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bildung zu suchen ist. Die „Heimatschönheit“ umfaßt das ganze Land-
schaftsbild mit allem, was darin ist, mit den ruhigen Winkeln und Stim-
mungen in Feld und Wald, in denen die Jugend ihre Kraft und innerliche
Eiholung, in denen das Alter seine Erinnerung wieder findet, in denen der
Maler genießt. Solche Schönheit schafft von Kindheit an den Heimatstolz
und in der Ferne das Heimweh, je mehr man ihr ans Herz greift, desto mehr
auch diesen Gefühlen.

In solchen Werten und in solchen Worten sind schon die Forderungen
ausgedrückt, welchen sich die einzelnen Menschenwerke unterwerfen müssen,
wenn auch sie für sich das Recht in Anspruch nehmen wollen, diese Stim-
mungen nicht zu zerstören. Kunstbauten früherer Zeiten, die wir so oft
rühmen, zeigen uns, gleichviel, ob sie der reinen Baukunst oder der Ingenieur-
baukunst angehören, Vorbildliches in dieser Richtung nicht etwa deshalb,
weil in allen nach ihrer äußeren Haltung Vorzügliches geleistet wäre, wohl
aber darum, weil sich in der Färbung um sie der glättende Schmelz von
Jahrhunderten gelegt hat, der sie mit dem freundlich patinierenden Wetter-
mantel der Zeiten taktvoll verhüllte und sie damit der Natur gefällig machte.
Es war die Kraft der Natur, die Menschenwerke sich einzuordnen. Darin
liegt nicht nur der Reiz vieler alter Ingenieurbauwerke allein, sondern auch
der Baudenkmäler allgemein, nicht aber in ihren Formen allein. Je mehr
über sie die Wolken der Zeit ziehen und sie mit ihrer Patina bedecken, desto
mehr und inniger sprechen sie zu uns.

Aus dieser kurzen Kennzeichnung der Natur ergeben sich von selbst
die Folgerungen für das, was die Menschenhand in ihr schaffen muß.

I. Die Bauwerke der Wasserwege und Wasserkraftanlagen treten in
viel unmittelbareren Zusammenhang mit der freien Natur, als sonstige
Bauten; sie haben darum der Eigenart der Natur vollkommen gerecht zu
werden, dabei aber doch „ihre“ Eigenart und ihren Zweck zum Ausdruck
zu bringen. Die große Fläche der Natur, die Kleinliches nicht kennt, er-
fordert einen großen Zug der Anlage, gleichviel, ob es sich um einen Fluß-
lauf, Kanal, um Hebewerk, Staumauer, Wasserturm, Transformatorenhaus,
Leitung oder anderes handelt. Die Linienführung der Natur verlangt An-
passung an diese und darum Anschluß harter und widerspruchsvoller Linien,
Anschluß der reinen Diagonalen und des Kleinlichen, das die Natur nicht
kennt, dagegen großflächige und schlichte Baukörper, die dem Linienzug
der Natur folgen. Kleinigkeiten und Kleinlichkeiten in der Auffassung
stellen Gegensätze zur Natur dar und stören. Gitter, Brücken, Schützen,
Masten mit ausgesprochenem Diagonal-Stabwerk oder mit nicht sorgfältig
abgewogenen hartgeschnittenen Linien stören, und zwar um so mehr, je
mehr sie nach Lage und formaler Erscheinung wertvolle Nah- oder Fern-
blicke in die Landschaft verschneiden. Rein flächenhaft gehaltene Stau-
mauern sind vielgeteilten überlegen, in der Grundlinie oder Höhenlinie
sanft geschwungene Staumauern und Ufermauern solchen mit harten Kan-
tenlinien, großzügig und rein flächenhaft gehaltene Schützen solchen mit
stark in Erscheinung tretenden Vei stärkungsteilen, eine gemauerte Kanal-
leitung, die sich bis zum Wasserschloß verdeckt den Höhenlinien der Hänge
anschließt, einer davon abweichenden geradlinig gebetteten. Dieser Grund-
satz läßt sich leider für Druckrohrleitungen, die vom Berg herab das Wasser
zu den Turbinen schicken, nicht mehr aufrechterhalten, denn diese müssen
 
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