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Strzygowski, Josef; Strzygowski, Josef [Hrsg.]
Die Baukunst der Armenier und Europa: Ergebnisse einer vom Kunsthistorischen Institute der Universität Wien 1913 durchgeführten Forschungsreise (Band 2) — Wien: Kunstverl. Schroll, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.47011#0229

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DER SIEG DES NATIONALER

VI. Der Sieg des Nationalen.
(7. Jahrhundert.)
Im allgemeinen kann vielleicht gelten, daß die Konchenquadrate und reinen Konchenbauten
im 4. Jahrhundert vorherrschen, die tonnengewölbten Längsbauten im 5. daneben traten und mit
dem Ende des 6. und im 7. Jahrhundert die Kuppel sich dann allgemein auch in den von Griechen
und Syrern übernommenen Längsbauten durchsetzte Wohlgemerkt, das ist Annahme! Aus dem 4.
und 5. Jahrhundert ist überhaupt vorläufig kaum ein Bau rein erhalten, aus dem 6. Jahrhundert einige
wenige. Breite Schichten liegen erst aus dem 7. Jahrhunderte vor und da gleich alle Gattungen
nebeneinander. Wir mußten, also die Kunstgeschichte, von den Denkmälern und den Nachrichten der
armenischen Geschichtsquellen zurückschließend, wieder zu finden suchen und bauen bei unseren
Annahmen darauf, daß im 4. Jahrhundert zunächst das höfisch-staatliche Loslösen von dem sasanidi-
schen Persien im arsakidischen Fahrwasser die treibende Kraft war, im 5. und 6. Jahrhundert dagegen
schon die Kirche führend obenan stand. Damals lehnte sie sich mit Vorliebe an die ihr inzwischen
über den Kopf gewachsenen christlichen Hochkulturen im nordmesopotamischen Städtedreieck und
im byzantinischen Kleinasien. Seit aber mit dem Jahre 571 Armenien auf Jahrhunderte hinaus
wieder als Puffer zwischen die kriegerischen Verwicklungen von Byzanz und Persien geriet und
die alten Reichsteilungen, die die ruhige Entwicklung einer kirchlichen Kultur ermöglicht hatten,
über den Haufen geworfen wurden, traten die nationalen Teilfürsten wieder leitend in den Vorder-
grund. Die Kirchenbauten, die die Bischöfe nach syrischem und kleinasiatischem Muster erbaut
hatten, wurden in ihrer fremdländischen Gestalt wieder zurückgedrängt durch die schon im 4. Jahr-
hundert entwickelte nationale Art des Kuppelbaues, der von da an ausschließlich herrschend blieb.
Die Stärkung des Nationalgefühls durch die neuen Kämpfe erklärt aber noch nicht die — nach
den erhaltenen zahlreichen Bauten zu urteilen — so überaus fruchtbare Zeit des 7. Jahrhunderts.
Es wird immer wieder aufgefallen sein, wie außerordentlich reich heute noch der Bestand an alt-
armenischen Kirchenbauten gerade dieser Zeit ist. Weder aus den Jahrhunderten vorher noch
unmittelbar nachher lassen sich mehr als vereinzelte Denkmäler nachweisen, während aus dem
7. Jahrhundert eine ganze breite Schicht erhalten ist. Sie bildet den festen Halt der vorliegenden
Arbeit. Erst nach Jahrhunderten, im 10. und 11. Jahrhundert, wiederholt sich dieser Fall. Der Unter-
schied ist, daß die Bauten der Blüte um 1000 zur Not auch bisher bekannt waren, die Feststellung
der Tatsache des ausgedehnten Denkmälerbestandes aus dem 7. Jahrhundert, bisher angezweifelt,
zwar durch meine Entdeckung der Kapitelle von Zwarthnotz mit den Monogrammen Nerses III. in
Fluß geraten, aber bis heute noch kaum recht zur Kenntnis der Kunsthistoriker vorgedrungen ist.
Ernstlich gerechnet hat damit niemand, an eine Zurückführung der reinen Kuppelformen auf das
4. Jahrhundert hat daher überhaupt nicht gedacht werden können. S. 56 f. wurde diese Lage der
Forschung darzustellen versucht.
Für die lebhafte Bautätigkeit im 7. Jahrhundert scheinen zunächst ziemlich äußerliche Gründe die
Ursache. Einmal gingen im Perserkriege 571 — 591 viele Kirchen zugrunde. Im Jahre 571 erhoben sich die
Armenier, gereizt durch die Erbauung eines Feuertempels in ihrer Hauptstadt Dwin, gegen die Sasaniden.
Der Krieg dauerte zwanzig Jahre bis 591 und wogte zwischen den die Armenier einkeilenden Großmäch-
ten, dem oströmischen und dem persischen Reiche, hin und her1). Kunsthistorisch ist diese Zeit deshalb
von Bedeutung, weil damals die älteren christlichen Denkmäler Armeniens zerstört worden sein dürften.
Dazu kommt als zweiter Grund für die im 7. Jahrhundert einsetzende allgemeine Baulust der
Umstand, daß die alten Heiligtümer aus der Zeit der Einführung des Christentums von selbst
zusammenstürzten. In der Tat berichtet Johann Afamikonian in seiner Geschichte des Taron2), zum
Vgl. Geizer bei Krumbacher S. 942 f.
2) Ausgabe Langlois I, S. 381 f. arm. Ausgabe S. 61/62.
 
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