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Michelangelo; Steinmann, Ernst [Hrsg.]
Die Portraitdarstellungen des Michelangelo — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 3: Leipzig: Klinkhardt & Biermann, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.47056#0038
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DAS PORTRÄT
MIT HAND UND HUT VON JACOPO DEL CONTE

TAFEL 7-35.
Der vertraute Jugendfreund Bugiardini und Jacopo del Conte, das waren also nach
Vasari die Bevorzugten, die Michelangelo malen durften. Wie Jacopo del Conte zu dieser
Ehre gelangt ist, wird wohl immer ein Rätsel bleiben. Er war noch jung (geboren um 1502)
unter Paul III. nach Rom gelangt, wo er sich durch seine Malereien in der Florentiner
Nationalkirche von San Giovanni Decollato einen Namen gemacht hatte1}. Dann wurde
er wie viele andere Florentiner in Rom heimisch und war bald der gesuchteste Porträt-
maler am Tiber. Der Papst, die Kardinäle, alle Männer und Frauen von Rang und Be-
deutung ließen sich von Jacopo del Conte malen. So mag Michelangelo dem Drängen
irgendeines Freundes nachgegeben haben, dasselbe zu tun. Aber die Verbindung beider
Männer kann nicht lange gedauert haben. Ja, der Umstand, daß der Prototypus aller del
Conte-Bildnisse in der SammlungChaix d’Est-Ange unvollendet blieb, läßt sogar einen plötz-
lichen Abbruch der Beziehungen möglich erscheinen. Michelangelo hat ja mit Sebastiano
del Piombo und Guglielmo della Porta und manchem anderen Freunde die Erfahrung
machen müssen, daß Freundschaft sich in Haß und Feindschaft wandeln kann.
Wir besitzen ein einziges trauriges Dokument über die Beziehungen des Jacopo del
Conte zu seinem großen Landsmanne in Rom2). Es ist ein Brief, den Giovan Francesco
Ughi am 14. Mai 1547 aus Florenz an Michelangelo richtete: »Ich habe Euch nicht
früher geschrieben,« heißt es hier, »weil sich nichts ereignet hat, und ich würde auch
jetzt noch nicht schreiben wäre nicht Jacopo del Conte hierher gekommen mit der Frau
des Nanni di Baccio Bigio. Er sagt, er habe sie hierher gebracht, weil Nanni ganz mit
Sanct Peter beschäftigt sei, für den er gerade ein Modell mache um Eure Zeichnungen
auszustechen. Denn er sagt, daß Ihr nur noch Torheiten und Kindereien macht, daß Ihr
ungezählte Summen zum Fenster hinauswerft und daß Ihr des Nachts arbeitet, damit
Euch niemand sehe. Er sagt auch, daß Ihr ganz in die Fußtapfen eines Spaniers tretet,
weil Ihr nichts von Architektur versteht und er noch weniger als wenig. Und Nanni würde
von Euch nur deßhalb verachtet, weil Ihr alles vergeblich versucht hättet, ihn zu entfernen.
Und er sagt nicht nur dies allein sondern auch sonst noch ungezählte Dinge gegen Eure
Ehre und gegen Euren guten Ruf.... Und das schmerzt alle Eure Freunde, weil er wirk-
lich Eurer Ehre allzu nahe tritt.... Ihr habt ja selbst für Eure Ehre Sorge getragen,
und ich weiß wohl, daß man solche Dinge überhaupt nicht schreiben sollte. Aber seine
Unverschämtheit und die ehrlose Frechheit, mit der er Euch verleumdet, als habe er
nichts anderes gelernt, haben mich veranlaßt, Euch so zu schreiben.«
In dem unwürdigen Ränkespiel, das Nanni di Baccio Bigio gegen Michelangelo betrieb,
um sein Nachfolger als Architekt an St. Peter zu werden, hat Jacopo del Conte also gegen
den gefürchteten alten Löwen Partei ergriffen, der seine Gegner nicht mit Worten sondern
mit Taten Lügen strafte. Aber ist es nicht eine seltsame Fügung, daß derselbe Mann, der
Michelangelos unantastbares moralisches Bild mit schamlosen Lügen zu vernichten
1) Vasari ed. Milanesi VII, 16,31, 576. Baglione, Le vite de’ pittori, scultori, architetti ed intagliatori etc. Napoli 1733 p. 71.
2) Aus dem Archivio Buonarroti herausgegeben von Aurelio Gotti, Vita di Michelangelo Buonarroti. Firenze 1875 I P« 3°9
und 310. In der Übersetzung werden nur die Hauptsachen wiedergegeben.

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