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Michelangelo; Steinmann, Ernst [Hrsg.]
Die Portraitdarstellungen des Michelangelo — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 3: Leipzig: Klinkhardt & Biermann, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.47056#0033
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höchst merkwürdig, weil es beweist, wie Michelangelos Genius schon damals die Mitwelt
in Erstaunen setzte und seine Art zu arbeiten als niemals dagewesen empfunden wurde.
ThodeV, 541.
DAS PORTRÄT MIT DEM TURBAN VON GIULIANO BUGIARDINI
TAFEL 2-6.
Vasari, der es wissen mußte, erklärt mit dürren Worten, daß es überhaupt nur zwei
Originalbildnisse Michelangelos gegeben habe, das eine von Bugiardini, das andere von
Jacopo del Conte. Und von diesen, fügt er hinzu, sind so viele Kopien gemacht worden,
daß sie über ganz Italien und das Ausland verstreut sind1).
So flüchtig hingeworfen zuweilen die Bemerkungen des Aretiners sind, so zuverlässig
erweist er sich, genau betrachtet, in dieser einen Angabe. Wir brauchen ihm nur zu ver-
trauen, wollen wir den Ariadnefaden finden, der uns aus dem Labyrinth der in Öl ge-
malten Porträtdarstellungen Michelangelos hinausgeleiten soll.
Während Vasari nicht ein Wort darüber verliert, wie und wann das Gemälde des
Jacopo del Conte entstand, verbreitet er sich ausführlich über die Entstehungsgeschichte
des Gemäldes Bugiardinis. Giuliano Bugiardini war mit Michelangelo von Jugend auf
befreundet. Sie hatten im Garten von San Marco unter Bertoldo zusammen gemeißelt
und in Santa Maria Novella als Schüler Ghirlandajos zusammen die Freskomalerei erlernt.
Der große Buonarroti liebte diesen einfachen, harmlosen Menschen, dessen heitere Selbst-
zufriedenheit in so herbem Gegensatz stand zu seinem eigenen grübelndem Trübsinn.
Kaum war der Kontrakt gelöst, den Michelangelo mit LeoX. für die Fassade von San
Lorenzo geschlossen hatte, so trat er schon mit Giulio de’ Medici in Unterhandlungen
wegen des Baues der Sakristei von San Lorenzo und ihrer Denkmäler. Im Frühling 1521
begann Buonarroti die Arbeit an der neuen Sakristei, und damit war er auf Jahre hinaus
an seine Vaterstadt gekettet.
Damals geschah es nun, daß Ottaviano de’ Medici, dem Michelangelo einen Sohn aus
der Taufe gehoben hatte, heimlich Giuliano Bugiardini bat, die Unruhe des Meisters zu
bändigen und sein Bildnis für ihn nach dem Leben zu malen2). Zwei Stunden lang soll
Michelangelo wirklich stille gehalten haben, dem fröhlichen Geschwätz Bugiardinis
lauschend, und die Anstrengungen, die er machte, ihn zu konterfeien mit gutmütigem
Spott kritisierend. Das Gemälde wurde vollendet, und Ottaviano de’ Medici erhielt es —
wie Vasari schreibt — zusammen mit einem Porträt Clemens VII. ausgehändigt, das
Sebastiano del Piombo gemalt und Michelangelo zum Geschenk gemacht hatte, der es
an seinen Gevatter weitergab. Dies geschah im Frühjahr 15 p, wie wir aus einem Briefe
entnehmen können, den Sebastiano damals an Michelangelo richtete3).
Das Bildnis Bugiardinis ist also in Florenz gemalt worden, und zwar im Laufe der
zwanziger Jahre des Cinquecento, als Michelangelo noch in voller Kraft des Lebens mit
starken Hammerschlägen die Medici-Denkmäler meißelte. Das Gemälde gelangte in den
Besitz des Ottaviano de’ Medici, der unter seinen vielen Kunstschätzen auch eine Venus
1) Ed. Milanesi VII, 258.
2) Vasari ed. Milanesi VI, 206. Vgl. Gaetano Guasti, II ritratto migliore e autentico di M. Buonarroti. Firenze 1893
p. X. ff. und p. XXXIV. Vasari ed. Frey p. 373 Nr. 115.
3) Gaetano Guasti a. a. O. p. XXVI. Vasari ed. Frey p. 355 Nr. 87.

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