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des 15. Jahrhunderts, die an diesen beiden Bauten eigentlich beinahe allein
vorhanden sind, von uns weiter nachgemacht werden. Herr Baurat Wächter
hat selbst in seinen einleitenden Worten betont, daß diese Formen äußerst
zierlich und zart sind und dadurch besonders von der Atmosphäre angegriffen
werden* Ja, meine Herren, wir können doch die Luft in unseren Städten
nicht mehr anders machen; die Industrie ist da, und mit ihr die Einwirkung
der Kohlendämpfe, der schwefligen Säure. Wir können doch nicht mehr
alles mit Holz heizen, wie vor Hunderten von Jahren. Diese Angriffe der
Luft werden dauernd weiter da sein. Wir können also diese Bauten auch
nicht mehr mit Formen neu bilden, die diesen Angriffen eigentlich keinen
Widerstand entgegensetzen. Wir müssen darum, auch wenn der Charakter
des ganzen Bauwerkes nicht im wesentlichen angegriffen werden soll, darauf
sehen, daß wir Formen schaffen, die eben diesen Angriffen möglichst Wider-
stand leisten. Und darum können wir nicht historische Formen anwenden.
Aber dies ist nur die eine technische Begründung. Die künstlerische Be-
gründung brauche ich nach dem, was ich gestern gesagt habe, gar nicht
wiederzugeben. Es kann hier nur Aufgabe der Denkmalpflege sein, den
richtigen Weg und den richtigen Takt zu finden, das Alte mit dem Neuen
zu verbinden aus künstlerischen und technischen Gründen. Wenn die
Aufsicht in so trefflichen Händen ist, wie wir sie in Ulm wissen, kann uns
dafür nicht bange sein. Es muß nur die Einsicht und das allgemeine Ver-
ständnis dazu kommen, daß man nicht historisch-sklavisch weiter renovieren
darf. Alles andere wird dann von selbst gut werden. (Lebhafter Beifall.)

Professor Dr. Sauer-Freiburg i. B.: Die Äußerungen, die wir soeben
von Herrn Professor Fiechter gehört haben, sind im ganzen wesentlich
abgemildert gegenüber dem, was er uns gestern abend vorgetragen hat.
Ich glaube, wir sollten aber gerade doch noch zu seiner gestern abend ge-
haltenen Bede Stellung nehmen. Der Umstand, daß uns am Begrüßungs-
abend ein derartiger Vortrag ohne Möglichkeiten einer Diskussion gehalten
worden ist, nötigt uns eigentlich dazu, damit nicht der Verdacht aufkommt,
daß sich der Denkmalpflegetag mit den darin entwickelten Grundsätzen
vollständig identifiziere. Wenn das der Fall wäre, so würde dies eigentlich
eine Bankerotteiklärung der Denkmalpflege bedeuten. (Bravo!) Darüber
wollen wir uns doch keinen Augenblick einem Zweifel hingeben. Die Grund-
sätze, die Professor Fiechter da entwickelt hat, sind ja zum Teil außer-
ordentlich interessant gewesen, und es ist durchaus anzuerkennen, daß ei-
tlen Mut hatte, sie hier dem Denkmalpflegetag auch rückhaltslos vorzutragen.
Die Äußerungen sind ja an sich nicht neu; wir haben auf Denkmalstagen
schon vor zehn und noch mehr Jahren Ähnliches vernommen, nämlich über
die Auseinandersetzung zwischen der neu schaffenden Kunst und der Pach-
tung, die unsere althistorischen Denkmäler pietätvoll als solche erhalten
will. Wir haben aber in den letzten Jahren im allgemeinen einen Burg-
frieden darüber erzielt. Was uns nun gestern vorgetragen worden ist, das
war ein interessantes Zusammenfügen von teilweise durchaus richtigen
Grundsätzen, aber von ebenso unrichtigen und zum Teil widerspruchs-
vollen Vorschlägen. (Sehr richtig!) Das Ganze lief darauf hinaus: alles,
was uns aus der Vorzeit vererbt ist, ist dem Schicksal alles Gewordenen
unterworfen, und daran ist nichts zu ändern; sie müssen verfallen, und da
 
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