe-
volle Arbeit hervor. Die Qualität eines Kunstwerks
begründet sich nach Meinung des Antiquars auf in-
tellektuelle Fähigkeiten. Das Kunstschaffen ist aka-
demisch erlernbar und hat Wissenschaftlichkeit,
d.h. das Studium der antiken Dinge zur Vorausset-
zung. Dem Ingenium und einem gewissen „furor
poeticus"8 scheint aus der Sicht des Antiquars beim
künstlerischen Prozeß eine mehr als untergeord-
nete Bedeutung zuzukommen.

Einzig im Spiel mit antiken Versatzstücken, auf
welches das Kunstschaffen reduziert wird, liegt eine
gewisse künstlerische Freiheit. Dabei mag jedes
Element für sich korrekt mit einem Vorbild des Al-
tertums übereinstimmen, das daraus entstandene
Konglomerat erscheint aber nur noch als Anspie-
lung auf Antikes. Ein Beispiel für diese Auffassung
von Kunst, die sich auf ein Komponieren von antiken
Elementen reduziert, bietet das von Ligorio ent-
worfene „Casino di Pio IV.a in den vatikanischen Gär-
ten (Abb. i43a-c); es läßt gleichzeitig die schwie-
rige Verbindung von Gelehrsamkeit und Kreativität
anschaulich werden. Die künstlerischen Qualitäten
des Bauwerks erfuhren in der Literatur keine große
Würdigung, hingegen richteten sich alle Bemühun-
gen darauf, die antiken Quellen für Architektur und
Dekor zu finden und das Programm zu entschlüs-
seln.9 Wenn das Gebäude in der Meinung vieler seit
dem Ende des 19. Jahrhunderts als „manieristisch",
„originell" oder auch als „grillenhaft und extra-
vagant"1® erschien, so mündeten diese Bewertungen

7 1968(3), S. 312.

8 Vgl. hierzu Schweikhart (1991, S. 23), der auf das Selbstpor-
trait von Giovanni Paolo Lomazzo aufmerksam machte, in dem
gerade die Verbindung von Gelehrsamkeit und Inspiration, „ohne
die das Künstlertum nicht auskommt" dargestellt ist.

9 Siehe hierzu vor allem Fagiolo/Madonna 1972(3) und
i972(b); Smith, 1988.

10 Vgl. hierzu Jacob Burckhardt, 1912, S. 249.

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