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Strzygowski, Josef; Strzygowski, Josef [Hrsg.]
Die Baukunst der Armenier und Europa: Ergebnisse einer vom Kunsthistorischen Institute der Universität Wien 1913 durchgeführten Forschungsreise (Band 2) — Wien: Kunstverl. Schroll, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.47011#0135

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INHALT

S§5
unterdrückte. Dann aber, weil das Land selbst von Fremdvölkern unterjocht wurde und einer
nationalen Verelendung anheimfiel, wie wir sie ähnlich auch auf dem Balkan beobachten können.
Mit Flächenschmuck ohne großzügige Empfindung für das Bauganze läßt sich kein Vorwärtsgehen
erzielen.
Vor dem Eintritte der Verfallszeit treten noch im io. Jahrhundert zwei Meister auf, deren er-
haltene Werke ihre gegensätzliche Richtung zu erfassen gestatten. Ich betrachte sie im Zusammen-
hänge mit der Frage nach dem armenischen Künstler.

2. Der Künstler.
Die Frage nach dem Künstler wird von der auf den Orient gerichteten Forschung vernach-
lässigt, kaum Anthemios und Isidoros, den Schöpfern der Sophia, schenkt man Beachtung. Ich habe
mich »Mschatta«, Seite 363 f., bemüht, dem Schöpfer dieses Schlosses beizukommen, fand aber den
Boden lediglich durch Sagen vorbereitet, die zum guten Teil schon Josef von Hammer in seinem
persischen romantischen Gedichte »Schirin«, 1809, verwertet und in den Anmerkungen behandelt hat.
Mani, Ferhad, Sinimmar haben noch keinen Kunstforscher monographisch beschäftigt. Vielleicht läßt
sich solchen Fragen jetzt von der armenischen Seite aus näher treten. Daß in Armenien nicht nur
die breite Masse sich vorwärts schob, sondern Einzelpersönlichkeiten an den bedeutungsvollen Punkten
den Fortschritt bedingen, bezeugt der eine vor dem Jahr 1000 als führender Meister genannte
Trdat. Aber hat es solche Meister nicht auch in der eigentlich altchristlichen Zeit gegeben?
Man wird keinen Künstler erwarten, der ein einmal und einzig Erlebtes gibt. Vielmehr fügt
sich die Einzelpersönlichkeit in Armenien wohl ganz dem herrschenden geistigen Zustand ein, erlebt
die religiösen Stimmungen wie jeder andere Christ. Aber in diesem Rahmen hat man doch deutlich
den Eindruck neu auftauchender Versuche, des Festhaltens einzelner Lösungen (Dreieckschlitz) und
des Fallenlassens anderer (Nischen in den Diagonalen). Eine Leistung wie die des Apollodoros in
Rom oder des Anthemios und Isidoros in der Sophia ist schon wegen des feudalen Grundzuges
bzw. der Unmöglichkeit des Auftretens einer überragenden Bestellerpersönlichkeit wie des Hadrian
oder Justinian in Armenien ausgeschlossen. Ein Ausspruch wie der des letzteren bei Eröffnung der
Sophia, 537, »Ehre sei Gott, der mich gewürdigt hat, solch ein Werk zu vollbringen; ich habe Dich
übertroffen, o Salomon!«1) konnte in Armenien kaum jemals fallen. Auch hören wir nie von der
Tätigkeit eines fremden Baumeisters auf armenischem Boden wie in Rom und Byzanz
Da keine Namen erhalten sind, könnte man irre werden an der Vorstellung, die da einen
Künstler als Schöpfer annimmt, wo ein neuer Baugedanke zur Wirklichkeit wird. Waren das keine
Bahnbrecher, die das iranische Kuppelquadrat durch die Konchenverstrebung fähig machten als
Gemeindehaus, d. h. trotz des Anwachsens der Grössenverhältnisse, für sich allein zu stehen? Oder
jene Künstler, die in der Art der Baumeister von St. Peter alle Möglichkeiten der strahlenförmigen
Raumanordnung um eine Mittelkuppel versuchten und schließlich wie später Vignola auch den Aus-
gleich mit der Längsrichtung fanden? Oder waren es keine Meister, die den Giebel mit dem Drei-
eckschlitz zusammenbrachten, dann die Verkleidung mit Blendbogen u. dgl. selbständig oder vom
Ausland einführten, ähnlich, wie ich annehme, daß die neulich für Byzanz entdeckten Eulalios, der
große Chenaros und der berühmte Chartoularis, die Fürsten der Maler, nichts anderes taten, als
daß sie den Zyklus der Theologenschulen von Edessa und Nisibis nach Konstantinopel übertrugen2).
Nerses Schinogh muß eine bedeutende künstlerische Persönlichkeit an der Seite gehabt haben.
Warum kommt der Name der großen Bahnbrecher weder in Inschriften noch bei den Historikern
jemals vor? Ob dieses Totschweigen mit der gesellschaftlichen Stellung des Baumeisters zusammen-
hängt und diese sich erst in der Bagratidenzeit gehoben hat? Und gerade die Meister der altchrist-
lichen Zeit wären doppelt wichtig, weil sie nach der Gesinnung des Ostens auch für die Spätzeit
und für diese erst recht von Bedeutung blieben insofern, als die bahnbrechenden Schöpfungen der
Urzeit für kanonisch angesehen und nachgeahmt wurden, im selben Sinne wie man alte Handschriften
’) Cedren, I, 651. Vgl. Unger, Allg. Enyclopädie, I. Sekt., LXXIV, S. 317.
2) Vgl. Heisenberg, »Xenia der Universität Athen«, S. 124, dazu Bees, Repertorium für Kunstwissenschaft, 1917/18.
Strzygowski, Kuppelbau der Armenier. 38
 
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