Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Michelangelo; Steinmann, Ernst [Hrsg.]
Die Portraitdarstellungen des Michelangelo — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 3: Leipzig: Klinkhardt & Biermann, 1913

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47056#0039
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
versuchte, daß dieser selbe Mann uns sein äußeres Abbild in einem Gleichnis hinterlassen
hat, das die Vorstellung von Michelangelos Erscheinung bei der Nachwelt unverrückbar
bestimmt hat?
Wahrscheinlich datieren die näheren Beziehungen zwischen Michelangelo und Jacopo
del Conte aus jener Zeit als del Conte in San Giovanni Decollato mit anderen Florentinern
den bekannten Freskenzyklus malte. Er begann seine Arbeit mit der Verkündigung des
Zacharias und beschloß sie mit der Taufe und der Predigt des Johannes, welche die Jahres-
bezeichnungen 1538 und 1 540 tragen. Wenn nun del Conte unter PaulIII. zuerst nach
Rom kam und — wie es Vasari glauben macht — zwischen der Entstehung des ersten
Fresko und der beiden späteren eine längere Pause lag, so dürfen wir annehmen, daß der
Florentiner Landsmann Michelangelos um 1535m San Giovanni zu malen begonnen hat.
Vielleicht war es ein Akt der Dankbarkeit, als er hier im Fresko das Porträt Buonarrotis
anbrachte, jedenfalls aber ein Ausdruck der Huldigung für den größten Florentiner in
Rom, der überdies der Bruderschaft von San Giovanni Decollato als Mitglied angehörte.
Man möchte annehmen, daß das Ölbild unmittelbar nach dem Fresko gemalt wurde als
Michelangelo etwa 60 Jahre alt war.
Als Fulvio Orsini, der Hausarchäolog und Hofsekretär der Eccellentissima Casa Farnese
im Jahre 1600 starb, hinterließ er dem Kardinal Odoardo Farnese unter anderen Schätzen
auch das Porträt Michelangelos von Jacopo del Conte0. Wenn das Inventar hier nicht
eine Kopie für ein Original verzeichnet — und wir haben keinen Grund zu dieser An-
nahme — so hat sich das Porträt Michelangelos, das Jacopo del Conte um 1535 gemalt
hatte, im Jahre 1600 im Palazzo Farnese befunden0. Sollte da nicht auch Kardinal
Alessandro Farnese, der Freund Michelangelos, der glänzendste Mäcen seiner Zeit,
derselbe, der von Marcello Venusti eine Kopie des jüngsten Gerichtes anfertigen ließ, der
Besteller der Bilder gewesen sein? Oder stammte das Porträt vielleicht aus dem Nachlaß
des Tommaso Cavalieri, dessen Michelangelo-Schätze pietätlose Erben im Jahre 1 587 für
500Scudi an den Kardinal Farnese verkauft hatten?0
TAFEL 7.
Das Porträt Michelangelos von Jacopo del Conte in San Giovanni Decollato in Rom.
Das Porträt befindet sich ganz links in der Ecke auf dem Fresko der Verkündigung
des Zacharias. Nur der Kopf und ein Stückchen violetten Gewandes werden sichtbar.
Mit ernstem Auge blickt Michelangelo den Beschauer an. Der Mund ist ein wenig geöffnet.
Bart und Haar sind leichtergraut. Drei tiefe vertikale Falten werden zwischen den Augen-
brauen sichtbar. Alle Details sind der Freskotechnik und der Entfernung entsprechend,
aus der das Porträt betrachtet werden sollte, unterdrückt. Daher fehlt es auch dem Kopf
an Leben und Ausdruck.
1) Vgl. Pierre de Nolhac, Les collections de Fulvio Orsini in der Gazette des Beaux Arts Vol. XXIX (1884) p. 433:
No. 56. Quadro col ritratto di Gentile Delfino dimano di Jacopino del Conte. No. 57. Quadro comiciato di noce col ritratto
di Michelangelo di mano del medesimo.
2) Repertorium f. Kw. XXIX (1905) p. 445. Anm. 2.
3) Fulvio Orsini hatte übrigens in seiner Sammlung ganz andere Namen zu verzeichnen, als den eines Jacopino del Conte.
Er führt in seinem Inventar nicht nur Gemälde von Raffael und Tizian, sondern auch nicht weniger als 28 Nummern
auf, die den Namen Michelangelos tragen. Das Originalporträt Michelangelos hätte keinen feinsinnigeren Besitzer haben
können als Fulvio Orsini und keinen würdigeren Platz als die Sammlung des Palazzo Farnese. Diese Sammlungen ge-
langten bekanntlich größtenteils in das Museum zu Neapel. Wie mich Professor Spinazzola wissen ließ, ist aber auch im
Magazin der Gemäldegalerie kein Porträt von Michelangelo erhalten.

22
 
Annotationen