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Strzygowski, Josef; Strzygowski, Josef [Hrsg.]
Die Baukunst der Armenier und Europa: Ergebnisse einer vom Kunsthistorischen Institute der Universität Wien 1913 durchgeführten Forschungsreise (Band 2) — Wien: Kunstverl. Schroll, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.47011#0269

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TRÄGER DER AUSBREITUNG

719



Abb. 685.
Thalin: Rest eines Hochkreuzes,

Abb. 684.
Thalin: Rest eines Hochkreuzes.
Aber auch die Modellierung ist nicht ganz ausgeschlossen. Ich will dafür
zurückgreifen auf die Stifterbilder von Mzchet, von denen schon oben S. 86 f.
und 431 f. die Rede war. Ich gab eine dieser über den Fenstern
eingesetzten Tafeln Abb. 472. Sie ist bereits beschrieben, ich mache
hier besonders auf die strenge Vorderansicht Christi und die Art des
Faltenwurfes aufmerksam. Der Erlöser hält das Buch auf der bedeckten
Rechten, die Falten seines langen Gewandes fallen in parallelen Lagen
herab. Zu seinen Füßen in Seitenansicht der Unterkörper des Stifters.
Ich gebe Abbildung 686 ein anderes Beispiel einer ähnlichen Anordnung
und Behandlung. Diesmal ist die Blutflüssige an Stelle des Stifters
getreten und die Darstellung keine armenische; sie stammt vielmehr von
dem bekannten Ruthwell-Kreuz in Northumberland ’). Mehr will ich in
diesem einführenden Werke nicht sagen. Die Frage ist eine äußerst
schwierige. Jahrelange Studien können nur dann zu einem abschließenden
Urteile führen, wenn die armenischen Denkmäler gesammelt und im
Einzelnen mit denen im Norden der britischen Inseln verglichen werden.
Man erlaube mir nur noch eine Bemerkung.
Sowohl auf den irisch-schottischen wie den armenischen Steinkreuzen
wechselt die Darstellung mit Kreuzen, die ausschließlich mit Zieraten
geschmückt sind. Ich habe dafür oben S. 252 f. einige Beispiele aus
Armenien gegeben und möchte hier zum Vergleich wenigstens ein
solches aus Schottland daneben stellen. Es ist der »Nigg-Stone» in
’) Vgl. darüber zuletzt Cook, The date of the Ruthwell and Bewcastle cross (Trans-
actions of the Connecticut Academy of fine arts and Sciences XVII 1912) Fig. 6 und dazu
die Besprechung von Vietor im Beiblatt zur Anglia XXVI (1915), S. I f.

Gewand und das seltsame Gebilde zu Füßen Christi: eine Gestalt,
scheint es, die mit emporgestreckten Händen nach den Füßen des
Erlösers greift. Auf der linken Seitenfläche Maria thronend mit dem
bärtigen Christus vor sich im Schoße, beide die Rechte seitlich erhebend,
die Linke übereinander vor Christi Brust. Auf der rechten Seitenfläche
zwei stehende Männer übereinander, auf der Rückseite (Abb. 683) drei
lotrechte Wülste durch je zwei Linien im Schrägschnitt getrennt.
In Thalin wie in Agrak sah ich auf Steinen, die gestürzt am Boden
liegen (Abb. 684) öfter die Gestalt des Trdat in Tiergestalt zwischen
Heiligen mit Lanzen, Christus und Maria, Engeln, Kreuzen und Palmetten-
gebilden. Von Trdat gebe ich ein Beispiel Abbildung 685 aus Thalin.
Der König mit Nimbus und Schweinsrüssel wendet sich in langem Gewand
nach links, ein Stabkreuz in der Rechten haltend. Auf der Seitenfläche
erscheint bisweilen Maria mit dem Kinde, darüber ein Engel, über Trdat
und auf der Seite rechts von ihm persische Palmetten über einem Kreuze.
Ich denke, es werde als keine zu gewagte Annahme gelten, wenn
man sich diese Schäfte nach dem Muster von Oschakan und den irischen
Hochkreuzen mit einem Kreis im Kranze gekrönt ergänzt. Ein solches
liegt am oberen Ende des Trdat-Kreuzes in Abbildung 685. Dann aber
treten sich die beiden Gruppen derart nahe, daß man in Zukunft bei
Lösung der viel umstrittenen Frage nach Ursprung und Zeitstellung der
britischen Beispiele sich des armenischen Vergleichsstoffes kaum wird
entschlagen können.
Die formale Behandlung der Flachbilder ist in beiden Kreisen
eine sehr verwandte. Die Beispiele aus

Armenien, die ich abbildete, übertragen
die gewohnte Flacharbeit der dreistreifigen
Flechtbänder auf die menschliche Gestalt.
 
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