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Eilstes Kapitel.
der erste Hof durch Gitter geöffnet, im strenger klassischen Stil mit
dorischen und ionischen Säulenstellungen die neuen Gebäude verkleidet,
die Dächer als Einheit und möglichst flach gebildet, zu beider: Seiten
mit eigenem Hofe Nebenanlagen projektirt, aber nur auf einer Seite
ausgeführt.
Noch war der Garten in alter Ausdehnung erhalten, mit kunst-
reich geschnittenen Baumgängen, Orangerien und Wasserkünsten ein
Rendezvous der vornehmer: Welt. Der Aussicht auf ihn erfreuten sich
die neuen, stattlichen Häuser, die an drei Seiten sich um ihn ange-
baut. Da hat der spekulative Sinn von Philipp Egalite, gleichsam
vorahnend, wie bald der fürstliche Besitz der alles ansgleichenden, schließ-
lich nur der Macht des Geldes sich beugenden Bolksherrschaft anheim
fallen werde, seit 1780 in den Bereich des Gartens selbst die langen
Flügel mit den ringsum laufenden Arkaden erbauen lassen. Alles war
bereits auf möglichst vortheilhafte Geldanlage berechnet; eng drängen
sich die Fenster zwischen den korinthischen Pilastern, kleinliche Attiken,
Mansardeureihen, möglichste Ersparniß in Treppen und Vorsäälen.
Bald füllten sich die zahlreichen Räume mit Buden, Kaffes, Spiel-
säälen und Stätten der Unzucht. Mit dem lebhaftesten Unwillen nahm
die vornehme Gesellschaft diese Unternehmung auf, die eines Fürsten
so unwürdig schien, sie verließ den Garten, zog sich aus den nun in
finstere Gassen versteckten Gebäuden der Umgebung zurück. Uud zehn
Jahre später hat eine revolutionstrunkene Menge das Palais Royal
zum Schauplatz der ausgelassensten Gelage, der offensten Unzucht gemacht.
Heute ist es anders. Das Palais Royal ist ein wichtiger Mittel-
punkt des Pariser industriellen Lebens geworden, eine einer großen
Stadt würdige Stätte der Ausruhe und Erholung, die zugleich frische
Luft und Schutz vor dem Wechsel der Witterung darbietet; äußere
Zucht und Ordnung wird dabei streng gehandhabt. Die künstlerische
Bedeutung des Palastes, welche ihm Richelieu in der Anlage der von
Philipp von Champaigne gemalten Galerie seiner Thaten, in dem
Saal des Hommes illustres, in seiner Antikensammlung gab und die
unter dem Regenten Philipp von Orleans durch die Galerie der Aeneide
von der Hand Coypels, vor allem durch seine ausgezeichnete Gemälde - und
Gemmensammlung in erhöhtem Maße erneuert ward, sie ist jetzt aller-
Eilstes Kapitel.
der erste Hof durch Gitter geöffnet, im strenger klassischen Stil mit
dorischen und ionischen Säulenstellungen die neuen Gebäude verkleidet,
die Dächer als Einheit und möglichst flach gebildet, zu beider: Seiten
mit eigenem Hofe Nebenanlagen projektirt, aber nur auf einer Seite
ausgeführt.
Noch war der Garten in alter Ausdehnung erhalten, mit kunst-
reich geschnittenen Baumgängen, Orangerien und Wasserkünsten ein
Rendezvous der vornehmer: Welt. Der Aussicht auf ihn erfreuten sich
die neuen, stattlichen Häuser, die an drei Seiten sich um ihn ange-
baut. Da hat der spekulative Sinn von Philipp Egalite, gleichsam
vorahnend, wie bald der fürstliche Besitz der alles ansgleichenden, schließ-
lich nur der Macht des Geldes sich beugenden Bolksherrschaft anheim
fallen werde, seit 1780 in den Bereich des Gartens selbst die langen
Flügel mit den ringsum laufenden Arkaden erbauen lassen. Alles war
bereits auf möglichst vortheilhafte Geldanlage berechnet; eng drängen
sich die Fenster zwischen den korinthischen Pilastern, kleinliche Attiken,
Mansardeureihen, möglichste Ersparniß in Treppen und Vorsäälen.
Bald füllten sich die zahlreichen Räume mit Buden, Kaffes, Spiel-
säälen und Stätten der Unzucht. Mit dem lebhaftesten Unwillen nahm
die vornehme Gesellschaft diese Unternehmung auf, die eines Fürsten
so unwürdig schien, sie verließ den Garten, zog sich aus den nun in
finstere Gassen versteckten Gebäuden der Umgebung zurück. Uud zehn
Jahre später hat eine revolutionstrunkene Menge das Palais Royal
zum Schauplatz der ausgelassensten Gelage, der offensten Unzucht gemacht.
Heute ist es anders. Das Palais Royal ist ein wichtiger Mittel-
punkt des Pariser industriellen Lebens geworden, eine einer großen
Stadt würdige Stätte der Ausruhe und Erholung, die zugleich frische
Luft und Schutz vor dem Wechsel der Witterung darbietet; äußere
Zucht und Ordnung wird dabei streng gehandhabt. Die künstlerische
Bedeutung des Palastes, welche ihm Richelieu in der Anlage der von
Philipp von Champaigne gemalten Galerie seiner Thaten, in dem
Saal des Hommes illustres, in seiner Antikensammlung gab und die
unter dem Regenten Philipp von Orleans durch die Galerie der Aeneide
von der Hand Coypels, vor allem durch seine ausgezeichnete Gemälde - und
Gemmensammlung in erhöhtem Maße erneuert ward, sie ist jetzt aller-