Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Michelangelo; Steinmann, Ernst [Hrsg.]
Die Portraitdarstellungen des Michelangelo — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 3: Leipzig: Klinkhardt & Biermann, 1913

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47056#0092
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DAS GRABDENKMAL MICHELANGELOS
IN SANTA CROCE1’ (TAFEL 75 und 76)
Neben den Gebeinen des Vaters in Santa Croce zu ruhn, war in den letzten Jahren
und Tagen die Sehnsucht und der Wunsch Michelangelos gewesen. Er hatte ja selbst
als junger Künstler daran gedacht, sich und den Seinigen hier die Grabstätte zu bereiten.
Aber die Mönche hatten den leicht Verstimmbaren verstimmt, und er hatte niemals
wieder einen Fuß in die Kirche gesetzt2). Nun übernahm der Neffe die Errichtung eines
Denkmals in Santa Croce, während Herzog Cosimo die Absicht äußerte, das Andenken
Michelangelos durch eine Statue im Florentiner Dom zu ehren. Aber diese Absicht
wurde niemals ausgeführt, und die Errichtung des Mausoleums in Santa Croce hat mehr
als ein Jahrzehnt in Anspruch genommen.
Schon im Mai 1564 schrieb Vasari an den Herzog, das Denkmal werde entsprechend
dem Vermögen und dem Rang des Neffen ausfallen, aber nicht gemäß dem Ruhm des
Oheims. Dann wurden durch die Esequien des Meisters in San Lorenzo alle anderen
Unternehmungen auf Monate in den Hintergrund gedrängt. Erst im November kam
Vasari in einem Schreiben an den Herzog auf die Angelegenheit zurück. Er erbot sich
jetzt, die Pläne für das Monument zu entwerfen, und sein Vorschlag wurde von Vincenzo
Borghini unterstützt. Auch die Namen der Bildhauer wurden bestimmt, welche die
Statuen ausführen sollten: Giovanni Battista di Domenico Lorenzi, Giovanni dell’Opera
und Valerio Cioli. Alle drei waren schon am Katafalk Michelangelos tätig gewesen. Dem
Battista Lorenzi fiel der Löwenanteil zu; er hat den Aufbau des ganzen, den Sarko-
phag und die Büste Michelangelos ausgeführt. Valerio Cioli hat die Skulptur gearbeitet,
Giovanni dell’ Opera die Architektur. Aber wie die Abfassung des Epitaphs Jahre in
Anspruch nahm und zwischen Römischen und Florentiner Gelehrten zu langen Ausein-
andersetzungen führte, so wollte auch die Arbeit am Denkmal selbst nicht zum Abschluß
gelangen. Die Gründe für solche Verzögerung hat Vincenzo Borghini seinem Fürsten
im März 1573 ausführlich dargelegt: »Die Schuld dafür, daß die Sache nicht zu Ende
kommt«, so schreibt er, »trägt nicht Lionardo. Im Gegenteil, er ist zu allem bereit.
Es liegen aber noch zwei Hindernisse vor. Das erste ist folgendes: Gerade als man am
Denkmal arbeitete, herrschte zwischen Malern und Bildhauern ein Präzedenzstreit, der
sich sogar auf die Allegorien an diesem Denkmal übertrug. Und so, glaube ich, ist es
geschehen, daß der, welcher die Allegorie der Malerei ausgeführt hat, ihr eine Statue in
die Hand gab. Dies ist nun allerdings völlig sinnlos und auch an sich ohne Bedeutung.
Wichtiger aber ist ein anderer Zwiespalt. Sei es, daß einer von den Bildhauern den
Marmor größer genommen hat, als das Maß bestimmt war, sei es, daß die anderen bei
der Arbeit den Marmor zu sehr verkleinert haben-die Statuen sind ungleich und - neben-
einander aufgestellt - würde das Ganze proportionslos und überhaupt höchst unglücklich
wirken.
1) Die Quellen für die folgenden Ausführungen hat Thode I, p. 480 zusammengestellt. Eine Anzahl von Dokumenten
zum Grabmal Michelangelos wurden dann aus der Sammlung Hertz im Repert. f. Kw. XXIX (1905), p. 408 publiziert,
die auch Thode im V. Bande, p. 528 benutzt hat. Die von ihm zusammengestellten Quellen sind nur durch jenen im
folgenden ausführlicher behandelten Brief des Vincenzo Borghini zu ergänzen, den zuerst S. Bruscoli, Nozze Taruffi-Guidi,
Per le esequie e la sepoltura di Michelangelo. Firenze XXVI. Novembre 1910, dann A. Lorenzoni publiziert hat. Carteggio
artistico inedito di D. Vincenzo Borghini. Firenze 1912, I, p. 91 ff. Vgl. Vasari ed. Bottari III, 362. Milanesi, Michelangiolo
Buonarroti, Ricordo. Firenze 1875, p. 165. Gozzini e Lasinio, Monumenti sepolcrali della Toscana. Firenze 1819. Tafel V, p. 13.
2) Varchi, Orazione funerale, p. 38. F. Moise, Santa Croce di Firenze. Firenze 1845, p. 273.

75
 
Annotationen