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Michelangelo; Steinmann, Ernst [Hrsg.]
Die Portraitdarstellungen des Michelangelo — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 3: Leipzig: Klinkhardt & Biermann, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.47056#0042
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Augen hier und dort nicht auf denselben Punkt gerichtet. Ist nicht auch die Bildung der
hohen Stirn dieselbe und ist für beide Köpfe die Behandlung des kurzen, krausen, un-
ordentlichen Haares nicht besonders charakteristisch?
Man kann sich die Entstehungsgeschichte des Porträts der Sammlung Chaix d’Est-Ange
etwa wie folgt vorstellen: Während seiner Arbeiten in San Giovanni Decollato mußte
Jacopo del Conte jedenfalls auch mit Michelangelo in Berührung kommen, der als
Künstler, als Florentiner und als Mitglied der Bruderschaft bei der Vergebung der Fresken
vielleicht ein Wort mitzusprechen hatte. In seiner Verkündigung des Zacharias brachte
er nicht nur ein Jugend werk des großen Buonarroti an, sondern auch das Porträt des
Meisters. Als dann Jacopo del Conte seine Kunst als Porträtmaler in Rom voll entwickelt
hatte, mögen Alessandro Farnese oder Tommaso Cavalieri Michelangelo bestimmt haben,
dem Landsmanne einige Sitzungen zu gewähren. Aber das Porträt blieb unvollendet, und
dieser Umstand läßt auf einen plötzlichen Bruch zwischen Michelangelo und Jacopo del
Conte schließen. Wie tief dies Zerwürfnis gewesen sein muß, sehn wir noch nach Jahren
in dem Schreiben des Giovanfrancesco Ughi aus Florenz. Das Gemälde aber gelangte auf
die eine oder die andere Weise in die erlesene Sammlung des Fulvio Orsini und blieb auch
nach seinem Tode im Palazzo Farnese, bis es mit der Erbschaft der Bourbonen nach Neapel
überführt wurde1}. Hier wäre es dann — wenn alle Annahmen zutreffend sind — im Anfang
des vorigen Jahrhunderts von dem Französischen Sammler Alquier erworben worden.
Obwohl unvollendet, ist dies Gemälde doch als Original unzähliger Kopien anzusehen,
die in allen Teilen sorgfältig ausgeführt und oft von namhaften Künstlern gemalt, im
Laufe der Jahrhunderte dann den Ausspruch erhoben, selbst als Originale zu gelten. Man
sieht also auch hier die Angabe Vasaris bestätigt, der selbst Kopien überall in Italien ge-
sehen hatte.
Das Porträt der Sammlung Chaix D’Est-Ange2) ist gestochen worden:
1. Von J. L. Potrelle: dedie ä Son Excellence M. le baron d’Alquier etc. Mit den Be-
merkungen: Michel-Ange pinx1- und Le tableau original est du Cabinet de son Excellence.
Plattengröße: 38x30cm. M. du Teil nennt als Entstehungsjahr 1812.
2. Von Alph. Frangois mit den Bemerkungen Michel-Ange pinx1- und Le tableau
original appartient ä Mr- Chaix D’Est-Ange3\
Plattengröße 40x32cm. M.du Teil nennt als Entstehungsjahr 1846.
3. Im umgekehrten Sinne in den Etudes variees pour le Dessin Nr. 32 mit der Bemer-
kung rechts: Grave sous la direction de Bertrand, links: D’apres son portrait peint par
lui meme.
Plattengröße: 40x30 cm.
4. Im umgekehrten Sinne. Anonymer deutscher Stich, zum Teil in Radierung vor aller
Schrift.
Plattengröße: 18x18 cm.
1) Wenn diese Entstehungsgeschichte auch rein hypothetisch ist, so kann sie doch für neue Untersuchungen den Weg
weisen. Ein Auszug aus dem Testament des Kardinals Alessandro Farnese ist abgedruckt in den Documenti inediti per servire
alla storia dei musei d’Italia. Firenze-Roma 1880. Vol. IV, 397 u. 398. Zur Überführung der Farnese-Sammlungen von
Rom nach Neapel am Ausgang des achtzehnten Jahrhunderts vgl. P. G. Hübner, Le Statue di Roma. Leipzig 1912. I, 97.
2) Auch das Porträt, welches der Russe Micheli Gelesnow seiner Übersetzung des Condivi vorangestellt hat, ist nach
dem Gemälde Chaix d’Est-Ange gezeichnet und gestochen worden. (Passerini a. a. O. p. 317 unter G.)
3) Eine Photographie nach diesem Stich gibt Ch. Ch. Black als Frontespiece seiner Michelangelo-Monografie, die 1875
in London erschien.

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