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Michelangelo; Steinmann, Ernst [Hrsg.]
Die Portraitdarstellungen des Michelangelo — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 3: Leipzig: Klinkhardt & Biermann, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.47056#0087
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DAS LEICHENBEGÄNGNIS IN SAN LORENZO
(TAFEL 72-74)
Am Abend des 14. Juli 1564 berichtete Vasari aus Florenz an den Herzog Cosimo
in Cafaggiolo über das Leichenbegängnis Michelangelo in San Lorenzo wie folgt1*:
Illustrissimo et Eccellentissimo Signor mio!
Heute morgen als am 14. gegenwärtigen Monats wurden die Esequien des göttlichen
Michelagnolo Buonarroti zur höchsten Genugtuung der ganzen Bevölkerung hier gefeiert.
San Lorenzo war bis auf den letzten Platz angefüllt mit Personen von Rang, mit vor-
nehmen Frauen und mit ungezählten Fremden. Es war eine wunderbare Sache! Und
alles ist mit größter Ruhe und in bester Ordnung vor sich gegangen, weil an den Türen
die Diener der Acht und in der Kirche die Mannschaft des Bargello aufgestellt waren.
Die Leibgarde des Kapitäns der Lanzen aber bewachte den Katafalk und trug Sorge dafür,
daß die Doktoren, die Ruota und die Akademie der Wissenschaften ihre Plätze erhielten
und ebenso alle Bürger. Diese letztere ließ es sich auch angelegen sein, daß die ganze
Akademie der Künste und die Zeichenschule je nach Rang und Würden besondere
Plätze erhielt, indem sie in der Mitte gegenüber der Kanzel dem Herrn Luogotenente
seinen Platz anwies, umgeben von den Konsuln und den drei Ehrendeputierten Bronzino,
Giorgio Vasari und Bartolomeo Ammannati. Benvenuto hat nicht kommen wollen und
auch San Gallo nicht, und darüber hat man sich allgemein aufgehalten. Besondere Rück-
sicht wurde außerdem auf die Verwandtschaft Michelangelos genommen, indem man
Lionardo Buonarroti seinen Platz neben dem Luogotenente anwies. Und diese Achtung
vor der Größe des Greises hat allen gefallen. Alles in allem, die ganze Akademie hatte
den Luogotenente in die Mitte genommen, und die ganze Zeichenschule saß davor auf
anderen Bänken. Und zu Füßen der Akademie saßen etwa noch fünfundzwanzig Knaben,
die alle zeichnen lernen, und einige sind sehr tüchtig unter ihnen. Und etwa achtzig Maler
und Bildhauer so beieinander zu sehn, hat heute Morgen alle mit Staunen und Be-
wunderung erfüllt. Man glaubte, zu keiner Zeit sei die Kunst jemals so glänzend und
zahlreich unter uns vertreten gewesen.
Der Katafalk ist so herrlich ausgefallen, daß seine Größe, ja seine Majestät nicht
auszudrücken ist. Wie gut wirken diese Statuen an ihrem Platz! Wie glücklich ist jeder
dieser jungen Künstler über die gelungene Leistung! Denn weil diese Statuen weiß sind,
wirken sie wie Marmor und scheinen größer und vollkommener und gefallen so allgemein,
daß man nur beklagt, daß alles dies wieder verschwinden müsse und nicht für die Ewig-
keit geschaffen sei.
Die sieben Historien aber, die den Katafalk schmücken und in Chiaroscuro gemalt
sind, zusammen mit dem Epitaph, das den Ruhm Michelangelos verherrlicht, diese sieben
Historien scheinen nicht weniger gelungen als die Statuen. Über dem Ganzen aber er-
hebt sich jene Pyramide mit der Kugel, auf welcher die Fama schwebt. Und diese bläst
zu gleicher Zeit in drei Trompeten und hat drei Kränze in der Hand . . .
1) Gaye, Carteggio inedito d’artisti III, 139—142. Der Brief ist hier mit einigen Kürzungen fast wörtlich übersetzt
worden. Ausführlicher noch als in diesem Briefe hat Vasari die Esequien Michelangelos im Leben des Meisters beschrieben
ed. Milanesi VII, 296 ff. und 315. Anm. 2. Nach dieser Beschreibung Vasaris hat Thode neuerdings (V, 517—524) über
die Leichenfeier in San Lorenzo ausführlich gehandelt. Vgl. auch Gotti I, 363 ff. und vor allem Dom. Moreni, Pompe
funebri celebrate nella basilica di San Lorenzo dal sec. XIII a tutto il regno mediceo. Firenze 1827, p. 79 ff. Ein neues
Dokument, die Bitte der Akademie an Herzog Cosimo, das Andenken Michelangelos durch ein feierliches Funerale ehren
zu dürfen, hat A. Lorenzoni, Carteggio artistico inedito di D. Vinc. Borghini. Firenze 1912, p. 8 abgedruckt.

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