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Strzygowski, Josef; Strzygowski, Josef [Hrsg.]
Die Baukunst der Armenier und Europa: Ergebnisse einer vom Kunsthistorischen Institute der Universität Wien 1913 durchgeführten Forschungsreise (Band 2) — Wien: Kunstverl. Schroll, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.47011#0156

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6o6

DRITTES BUCH: GESCHICHTE

I.DieNatur des Landes als Voraussetzung
seiner künstlerischen Entwicklung1).
Von Heinrich Glück.
Wie das armenische Volk mit seiner unter dem
segensreichen Einflüsse des Christentums schon so
früh erlangten höheren Ausbildung überhaupt zu den
wichtigsten Erscheinungen in der Weltgeschichte
gehört, so ist auch seine ganze Geschichte, so sind
die vielfachen Schicksale, die es erlebt, ja, der
ganze Verlauf seiner eigentümlichen geistigen Ent-
wicklung um so merkwürdiger und lehrreicher, als
sie notwendige Folgen der Weitsteilung wie der
physikalischen Natur der Länder sind, welche die
Heimat dieses Volkes seit der Mythezeit unserer
Geschichte begreifen.
H. Abicli, »Aus kaukasischen Ländern« 1896, I, S. 176.
Durch das Vorhandensein oder Fehlen von Meeren, Wasserläufen und Gebirgen und die daraus
folgenden geographischen und klimatischen Grenzen werden auf der Oberfläche der Erde Einheiten
geschaffen, denen sich das Menschengeschlecht anpaßt und deren Gültigkeit keine willkürlichen
politischen Grenzen beseitigen können.
Innerhalb der großen Hochlandzone, die von den Küsten des Ägäischen Meeres bis zum Pamir
als ein ununterbrochener Gürtel streift, ist das armenische Plateau schon durch seine größere Höhe
(absolut ca. 1500—2000 m) als ein selbständiges Glied ausgezeichnet. Der relative Höhenunterschied
von ca. 500—1000 m gegen die anschließenden Hochlandgebiete Kleinasiens und Persiens hebt diese
höchste Massenerhebung von Vorderasien wie eine Insel heraus und ist die erste Grundlage für
ein selbständiges Leben, das bei der Steilheit der Plateauränder nur um so abgeschlossener in
Erscheinung treten muß. Im Norden und Nordosten bilden hohe Randgebirge die Grenze gegen
die beiden Flußebenen des Kur und des Rion, die längs der kaukasischen Kette das Schwarze
und das Kaspische Meer verbinden und einen breiten Einschnitt bedeuten, dessen Überschreiten
dem vom Kaukasus kommenden Reisenden einen Wechsel in der Landschaft erleben läßt, wie er
schärfer kaum zum Ausdrucke kommen kann. Im Osten bildet die Ebene des Araxesunterlaufs den
Kontrast zu den hohen Randgebirgen. Längs des Mittellaufes dieses Flusses schneidet die Ebene
in einem breiten Keile von Südosten her in die Hochlandmasse ein und dringt bei Eriwan und
Edschmiatsin bis an dessen Rand vor. Im Süden ist die Tauruskette die Schranke gegen das Berg-
land, das zur mesopotamischen Ebene überleitet. Nur im Westen ist die Grenze weniger scharf.
Lynch2) — danach die Umgrenzung auf der Denkmälerkarte (Abb. 5) — läßt sie dem Oberlauf des
Euphrat nach Norden folgen bis zu dessen Knie bei Pingan; dann in einem Bogen gegen Westen
bis Olti, sodann nördlich über das Quellgebiet des Kur bis zum Abfall gegen die Ebene von Kutais.
Wenn auch diese Linie im Westen keine so scharfe Grenze abgibt wie im Norden, Süden und
Osten, so findet sie doch in dem geographisch-physikalischen Bilde ihre Berechtigung und scheidet
vor allem im Nordwesten das Randgebirge gegen das Schwarze Meer als ein Gebiet aus, das
klimatisch und hydrographisch an dem Hochland keinen Anteil hat.
Durch diese Abgrenzung haben wir ein durch die natürlichen Voraussetzungen ziemlich ab-
geschlossenes Kerngebiet vor uns, das nur im Westen als eine Fortsetzung des kleinasiatischen
Hochplateaus gelten kann. Wenn dieses Gebiet auch in der Gesamtgeographie Asiens eine Art
Knotenpunkt bildet, so daß sich hier die Naturtatsachen der umliegenden Länder vereinigen (siehe
Lynch, »Armenia« I, 428), so muß ihm doch ein eigener einheitlicher Charakter zuerkannt werden.
x) Siehe Denkmälerkarte, Abb. 5.
a) »Armenia«, Travels and studies I, 452.
 
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