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Strzygowski, Josef; Strzygowski, Josef [Hrsg.]
Die Baukunst der Armenier und Europa: Ergebnisse einer vom Kunsthistorischen Institute der Universität Wien 1913 durchgeführten Forschungsreise (Band 2) — Wien: Kunstverl. Schroll, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.47011#0307

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WANDERUNG DER ARMENISCHEN BAUFORM NACH EUROPA

757

I. Strahlenförmige Kuppelbauten (S. 72 f.).
Ich scheide, wie gesagt, in der Vorführung der Ausbreitung des armenischen Kuppelbaues zeitlich und
in gewissem Sinne auch örtlich zwei Gruppen, den strahlenförmigen und den längsgerichtetenKuppelbau,
und füge bei dieser Trennung den längsgerichteten Tonnenbau des abendländischen Mittelalters, das
»Romanische« u. »Gotische«, wie wir uns gewöhnlich ausdrücken, dazwischen ein. Der sehr einschneidende
Unterschied in der Ausbreitung ist der, daß die Kuppel in altchristlicher Zeit nur von Byzanz in breit
herrschender Schicht übernommen worden ist, das Abendland dagegen bis zum Eintritt der italieni-
schen Renaissance nur vereinzelte Spuren von Kuppelbauten armenischer Art aufweist. Orthodoxe
Kirche und Renaissance freilich führen die armenische Bauform, wie sie ursprünglich war, d. h. ohne
Längsrichtung und Empore um so entschiedener, teils in Einzelfällen, teils in breiter Schicht ein.
Der strahlenförmige Kuppelbau ist im Abendlande nicht unbekannt. Ich erinnere an die »Minerva
medica« genannte Trümmerstätte in Rom, an S. Vitale in Ravenna, an S. Lorenzo in Mailand, an
Germigny-des-Prös bei Orleans und schließlich an Bramantes Petersdom, den ich aber in diesem
Abschnitte noch nicht in Betracht ziehe. Alle diese Bauwerke sind versprengte Ausläufer einer
einzigen großen Entwicklung. Zu einer Übertragung der armenischen Kunst in breiter Schicht kam
es vor der Renaissance nicht. Das ganze »Mittelalter« hindurch setzte sich die Kuppel im Abend-
lande nur vereinzelt gegen die Basilika durch, nie gelang es ihr, wie der Basilika in Armenien,
eine Vereinigung von Basilika und Kuppel, wenigstens nicht mit einer einzigen richtigen Kuppel
über dem Quadrat und ohne Dreischiffigkeit, durchzusetzen. Das blieb erst Vignola vorbehalten.
Ich gehe nun die einzelnen Arten der Gattung des strahlenförmigen Kuppelbaues durch.

1. Kuppelquadrate mit Strebenischen (S. 74 f. und 464 f.).

Das Konchenquadrat ist auffallend selten nach dem Westen vorgedrungen, vielleicht, weil es in
Armenien zu einer Zeit, im 4. Jahrhundert, herrschte, in der ein Verkehr armenischer Kunst mit Byzanz
und dem christlichen Abendlande noch kaum angebahnt war. Trotzdem sind auch für die Ausbreitung
dieser rein armenischen Bauform einzelne Belege nachweisbar, später sogar einmal in breiter Schicht.
 
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