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Strzygowski, Josef; Strzygowski, Josef [Hrsg.]
Die Baukunst der Armenier und Europa: Ergebnisse einer vom Kunsthistorischen Institute der Universität Wien 1913 durchgeführten Forschungsreise (Band 2) — Wien: Kunstverl. Schroll, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.47011#0145

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INHALT

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in Kpel läßt eine solche Annahme möglich erscheinen. Als einen Mann des Fortschrittes mußte
ihn der Zwang der Heimat nach auswärts drängen und er dort zu verwirklichen suchen, was ihm die
armenische Kirche versagte: Bauten zu schaffen, die auch im Gesamtaufbau selbst eigene Wege
gingen. Die heute noch im hellenischen Kreise nachweisbaren, um 1000 von Byzanz ausgehenden
Klosterbauten sind ihrer Art nach armenischen Ursprunges und im Grundgedanken nicht die Schöp-
fung eines byzantinischen Hofkünstlers. Über die Bauform selbst »Amida«, Seite 176 f. und unten.

3. Der Armenier als Beschauer.
Im allgemeinen läßt sich sagen, daß die Armenier vor 1889 kaum eine Schätzung für ihre alten
Denkmäler hatten, es sei denn antiquarische, wie etwa Alischan. Seither hat sich das wesentlich
gebessert und eine Aufopferung wie sie von Seiten Thoramanians (S. 7 f.) vörliegt, der ja trotz des
Aufenthaltes in Europa Orientale geblieben ist, steht einzig da.
Uns beschäftigt hier nicht so sehr der Armenier von heute, wir fragen vielmehr, wie sich die
Erbauer der Kirchen selbst und ihre Zeit zu diesen Schöpfungen gestellt haben. Denn das Urteil,
das sie fällen, wird mehr für die urteilende Persönlichkeit, als sachlich für das Denkmal selbst
bezeichnend sein. Ich greife z. B. Stephan von Täron heraus, einen geistlichen Schriftsteller
(Mönch), der vom Patriarchen Ter-Sargis vor 1004 den Auftrag für sein Werk erhielt. Der Um-
kreis seines Kunstverständnisses reicht nicht weit. Ich drucke hier einige Stellen nebeneinander ab,
soweit es sich um Bauten seiner eigenen Zeit handelt. III, 7 (Gelzer-B., S. 125) berichtet er über
die Erbauung der Kathedrale von Kars (vgl. oben S. 80) »mit steinernen Säulen aus behauenen
Granitblöcken und mit Kuppeln ringsherum, die in hellem Schmucke himmelsgleicher Bögen
(prangten).« Diese Angaben fallen sehr auf gegenüber dem Nachsatze: »Er (Abas 928—951)1) baute
auch noch die kleine Katholikatskirche von Ani2) und (die Kirche) des hl. Grigor im Stadtgefilde.«
Hat Stephan die Kirche von Kars gesehen, die beiden in Ani aber vielleicht ni'cht? Denn »Säulen«
aus behauenem Stein, Kuppeln und himmelgleiche Bogen hatten sie ebenso3). Fast genau die
gleichen Worte verwendet er für den Bau der Kathedrale von Argina III, 9 (S. 136): »Und in
demselben Dorfe baute er aus schön behauenen Steinen die hl. K athedralkirche und stützte den
gekuppelten, himmelgleichen Bogen durch Säulen.« Auch bei der Kathedrale von Ani erwähnt er
(oben S. 592), daß Königin Katramide »die sehr hohen Bogen mit einer himmelgleichen Kuppel
wölbte«. Die immer gleichen Phrasen bezeugen nur, daß sie ihm eben aus Mangel an richtigem
Verständnis bequem waren. Es fällt schon sehr auf, wenn er von der Wiederholung der Zwarth-
notzkirche durch Gagik in Ani sagt (oben S. 119): »Nachdem er die Fundamente von der Seite
des Tales von Calkocodzor, an einer erhöhten Stelle gelegt hatte, leuchtete sie sehr lieblich für
diejenigen, die sie sahen, mit großbehauenen, felsenähnlichen polierten Steinen, mit einem Streifen
von Skulpturen geschmückt, mit ihren .Fenstern, ihrer dreifachen Türöffnung und ihrer dem hohen
Firmament des Himmels ähnlichen Wölbung einen prächtigen Anblick gewährend.« Man möchte
glauben, er beschreibe am Schlüsse seines Werkes einfach, was er beim Schreiben unmittelbar
vor Augen hatte. Das Innere berührt er hier mit keinem Wort.
Mehr sachliche Angaben liefern Sebeos und Thomas Artsruni. Wir konnten daher von ihnen
wiederholt mit dem Eindruck Gebrauch machen, Dinge zu erfahren, die Hand und Fuß haben.
Auch sie beschreiben wie Stephan von Taron Geschehnisse der eigenen Zeit. Der Gegensatz, der
sich zwischen der Höhe der baulichen Leistungen, die wir betrachteten, und dem Standpunkt des
gleichzeitigen Schriftstellers geltend macht, bleibt immerhin auffallend. Anders Johannes Katholikos vor
allem, wie schon Agathangelos und Faustus von Byzanz. Sie berichten über eine der Abfassung
um ein oder mehrere Jahrhunderte voraus liegende Zeit und geraten, wenn sie nicht ganz offen-
kundig in kirchenpolitischer Absicht erfinden, ins Unbestimmte und berichten auf Grund des Wenigen,
das wir heute schon nachprüfen können, falsch. Dabei liegt ihnen eine künstlerische Stellungnahme
gänzlich fern.
*) Vgl. die Königsliste S. 600, wo die Regierungszeit 984—1029 angegeben ist. -— 2) Die Apostelkirche. Vgl. oben S. 106.
— 3) Ich sehe davon, ob die Übersetzung richtig ist, ab.
 
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