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Michelangelo; Steinmann, Ernst [Hrsg.]
Die Portraitdarstellungen des Michelangelo — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 3: Leipzig: Klinkhardt & Biermann, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.47056#0088
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Der Aufbau, der rings herum in der Kirche war, bestand hinten und im Querschiff
aus vier Historien: auf der ersten sieht man alle Flüsse der drei Weltteile, die herbei-
gekommen sind, mit dem Arno den Tod eines solchen Mannes zu beklagen; auf der
zweiten sieht man Michelangelos Ankunft in der besseren Welt, wo er alle Bildhauer,
Maler und Architekten des Altertums beisammen findet und wo auch unsere Künstler
von Cimabue bis auf heute ihn empfangen: tutti l’amirano et tutti honor gli fanno; auf
der dritten sieht man alle Jünglinge und Knaben, die der Kunst beflissen sind, wie sie
Michelangelo in ihrer Mitte haben und jeder ihm seine Arbeiten zeigt — Bildwerke und
Gemälde — um von ihm zu lernen; auf der vierten endlich sieht man Michelangelo, wie
er unserem Prinzen in Rom seine Aufwartung macht, und Seine Herrlichkeit heißen ihn
Platz nehmen und bleiben selber stehn voller Ehrfurcht vor dem Alter und der Größe
dieses Mannes.
In den beiden Seitenschiffen der Kirche waren zwei große Historien auf jeder Seite
angebracht. In der ersten sieht man Papst Julius II., vor dem Michelangelo als Gesandter
erscheint, weil der Papst zornig auf ihn war; gegenüber ist Papst Julius III. dargestellt,
wie er seine Vigna anlegen läßt und wie Michelangelo erscheint und wie seine Heiligkeit
ihn zu sich niedersitzen heißt, obwohl alle Kardinäle stehen. In der dritten Historie
sieht man Michelangelo in Venedig, und die Signoria schickt ihm Abgesandte und läßt
ihm große Versprechungen machen. In der vierten endlich ist dargestellt, wie Ew. Herr-
lichkeit Michelangelo in Rom empfangen, ihn neben sich sitzen heißen und sich mit ihm
unterreden. Alle diese Historien aber sind in einer Weise ausgeführt, daß man sagen
kann, daß sich die Künstler selbst übertroffen haben.
Zwischen diesen Gemälden sieht man dann ferner in der ganzen Kirche die Allegorie
eines Todes, der eine Lilie mit drei Blüten abgebrochen hat. Und diese drei Blüten
sollen die drei Künste darstellen. Und der Tod ist traurig, daß er nicht anders handeln
konnte, gemäß den Gesetzen der Natur. Und mit dieser Allegorie wechseln Bilder der
Ewigkeit ab, die den Tod überwunden hat. Endlich sieht man überall eine Imprese
mit drei Guirlanden angebracht. Drei einfache Kreise nämlich sind Michelangelos Merk-
zeichen und deuten an, daß in ihm drei Künste ihre Vollendung gefunden haben.
Was soll ich endlich noch von der Musik, der feierlichen Messe mit Gesang und Orgel
und von der Rede sagen, die Messer Benedetto Varchi mit Würde und Beredsamkeit
vorgetragen hat? Da Ew. Herrlichkeit sie selbst gehört haben, erübrigt es sich, davon
zu reden. Nur das sei wiederholt, daß diese Feier zum Erstaunen aller nicht nur den
Ruhm Michelangelos noch ruhmreicher gemacht hat, sondern auch in den Lebenden
noch eine Sehnsucht erweckt hat, ähnliches Lob und gleiche Ehren zu verdienen . . .
Von allen diesem aber wird nichts angetastet werden bis zur glücklichen Heimkehr
Ew. Herrlichkeit, damit Euch alle Möglichkeit geboten sei, mit eigenen Augen zu sehn,
was ich beschrieben habe.«
Das Leichenbegängnis Michelangelos in San Lorenzo in Florenz steht in der Tat in
der neueren Kunstgeschichte als eine einzigartige Manifestation, als eine niemals wieder
übertroffene Ehrung menschlicher Größe und schöpferischer Gestaltungskraft da. Nicht
nur alle Chroniken der Zeit gedenken dieses Ereignisses1}. Es hat auch sofort selbst-
ständige Denkmäler der Geschichte wie der Poesie geschaffen. Noch im Todesjahre
Michelangelos erschien bei Jacopo Giunti in Florenz eine ausführliche Beschreibung der
i) Vgl. Condivi ed. Gori p. XIV.

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